Deutsche Länder wollen Sputnik – aber was macht die EU?
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Der russische Impfstoff Sputnik V sorgt für Kontroversen in Deutschland. Erst sichert sich Bayern 2,5 Mio. Impfdosen per Vorvertrag und jetzt will Gesundheitsminister Jens Spahn das Vakzin für das ganze Land organisieren. Derweil bleibt EU-Chefin Ursula von der Leyen in Sachen Sputnik V zurückhaltend und Wladimir Putin dürfte diese Querelen schmunzelnd beäugen.
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Brüssel. Nach Bayern setzen nun auch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit Russland über eventuelle Lieferungen des Impfstoffs reden. Von nationalen Notfallzulassungen, wie sie etwa Ungarn gemacht hat, ist vorerst in Deutschland aber noch keine Rede. Es soll abgewartet werden, ob die Europäische Arzneimittelagentur EMA das Mittel freigibt.
Die EU-Kommission hat sich dagegen noch nicht festgelegt, ob sie Sputnik V in ihr Impfstoffportfolio aufnehmen will. Aus dem Europaparlament wird die Behörde in Brüssel aber dazu gedrängt, damit die gemeinsame europäische Impfstrategie nicht noch mehr Risse bekommt.
EU-Kommission soll Verhandlungen beginnen
Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärt, sein Bundesland habe sich mit einem Vorvertrag 2,5 Millionen Impfdosen Sputnik V gesichert, falls der Wirkstoff in der EU zugelassen werde. Dort soll das Vakzin in einem Werk in der Stadt Illertissen hergestellt werden. Auch Mecklenburg-Vorpommern sicherte sich nach eigenen Angaben die Option auf eine Million Dosen von Sputnik V. Eine ähnliche Vorgehensweise kann sich nach Angaben aus Potsdam auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vorstellen.
Der Gesundheitsexperte der europäischen Christdemokraten, Peter Liese (CDU), wandte sich am Donnerstag energisch gegen nationale oder gar regionale Alleingänge bei der Impfstoffbeschaffung. Diese seien nicht hilfreich, sagte der deutsche Europaabgeordnete vor Journalisten, „aber sinnvollerweise sollten sie nicht gestrichen werden, sondern in einer europäischen Initiative münden“.
EMA prüft noch
Liese forderte die EU-Kommission auf, „sofort konkrete Verhandlungen über die Lieferung des russischen Impfstoffs aufzunehmen“. Er halte es für wahrscheinlich, dass die EMA dem Sputnik-V-Vakzin eine Zulassung erteilen werde, sagte Liese. Darauf sollte die EU vorbereitet sein: „Es macht keinen Sinn, aus Russland Öl, Gas und Wodka zu importieren, aber einen von der EMA für gut befundenen Impfstoff nicht zu importieren.“
Unklar blieb jedoch, ob potenzielle Lieferungen überhaupt einen entscheidenden Einfluss auf die Impfkampagne in Deutschland und in der EU haben würden. Gesundheitsminister Spahn sagte: „Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen – ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff.“
Der für die Impfstoffherstellung in der EU zuständige Kommissar Thierry Breton gab sich skeptisch, ob es schnell zu Lieferungen kommen werde. Sputnik V werde nicht dazu beitragen, das EU-Ziel zu erreichen, bis zum Sommer 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zu impfen, schrieb Breton in einem Blog. Das Ziel sei aber auch ohne Sputnik V zu erreichen.
Spahn will harten Lockdown und plant Gespräche zum Corona-Impfstoff Sputnik V
Jens Spahn folgt den Stimmen aus Bund und Ländern und fordert einen härteren Lockdown. Außerdem hat er Gespräche zum Corona-Impfstoff Sputnik V aufgenommen.
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Inspektionen im April
Zwar prüft die EMA seit einigen Wochen den russischen Impfstoff, dem das renommierte Fachblatt „The Lancet“ Anfang Februar eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent bescheinigte. Doch es bestehen Zweifel daran, ob der russische Hersteller in der Lage ist, schon in den nächsten Monaten substantielle Mengen nach Europa zu liefern. EMA-Experten wollen noch im April Produktionsstätten in Russland inspizieren.
Trotz erheblicher Probleme bei dem bereits in der EU verwendeten Impfstoff Astrazeneca gab sich EU-Kommissar Breton zuversichtlich. „Die EU hat sich weltweit die größte Menge an Impfstoff gesichert.“ Wenn ein Hersteller wie Astrazeneca seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkomme, könne der Ausfall durch andere Produzenten kompensiert werden.
Astrazeneca hat nicht nur Lieferprobleme. Der Impfstoff kann in seltenen Fällen auch zu Blutgerinnseln in den Hirnvenen jüngerer Menschen führen. In Deutschland wird Astrazeneca deshalb nicht mehr bei Menschen unter 60 Jahren eingesetzt. Auch Spanien und Italien haben inzwischen diese Altersgrenze eingezogen. In Belgien wird Astrazeneca nur bei Menschen über 55 Jahren verimpft. Dagegen hatte die EMA am Mittwoch weiterhin uneingeschränkt grünes Licht für die Anwendung des Impfstoffes gegeben.