Ein zweifelhafter Vorstoß: Südafrikas Angebot einer „afrikanischen Friedensinitiative“ für die Ukraine
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Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa will gemeinsam mit anderen afrikanischen Staaten zwischen Russland und der Ukraine vermitteln.
© Quelle: Str/XinHua/dpa
Der Papst und andere Vermittler haben sich bislang die Zähne an den osteuropäischen Kriegsgegnern ausgebissen. Jetzt soll Afrika aushelfen. Wie Südafrikas Präsident, Cyril Ramaphosa, am Dienstagabend in Kapstadt bekannt gab, sollen sechs Regierungschefs vom Kontinent „so bald wie möglich“ nach Moskau und Kiew reisen, um zu vermitteln. Experten begrüßten den Vorstoß – wenngleich Zweifel über den Initiator herrscht: Südafrika hatte in den vergangenen Monaten wiederholt durch seine enge Beziehung zu Russland für Schlagzeilen gesorgt.
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„An oberster Stelle steht der Versuch, eine friedliche Lösung für den zerstörerischen Konflikt in der Ukraine zu finden, er kostet Menschenleben und hat auch Folgen für den afrikanischen Kontinent“, so Ramaphosa vor Journalisten. Am Wochenende habe er mit Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin telefoniert, um ihnen den Vorschlag einer „afrikanischen Friedensinitiative“ zu unterbreiten. Beide hätten eingewilligt, die afrikanische Mission „in Moskau und Kiew“ zu empfangen. Neben Ramaphosa sollen auch die Präsidenten Sambias, Senegals, Ugandas, Ägyptens und der Republik Kongo nach Osteuropa reisen.
Ein Experte in Johannesburg begrüßte die Initiative. „Wenn afrikanische Anführer sich als Schlichter anbieten, sollte man das durchaus ernst nehmen. Viele von ihnen haben Erfahrung bei der Konfliktbewältigung gesammelt, die nun im Ukraine-Russland-Konflikt zur Anwendung kommen könnte“, sagt Politologe Steven Gruzd vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Afrikas Staaten gaben sich in den knapp 15 Monaten, die der russische Angriffskrieg inzwischen dauert, überwiegend zurückhaltend. Auch Südafrika beanspruche laut Gruzd „Blockfreiheit und Neutralität“. Bei UN-Resolutionen gegen Russland enthielt es sich stets seiner Stimme. Allerdings werde man die Regierenden des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) „an ihren Taten messen“. Und die zeugten zuletzt von einer klaren Position für die historischen Freunde in Moskau.
Gemeinsam mit China hatten Südafrika und Russland zu Jahresbeginn eine Marineübung vor der südafrikanischen Küste abgehalten. Kurze Zeit später war der russische Außenminister Sergei Lawrow zu Besuch in Pretoria; südafrikanische Politiker reisten nach Russland. Nun wurde durch Berichte der russischen Nachrichtenagentur Tass bekannt, dass Südafrikas Armeechef Lawrence Mbatha derzeit ebenfalls Moskau besucht. Bei dem Arbeitsbesuch werde die „Kampfbereitschaft“ der beiden Länder besprochen, hieß es.
Vorwurf: geheimer Waffendeal mit Russland
Südafrikas Armee versuchte zu Wochenbeginn, Mbathas Trip als „Freundschaftsbesuch“ abzuschwächen. Denn Pretorias Beziehungen zum Westen hatten zuletzt einen Tiefpunkt erreicht: In einigen Diplomatenkreisen genießt die Kap-Republik inzwischen wieder einen Ruf, wie sie ihn während der Apartheid und zuletzt unter dem skandalumwitterten Ex-Präsidenten Jacob Zuma hatte. Einen frostigen Höhepunkt erreichte die Kalte-Krieg-Stimmung vergangene Woche, als der US-Botschafter Reuben Brigety Südafrika unterstellte, Russland mit Waffen und Munition zu beliefern. Das Kriegsmaterial soll vergangenen Dezember an Bord des russischen Transportschiffs „Lady R“ verladen worden sein. Das unter US-Sanktionen stehende Schiff hatte mehrere Tage in einem Marinestützpunkt in der südafrikanischen Hafenstadt Simon‘s Town geankert. Ramaphosa wies die Vorwürfe zurück und kündigte eine richterliche Untersuchungskommission an, die den Vorwürfen nachgehen soll. Viele wundern sich, ob es ohne Wissen der Behörden zu einem Waffendeal gekommen sein könnte.
Die Nähe zu Russland ist für jeden offen sichtbar. Deshalb ist es vielleicht nicht die beste Idee, dass Südafrika (die Friedensinitiative) anführt.
Steven Gruzd,
Politologe vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA)
Während Ramaphosa übe die Details seines Telefonats mit Selenskyj schwieg, zitieren südafrikanische Zeitungen den ukrainischen Präsidenten mit klaren Worten: „Jeder, der den Aggressor mit Waffen ausstattet, ist ein Mittäter.“ Zugleich aber begrüßte er, dass Afrika an einem Friedensprozess mitwirken wolle.
Politologe Gruzd sieht in Südafrika einen „Anführer in Afrika“: Politisch, wirtschaftlich – moralisch aber nur noch mit reichlich Fantasie. „Die Nähe zu Russland ist für jeden offen sichtbar. Deshalb ist es vielleicht nicht die beste Idee, dass Südafrika (die Friedensinitiative) anführt“, so der Experte.
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RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im neuen wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.
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Nur wenige Minuten nach Ramaphosas Ankündigung wurde in sozialen Medien Kritik laut: Weshalb helfen afrikanische Regierungschefs in der Ukraine aus, während im eigenen Hinterhof das Feuer lodert? Im Sudan forderte der Kampf zwischen der Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) seit Mitte April mehr als 800 Tote. Viele wünschten sich auch hier eine afrikanische Friedensinitiative, stattdessen vermitteln die USA und Saudi-Arabien. Gruzd: „Man würde sich wünschen, dass die afrikanischen Anführer genauso engagiert die Konflikte am Kontinent anpacken.“