Skandal um Spaniens Innenminister: der Unbelehrbare
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Fernando Grande-Marlaska, Innenminister von Spanien
© Quelle: Eduardo Parra/EUROPA PRESS/dpa
Madrid. Als das Urteil gegen das Innenministerium wegen der unrechtmäßigen Absetzung eines hochrangigen Guardia-Civil-Beamten bekannt wurde, kam diese offizielle Erklärung: „Das Innenministerium wiederholt, dass die fundamentalen Gründe für die Absetzung fortbestehen und sich durch später bekannt gewordene Elemente bestätigt und bestärkt haben.“ So klingt kein Schuldeingeständnis.
Davon ist das Ministerium, und vor allem dessen Chef Fernando Grande-Marlaska, weit entfernt. Stattdessen wirft der Minister Dreck auf seinen Beamten. Als ihn eine Oppositionsabgeordnete am Mittwoch wegen des Urteils zum Rücktritt aufforderte, erwiderte er patzig: „Hätten Sie Vertrauen in Leute, die Geheimfonds ohne angemessene Kontrollen verwalten?“ Das war ein verschleierter Korruptionsvorwurf, der Grande-Marlaska bald die nächste Klage einbringen könnte.
Der Mann, dem der Minister nichts Gutes wünscht, ist Diego Pérez de los Cobos, ein Oberst der Guardia Civil, einer militärähnlich organisierten spanischen Polizeieinheit. Pérez de los Cobos hätte längst zum General befördert werden sollen. Den Kurs dafür beendete er mit Bestnote vor allen Mitbewerbern, aber dann trat das Ministerium dazwischen und setzte ihn von seinem Posten als Chef der Madrider Hauptstadtkommandantur ab und beerdigte zugleich seine Generalsträume. Die Absetzung begründete die damalige, vom Innenminister abhängige Guardia-Civil-Chefin mit „fehlendem Vertrauen“ in den Beamten.
Gericht widerspricht dem Innenminister
Diese Woche hat eine Kammer des spanischen Obersten Gerichtshofes einhellig beschlossen, die Absetzung für Unrecht zu erklären. Der Urteilbegründung wurde am Donnerstagmittag veröffentlicht; sie stärkt den spanischen Rechtsstaat. Im Kern sagt sie, dass auch ein hochrangiger Beamter nicht nach Belieben von seinem Posten verschoben werden darf, ohne dass seine Vorgesetzten dafür eine gute Begründung liefern. Es ist ein Urteil gegen autoritäre Einflussnahme auf den Beamtenapparat. Grande-Marlaska sagte in einem Radiointerview, dass er sich ein anderes Urteil gewünscht hätte. Der Minister, der vor seiner politischen Karriere Richter war, ist es nicht gewohnt, dass ihm in seine Entscheidungen hereingeredet wird.
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Die ehemalige Guardia-Civil-Chefin María Gámez, die gerade wegen Korruptionsermittlungen gegen ihren Ehemann zurückgetreten ist, legte in einem internen Vermerk offen, warum Oberst Pérez de los Cobos am 24. Mai 2020 seinen Posten verlassen musste: weil er seine Vorgesetzten – also das Innenministerium – nicht über „Ermittlungen und Tätigkeiten der Guardia Civil“ informiert habe. Die betreffenden „Ermittlungen und Tätigkeiten“ der Madrider Guardia Civil richteten sich gegen den damaligen Regierungspräsidenten der Hauptstadt, der zu Beginn der Corona-Pandemie Anfang März 2020 etliche Großveranstaltungen zugelassen hatte, darunter die Massendemonstration zum internationalen Tag der Frau, obwohl in seinem Amt selbst die Mitarbeiter schon aufgefordert waren, voneinander Abstand zu halten.
Bei einer Untersuchungsrichterin waren deswegen zwei (letztlich zurückgewiesene) Privatklagen eingegangen, und um denen nachzugehen, bat die Richterin die Guardia Civil um Amtshilfe – mit der ausdrücklichen Aufforderung, niemanden darüber zu informieren.
Pérez de los Cobos musste das Ministerium also im Dunkeln lassen. Dass das Wort einer Untersuchungsrichterin mehr Gewicht hat als sein eigenes, will Innenminister Grande-Marlaska nicht in den Kopf. Den Rücktrittsforderungen der Opposition und des Verbandes von Guardia-Civil-Beamten AUGC begegnet er mit Arroganz. Auch deshalb, weil er sich des Rückhalts von Ministerpräsident Pedro Sánchez sicher weiß.