Weil erwartet Klageerfolg für höheren Rundfunkbeitrag

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen.

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen.

Magdeburg. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bedauert das Aus für den Rundfunk-Staatsvertrag und die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021. Er sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Sachlich gibt es dafür keine Gründe. Die Gesetzesvorlage spiegelt den Sachstand wieder, auf den sich die Länder nach den Erkenntnissen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geeinigt hatten. Die Entscheidung Sachsen-Anhalts ist zu bedauern, der zwischen den Ländern abgestimmte Entwurf aber wird wohl dennoch realisiert werden. Die Medienanstalten haben bereits angekündigt, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Das ist leider nötig. Dort werden ihnen gute Erfolgsaussichten eingeräumt.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Zuvor hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent zum 1. Januar gestoppt. Haseloff zog den Staatsvertrag zur Anhebung des Rundfunkbeitrags zurück. Damit ist das Vorhaben, zu dem alle anderen Länder bereits ihre Zustimmung erteilt oder angekündigt haben, hinfällig. Der Rundfunkbeitrag bleibt auch nach dem 1. Januar 2021 unverändert bei 17,50 Euro.

Haseloff verkündete seine Entscheidung am Dienstag in der Kabinettssitzung. Durch diesen Schritt hat der Landtag keine Entscheidungsgrundlage mehr. Die CDU vermeidet es, gemeinsam mit der AfD abzustimmen. Vor einer solchen Zusammenarbeit hatten die Koalitionspartner SPD und Grüne heftig gewarnt.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Markus Kurze, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Wir nehmen die Entscheidung des Ministerpräsidenten mit Respekt zur Kenntnis und danken unseren Koalitionspartnern für den verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik!” Kurze ist auch medienpolitischer Sprecher der Fraktion und Wortführer der Gegner einer Beitragserhöhung.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Derzeit keine normalen Zustände“

Der Grünen-Landesvorsitzende Sebastian Striegel kritisierte den Koalitionspartner CDU erneut heftig. Dem RND sagte er: „Dieser Rückzieher Haseloffs ist eine direkte Folge der desaströsen Verfassung der CDU, die Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nehmen will. Diese versuchte Einflussnahme wird nun das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Der Koalition ist durch das Agieren der CDU schwerer Schaden entstanden. Sachsen-Anhalt ist bundesweit isoliert.”

Einen Bruch der Koalition ein halbes Jahr vor der regulären Landtagswahl will Striegel aber vermeiden. Dem RND sagte er: „Unter normalen Umständen wäre dies der Moment, eine solche Koalition zu verlassen. Derzeit sind aber keine normalen Zustände. Die Pandemielage in Sachsen-Anhalt spitzt sich von Tag zu Tag dramatisch zu. Auch in der CDU und im Landtag herrschen keine normalen Zustände. Wir haben eine CDU, die offen ist für den Einfluss der AfD. Und eine AfD, die permanent daran arbeitet, unsere Demokratie von innen durch Destruktivität und Chaos auszuhöhlen.“

„In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz regierungsunfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD. Wir halten es aus staatspolitischer Verantwortung für notwendig, in der Pandemie eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten, erst recht, wenn die CDU nicht mehr handlungsfähig ist. Das werden wir unseren Parteigremien so vorschlagen.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Unterstützung und Kritik aus Berlin

Der Politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, äußerte sich ähnlich. „Der Putschversuch der Stahlknechte ist vorerst gescheitert und damit der Versuch, die CDU in eine Minderheitsregierung, toleriert von der AfD, zu treiben”, sagte er dem RND. Medienpolitisch allerdings sei die Entscheidung „ein Desaster”, fügte Kellner hinzu. „Die CDU in Land und Bund hat keinen klaren Kompass und keine Führung. In Sachsen-Anhalt ist sie offen nach rechts. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist das Bauernopfer eines schmutzigen Richtungsstreits.”

