Superwahljahr und Pandemie: Parteien suchen die coronakonforme Kampagne
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Das Superwahljahr 2021: Die Parteien werden wegen der Corona-Pandemie vermehrt auf Plakate und digitalen Wahlkampf setzen.
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Berlin. Eigentlich sind Wahlkämpfe ja eine eingespielte Sache. Es gibt Großveranstaltungen, Infostände, Plakate, Flugblätter. Kandidaten stellen sich in Fußgängerzonen oder vor Werkstore, um für sich zu werben. Aber wie geht das in der Pandemie, wenn Abstandsregeln gelten und Versammlungen verboten sind?
Die Frage wird unter den Wahlkämpfern in den Parteizentralen gerade heiß diskutiert. Im Superwahljahr 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl im September suchen sie nach Strategien für einen coronakonformen Wahlkampf.
Bei den Grünen ist das die Aufgabe von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. „Dass im Sommer Großveranstaltungen stattfinden können, ist für mich nur schwer vorstellbar“, sagt Kellner dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es sei bedauerlich, wenn der normale Wahlkampf nicht möglich sei. „Aber wenn in der Corona-Pandemie das ganze Leben digital ist, muss auch der Wahlkampf digital sein.”
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SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil rechnet mit einer grundlegend anderen Kampagne. „Wir planen weniger mit großen Events auf den Marktplätzen der Republik und rücken dafür das Digitale bis zum Sommer mehr in den Fokus“, sagt Klingbeil dem RND. „Seit diesem Monat schicken wir unseren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz auf virtuelle Tour durch die Wahlkreise.“
In digitalen Townhalls spreche Scholz mehrmals pro Woche mit Bürgerinnen und Bürgern über seine „Zukunftsmissionen für Deutschland“, berichtet Klingbeil. Der Parteitag, bei dem die SPD im Mai ihr Regierungsprogramm verabschieden will, soll ebenfalls komplett digital stattfinden.
Auch bei der CDU wandert viel Wahlkampf ins Netz. „Der diesjährige Bundestagswahlkampf wird deutlich digitaler“, sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dem RND. „Ein Vorteil ist, dass man deutlich schneller eine große Zahl von Menschen im Rahmen von digitalen Formaten erreichen kann – und es auch für diese mit weniger Aufwand verbunden ist, als an einer Marktplatzkundgebung oder einer Bürgersprechstunde teilzunehmen.“
Sorge vor der Abhängigkeit von Facebook, Twitter und Co.
Die Webseiten der Parteien werden wichtiger, aber auch Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram. Auf diese Herausforderung müsse man reagieren, findet Kellner: „Für den Wahlkampf im Internet gibt es bislang keine Regeln. Das wäre aber wichtig. Es sollte nicht allein den Plattformbetreibern überlassen bleiben, für Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu sorgen.“
Die Macht der Plattformbetreiber ist nicht die einzige Sorge der Kampagnenplaner. Sie fürchten auch, dass digitale Kampagnen an wichtigen Bevölkerungsgruppen wie älteren Wählern vorbeigehen könnten.
Deshalb werden die Kampagnen nicht nur digitaler, sondern gleichzeitig auch analoger. Die Grünen etwa wollen doppelt so viele Großflächenplakate wie im letzten Bundestagswahlkampf aufstellen. „Wahlplakate werden oft belächelt. Aber diesmal werden sie vermutlich noch wichtiger als sonst. Schließlich erreichen sie alle Menschen“, sagt Geschäftsführer Kellner.
Auch die CDU setzt nach wie vor auf klassische Wahlkampfinstrumente – die sie allerdings an die neuen Gegebenheiten anpassen muss. „Dann heißt es eben nicht mehr von Tür zu Tür, sondern von Gartentor zu Gartentor“, sagt Generalsekretär Ziemiak. Und natürlich gelte immer: Abstand halten, Maske aufsetzen und Hygienemaßnahmen beachten.
Klassische Marktplatzveranstaltungen? Vielleicht im Sommer
SPD-Generalsekretär Klingbeil plant in eine ähnliche Richtung, er will allerdings die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, dass ab dem Sommer doch noch klassische Formate möglich sein werden. „Wenn es die Corona-Situation zulässt, werden wir mit Olaf Scholz und unseren Kandidatinnen und Kandidaten natürlich auch wieder in den Fußgängerzonen und an den Haustüren stehen“, sagt er.
Die Linkspartei, deren Mitglieder im Schnitt jünger als die von Union oder SPD sind, rechnet sich durch die Digitalisierung Vorteile aus. Ihre Partei habe viele onlineaffine Mitglieder unter 35 Jahren, freut sich die baden-württembergische Spitzenkandidatin Sahra Mirow. „Davon profitieren wir gerade sehr.“
Für die Landtagswahlkämpfe in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo am 14. März gewählt wird, plant Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler eine vom Bundesvorstand unterstützte Tour. Sollten Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler Ende Februar wie erwartet zu den neuen Bundesvorsitzenden der Linken gewählt werden, dann wird eine gemeinsame Veranstaltung zum Internationalen Frauentag am 8. März vorbereitet.
Und auf noch etwas stellen sich die Parteien ein: Wegen der Pandemie könnte es einen höheren Anteil an Briefwählern geben. „Auch das verändert etwas: Sonst konzentrieren wir uns mit unseren größten Anstrengungen auf die letzten Stunden vor dem Wahltag. Jetzt brauchen wir eine Art Eichhörnchenstrategie“, sagt Grünen-Geschäftsführer Kellner.
„Eichhörnchen beginnen im Spätsommer mit dem Sammeln von Vorräten, damit sie ein gutes Polster für den Winter haben. Daran orientieren wir uns: Wir müssen sechs bis acht Wochen lang stetig präsent sein und Stimmen sammeln, damit wir die Wahl gewinnen und die nächste Regierung grün geprägt ist. Das erfordert ein hohes Durchhaltevermögen.“
CDU-Mann Ziemiak will mit gezielten Kampagnen und angepassten Zeitplänen um Briefwähler werben.
Günstiger werden die Wahlkämpfe durch den größeren Digitalanteil übrigens nicht. „Gute und sichere Technik hat ihren Preis“, sagt Grünen-Geschäftsführer Kellner. Über 70 Millionen Euro haben die Parteien im letzten Bundestagswahljahr 2017 ausgegeben. Im Corona- und Superwahljahr 2021 dürfte es kaum weniger werden.