Stahlknecht-Entlassung: die Selbstzerstörung der Ost-CDU
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (Dritter von links) entlässt seinen Innenminister Holger Stahlknecht (Zweiter von links).
© Quelle: Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/d
Magdeburg. Die CDU in Sachsen-Anhalt zerlegt sich in atemberaubender Geschwindigkeit und auf offener Bühne: Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl reiben sich Ministerpräsident und Spitzenkandidat Reiner Haseloff und Landeschef Holger Stahlknecht im internen Machtkampf auf.
Um die 86 Cent Rundfunkgebührenerhöhung, die Sachsen-Anhalts Christdemokraten so gerne verhindern wollen, geht es dabei schon lange nicht mehr. Es geht um die strategische Ausrichtung und um die ostdeutsche Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der AfD – und ihren Wählerinnen und Wählern?
Die CDU im Osten hat zwei Machtoptionen – entweder sie bindet sich an das Mitte-Links-Lager aus einer geschwächten SPD und nur langsam sprießenden Grünen. Oder sie flirtet mit der offen rechtsextrem auftretenden AfD. Im ersteren Fall müssen ihre Abgeordneten mit schwierigen Koalitionspartnern zurechtkommen und zur Wahrung des Koalitionsfriedens das rechtsbürgerliche Milieu verleugnen, aus dem sie oft selbst stammen. Im anderen Fall begingen sie einen Tabubruch, der sich für sie selbst gar nicht so anfühlt. Denn die Entfernung zwischen rechtsbürgerlich und rechtsextrem ist im Milieu der Kleinstädte Sachsen-Anhalts oft äußerst kurz.
Die CDU hat das im Quartalstakt bewiesen. Mal zögert sie arg lange, bevor sie einem Lokalpolitiker mit Neonazi-Tattoo die Tür weist. Mal wollen ihre Fraktionsvizes „das Soziale mit dem Nationalen versöhnen“ und beklagen, die Union habe Anhänger verprellt, indem sie „multikulturellen Strömungen linker Parteien und Gruppen“ nicht ausreichend entgegengetreten sei.
Stahlknecht protegiert diese Denkrichtung in der CDU. Erst im Herbst löste er einen Skandal aus, indem er die Überlastung der Polizei mit der Bewachung jüdischer Einrichtungen in Zusammenhang brachte. Nun brachte er eine Minderheitsregierung ins Spiel – einen Testlauf für eine mögliche Tolerierung durch die AfD.
Auch Haseloff flirtete in der Vergangenheit mit dem rechten Rand. Seit er sich gegen Stahlknecht als Spitzenkandidat durchgesetzt hat, ist seine Strategie jedoch eine andere. Er will den umsichtigen Landesvater geben, der das Land sicher durch die Pandemie gesteuert hat. Die duldsamen Kenia-Koalitionspartner machen es ihm leicht, sie tolerieren bisher alle Quartalsausbrüche des rechten CDU-Rands.
Stahlknechts Minderheitsregierungsfantasie aber war zu viel. Haseloff musste handeln. Als Innenminister konnte er den Konkurrenten absetzen. Als Landeschef ist Stahlknecht ebenfalls zurückgetreten. Doch der Machtkampf in Magdeburg geht weiter. Und er wirft ein Schlaglicht auf eine Leerstelle in Berlin: Eine faktisch führungslose CDU kann nichts gegen die Selbstzerstörung eines Landesverbands ausrichten.