Streit um Impfung für Kinder: „Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden kann“
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)
© Quelle: imago images/Political-Moments
Berlin. Alle Kinder, die zwölf Jahre und älter sind, sollen laut Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot erhalten. „Da haben wir jetzt gesagt, da nehmen wir die 12-plus-Jährigen mit rein, das gilt auch für die.“ Bis Mitte September wolle man mit den Impfungen durch sein, „das halten wir auch weiter für realistisch“, sagte Braun. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisiert derweil die Aussagen der Bundesregierung. „Es ist eine Erwartung geweckt worden, was nicht erfüllt werden kann“, so Haseloff.
Das sagten die beiden CDU-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“ zu den Beschlüssen des Impfgipfels am Donnerstag.
Am Donnerstagabend hatten Bund und Länder bei einem Impfgipfel vereinbart, dass sich Kinder ab 12 Jahren vom 7. Juni an generell gegen Corona impfen lassen können sollen. Voraussetzung dafür ist, dass die EU-Arzneimittelbehörde EMA den bisher ab 16 Jahren freigegebenen Impfstoff von Biontech/Pfizer auch für diese Altersgruppe zulässt, dies wird für diesen Freitag erwartet.
Kein Zusätzlicher Impfstoff für Kinder
Den Ländern stehen jedoch für die Impfung von Kindern kein zusätzlicher Impfstoff zur Verfügung. Zudem hatten sowohl Biontech/Pfizer, als auch Johnson & Johnson zuletzt Lieferverzögerungen angekündigt.
Stiko: Schulöffnungen auch ohne Impfung der Kinder möglich
Am Donnerstag will der Impfgipfel in Berlin mit der Lage von Kindern und Jugendlichen befassen. Die Ständige Impfkommission will sich noch nicht festlegen.
© Quelle: Reuters
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff (CDU) kritisiert daher die bisherige Kommunikation der Bundesregierung zu dem Thema. Er wünsche sich zu diesem Thema keine Pressekonferenzen aus dem Bund mehr. Dies hänge „damit zusammen, dass wir klare Botschaften brauchen“, sagte der Ministerpräsidenten.
Braun wies derweil darauf hin, dass es den Ländern offen steht, spezielle Impfangebote für Schulen aufzulegen, „das haben wir nicht ausgeschlossen“. Es gehe aber zu weit zu sagen, Kinder müssten sich für einen sicheren Schulbetrieb impfen lassen.
„Das ist eine individuelle Entscheidung und deshalb fände ich es gut wenn Eltern und Ärzte da frei sind und dass wir sie weder bedrängen, dafür oder dagegen“, stellte Braun fest.
STIKO-Chef: „Es gehen zu viele Argumente durcheinander“
„Es gehen zu viele Argumente durcheinander, die nicht zusammengehören, und natürlich steht auch der Wahltag vor der Tür“, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag). In der Debatte erhoffe er sich „Abkühlung und rationales Denken“. Grüne und Linke kritisierten die Ergebnisse des Gipfels, der Deutsche Städtetag warnte vor „enttäuschten Hoffnungen“ und Ärztepräsident Klaus Reinhard vor politischem und gesellschaftlichem Druck auf Eltern.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete den Impfgipfel in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag) als „Gipfel der Enttäuschung“. „Dass bis heute nicht alle Risikopersonen geimpft sind und ein Angebot an die mittelalte Generation fehlt, ist eine bittere Nachwirkung des Beschaffungsdebakels“, kritisierte er.
Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt bezeichnete die Ergebnisse in den Funke-Zeitungen als enttäuschend. „Zusätzlichen Impfstoff, den Jens Spahn vor kurzem noch in Aussicht gestellt hat, gibt es nun ganz offenbar doch nicht“, kritisierte sie. „Mal wieder weckte der Gesundheitsminister falsche Erwartungen und hat es versäumt, vorausschauend zu handeln.“
Der CDU-Politiker müsse nun sicherstellen, dass Jugendliche mit Vorerkrankungen, die einer Risikogruppe angehörten, mit hoher Priorität ein Impfangebot erhielten. Ihre Eltern könnten dann „am besten gleich mitgeimpft werden“, sagte Göring-Eckardt.
Bundesschülerkonferenz kritisiert Aufhebung der Impfpriorisierung
Die Bundesschülerkonferenz forderte in den Funke-Zeitungen ein Vorgriffsrecht für junge Menschen auf den Biontech-Impfstoff. „Junge Menschen müssen auch die Möglichkeit bekommen, sich und ihre Mitmenschen mit einer Impfung zu schützen“, sagte der Generalsekretär Dario Schramm. Zudem kritisierte er die Aufhebung der Impfpriorisierung. Denn auch vorerkrankte junge Menschen über 16 versuchten seit Wochen, einen Termin zu bekommen. „Durch die Aufhebung der Priorisierung wird das Gerangel noch größer und damit die Hoffnung auf einen zeitnahen Termin immer geringer“, sagte er.
Studie belegt: Biontech-Impfstoff bietet Schutz für Kinder ab zwölf Jahren
Der Biontech-Impfstoff schützt auch Kinder zwischen 12 und 15 Jahren sicher vor einer Covid-19-Erkrankung.
© Quelle: dpa
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, bezeichnete es zwar als gut, dass Schülerinnen und Schülern eine Impfung ermöglicht werden solle. Der Impfstoff sei aber so knapp, dass er zurzeit gerade einmal für die Zweitimpfungen reiche, sagte er den Funke-Zeitungen. „Bund und Länder müssen Tacheles reden und klar und ehrlich sagen, dass es noch Wochen dauert, bis jeder, der will, geimpft werden kann“, unterstrich Dedy. „Denn enttäuschte Hoffnungen kosten Vertrauen.“
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag), dass es richtig sei, dass die Stiko mit Bedacht analysiere, wie groß die Gefährdung der Kinder durch Sars-CoV-2 tatsächlich sei. „Die Datenlage zu Risiken und Nutzen einer möglichen Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen ist derzeit noch so unzureichend, dass man keine Empfehlung abgeben kann“, betonte er.
„Es sollte jetzt auch kein politischer und gesellschaftlicher Druck ausgeübt werden, Eltern zur Impfung ihrer Kinder zu drängen.“ Auf keinen Fall dürfe die Teilnahme am Präsenzunterricht von einer Impfung abhängig gemacht werden.
RND/dpa