Ströbele zur Corona-Krise: “Wenn sie die Alten separieren, klage ich”
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Hans-Christian Ströbele im Januar in seiner Wohnung.
© Quelle: Markus Decker
Berlin. Normalerweise beginnen Journalisten ihre Interviews mit der ersten Frage. Nicht in diesem Fall...
Na, leben Sie noch, Herr Decker?
Ja. Und Sie, Herr Ströbele?
Ja, ich auch. Corona habe ich nicht. Aber sonst habe ich ja fast alles.
Was machen Sie gerade?
Ich war gerade an der Spree in der Sonne unterwegs. Das ist das beste Mittel, um sich zu kräftigen: Die Lunge mal kräftig durchpusten.
Macht Ihnen die Pandemie Angst? Immerhin zählen Sie als 80-Jähriger mit Vorerkrankungen zur absoluten Risikogruppe.
Nein, Angst macht mir das nicht. Ich sehe das mit Fassung – auch wenn ich zur Hochrisikogruppe gehöre. Meine Ärztin hat gesagt: “Gehen Sie nach Hause.” Einkaufen tue ich jedenfalls nicht mehr. Und alle Außenkontakte laufen über meine Frau.
Sie tragen neuerdings auch eine Atemschutzmaske. Das konnte man bei Twitter sehen.
Ja, ich habe immer eine umgebunden. Wenn mir einer zu nahe kommt, dann ziehe ich die Maske hoch. Ich habe allerdings nur eine. Die habe ich von einer Ärztin geschenkt bekommen. Es war meiner Ansicht nach ein Fehler, dass man das Tragen dieser Masken nicht eher propagiert und die Bevölkerung damit versorgt hat. In Asien sind sie die Masken gewohnt. Ich glaube, die können helfen.
Früher war das sogenannte Vermummungsverbot mal ein heißes Thema.
(Lacht) Ja, und jetzt wird die Vermummung teilweise offiziell empfohlen.
Ihr Parteifreund Boris Palmer hat dafür plädiert, der Krise durch Separierung der über 65-Jährigen und chronisch Kranken zu begegnen und alle anderen arbeiten zu lassen. Was sagen Sie dazu?
Wenn sie die Alten und chronisch Kranken separieren, bin ich am nächsten Tag beim Bundesverfassungsgericht und klage. Das wäre ein drastischer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, den man gar nicht begründen könnte. Das wäre wie Knast und kann sich nur ein Junger ausdenken, der davon nicht betroffen wäre.
Sie lehnen das strikt ab?
Ja. Außerdem wäre es völlig kontraproduktiv. Denn wenn ich lese, wie viele Menschen jetzt in Alten- und Pflegeheimen sterben, dann kommt mir das kalte Grausen. So eine Lösung ist unzumutbar und wird hoffentlich nicht weiterverfolgt. Ich verstehe gar nicht, wie man das überhaupt noch diskutieren kann. Damit schützt man die Alten nicht, sondern gefährdet sie.
RND