Der Bundesgeschäftsführer sagte weiter: „Das wäre unter normalen Umständen Anlass und Grund, die Regierung zu verlassen. Dennoch wird die Grünen-Führung in Sachsen-Anhalt ihren Gremien vorschlagen, in der dramatischen Pandemielage in der Regierung zu bleiben.” Das wiederum geschehe „nur aus Verantwortung für das Land in Zeiten der Pandemie”, so Kellner. „Die Alternative wäre eine CDU-Regierung von Gnaden der AfD – was in der Pandemie und angesichts der Unions-Nähe zur AfD die schlimmere Variante wäre. Die Entscheidung der Grünen in Sachsen-Anhalt ist eine schwere, doch sie ist in dieser Lage die richtige.”

Klingbeil beklagt „Führungsversagen in der Union“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußerte scharfe Kritik am Umgang der CDU-Bundesspitze mit den Vorgängen in Magdeburg. „Die Situation in Sachsen-Anhalt ist ein Beleg für das Führungsversagen in der Union. Und das hat Konsequenzen für das ganze Land“, sagte Klingbeil dem RND. „Die öffentlich-rechtlichen Medien gehen ohne gesicherte Finanzierung ins neue Jahr. Alle CDU-Entscheidungsträger in Land und Bund haben das mit zu verantworten“, so der Sozialdemokrat weiter. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und 15 andere Bundesländer müssen ausbaden, dass die CDU ihr Verhältnis zur AfD nicht geklärt hat.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auch der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, attestierte der CDU ein Führungsproblem: „Das totale Scheitern des Ministerpräsidenten ist dokumentiert, die Führungslosigkeit der Bundes-CDU ein dramatisches Problem. SPD und Grüne werden gedemütigt und sollten umgehend ihre Minister aus der Regierung zurückziehen.” Er fuhr fort: „Kenia als angebliches Bollwerk gegen rechts ist krachend gescheitert und zu Afghanistan geworden. Sachsen-Anhalt ist in vielen Kennziffern Schlusslicht im Ländervergleich.”

Lob für Haseloff von der CDU-Vorsitzenden

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lobte hingegen die Haltung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. „Es ist gut, dass die Koalition in Sachsen-Anhalt eine Lösung gefunden hat und sich nun weiter auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren kann“, sagte sie dem Nachrichtenportal „t-online“ am Dienstag. Das sei vor allem das Verdienst von Haseloff gewesen. Die Koalition in Magdeburg habe damit gezeigt, dass sie sich ihrer Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger im Land bewusst sei. Gleichzeitig kritisierte Kramp-Karrenbauer die CDU-Landtagsfraktion für ihre abweichende Haltung: „Diese Position wurde und wird von mir und der Mehrheit in der CDU nicht geteilt.“

Hamburgs Kultursenator spricht von ungeheuerlichem Vorgang

Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) sagte dem RND zum Stopp des Staatsvertrags: „Das ist ein ungeheuerlicher und verantwortungsloser Vorgang. Der Beitragserhöhung haben die allermeisten Landtage bereits zugestimmt. Sie folgt der Empfehlung einer unabhängigen Kommission und soll dafür sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auftragsgemäß finanziert ist. Wenn die CDU in Sachsen-Anhalt damit aus parteipolitischem Opportunismus spielt, richtet sie nicht nur medienpolitisch erheblichen Schaden an, sondern gefährdet fahrlässig eine Grundlage unserer demokratischen Öffentlichkeit. Noch schlimmer ist, dass das Ganze in unverhohlener Nähe zur AfD stattfindet. Den Rundfunkanstalten kann man jetzt nur raten, ihr Recht vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstreiten. Im Länderkreis müssen wir dringend sicherstellen, dass wir alle unserer Verantwortung für eine demokratische Medienordnung gerecht werden. Der Vorschlag für eine moderne Flexibilisierung des Auftrags, eine maßvolle Budgetierung des Finanzbedarfs und eine moderate Indexierung des Beitrags liegt auf dem Tisch. Er hätte diese Situation verhindern können.“

Mit dpa.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Top Themen

Krieg in der Ukraine
 

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken