Sorge um den Mann bei Pussy Riot
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Pjotr Wersilow.
© Quelle: dpa
Moskau. Bis zum Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Moskau war der breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt, dass bei der russischen Künstlergruppe Pussy Riot auch ein Mann mitwirkt. Am 15. Juli stürmten vier Mitglieder des Protestkollektivs, in Polizeikostümen während des Finales zwischen Frankreich und Kroatien das Spielfeld. Mit dabei auch Pjotr Wersilow
Der 30-Jährige wurde von dem kroatischen Spieler Dejan Lovren gestoppt und am Ende mithilfe eines russischen Ordners vom Spielfeld geführt. Der britischen BBC sagte Wersilow einige Tage später, was der Sinn der Aktion war: „Wir wollten zeigen, wie die russische Polizei oft ins Leben normaler Bürger einbricht, ohne gesetzliche Grundlage.“ Pussy Riot forderte die Freilassung der politischen Gefangenen in Russland. Wersilow und die drei anderen Flitzer, darunter seine Frau Veronika Nikulschina, wurden in der Folge zu 15 Tagen Arrest verurteilt.
Was geschah mit Pjotr Wersilow?
Am Dienstag hatte Wersilow nun einen weiteren Gerichtstermin. Am Abend habe er sich allerdings unwohl gefühlt, berichtet Nikulschina der oppositionellen russischen Nachrichtenseite „Meduza“, die in Lettland produziert wird. „Gegen 8 Uhr abends wachte er auf und sagte, er können immer schlechter sehen“, berichtet Nikulschina weiter.
In den folgenden zwei Stunden habe der Aktivist erst nichts mehr sehen, dann nicht mehr sprechen und schließlich auch nicht mehr laufen können. Schließlich sei er nicht mehr ansprechbar gewesen. Im Krankenhaus sei Wersilow gegen 1 Uhr nachts auf die Vergiftungsstation verlegt worden.
„Meduza“ berichtete weiter, die Ärzte hätten seinen Verwandten gesagt, er habe entweder Arznei überdosiert oder eine zu große Menge eines Medikaments bekommen. Nikulschina bestätigte das.
„Einem russischen Polizisten widerspricht man nicht“
Vor zehn Jahren gehörte Wersilow zur Moskauer Provo-Kunst-Gruppe Wojna (Krieg) – zusammen mit seiner damaligen Frau Nadeschda Tolokonnikowa, die er auf der Universität kennengelernt hatte. Wojna machten mit radikalen Aktionen von sich reden – so hatten Mitglieder öffentlich Sex im Moskauer Naturkundemuseum, Tolokonnikowa war damals hochschwanger. Mit der Aktion nahmen sie die Forderung von Präsident Dimitri Medwedjew aufs Korn, die Russen müssten ihre Geburtenrate steigern.
Als Tolokonnikowa und andere Pussy-Riot-Mitglieder 2012 wegen einer Kunstaktion in einer Moskauer Kirche vor Gericht standen, agierte Wersilow als Sprecher und „Produzent“ der Gruppe. In der Welt von Pussy Riot war die Aktion im Luschniki-Stadion vergleichsweise harmlos – und einfach durchzuführen. „Die Ordner haben uns sofort aufs Spielfeld gelassen, weil wir Uniform trugen“, berichtete Wersilow der BBC. „Einem russischen Polizisten widerspricht man nicht.“
Von Jan Sternberg