Sorge in Moldau vor Destabilisierung durch Moskau
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In der Hauptstadt Tiraspol der von Moldau abgespaltenen selbsternannten Republik Transnistrien wurde am 23. Februar mit einer Kranzniederlegung der Tag des Verteidigers des Vaterlandes gefeiert.
© Quelle: IMAGO/SNA
Berlin. In der auf prowestlichem Kurs befindlichen Republik Moldau ist derzeit die Sorge vor einer innenpolitischen Destabilisierung größer als die Angst vor einer direkten Invasion Russlands. Während in der Vergangenheit der moldauische Geheimdienst und andere Quellen immer wieder vor einem hohen Risiko eines russischen Angriffs gewarnt hatten, sind Präsidentin Maia Sandu und ihr Umfeld jetzt vor allem wegen „Plänen des Kremls, Gewalt in unser Land zu bringen“ und „die Verfassungsordnung zu stürzen“, besorgt.
Sandu hatte Russland in der vergangenen Woche vorgeworfen, den Sturz der moldauischen Regierung geplant zu haben. Moskau habe versucht, die Macht über Moldau zu übernehmen und einen Beitritt Moldaus zur EU zu verhindern. „Einige wollten, dass unser Land stürzt, um eine Marionettenregierung in Chisinau einrichten zu können“, sagte Sandu am Donnerstag bei einem Besuch in Bukarest und versicherte: „Die Republik Moldau bleibt (...) entschlossen auf ihrem Weg in die EU.“
Grünen-Politikerin Spellerberg in Moldau
Dass es Moskau jetzt vor allem darauf anlegt, innenpolitisch Druck auf den EU-Beitrittskandidaten Moldau auszuüben, diesen Eindruck hat auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg gewonnen. Sie hielt sich in dieser Woche zu einer zweitägigen Stippvisite in dem 2,6-Millionen-Einwohner-Land zwischen Rumänien und der Ukraine auf. „Es besteht große Angst, dass durch russische Propaganda, Fake News und bezahlte Proteste die Lage enorm destabilisiert wird“, sagte Spellerberg im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
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Am 19. Februar hatten mehrere Tausend Demonstrierende in der Hauptstadt Chisinau den Rücktritt von Sandu gefordert. Der Protest wurde von der kürzlich gegründeten „Bewegung für das Volk“ organisiert, die wiederum von der prorussischen Partei Shor des Oligarchen Ilian Shor unterstützt wird. Er lebt derzeit im Exil in Israel, weil ihm in Moldau ein millionenschwerer Bankbetrug vorgeworfen wird. Auf einer Sanktionsliste des US-Außenministeriums heißt es, er arbeite für russische Interessen.
Bei Gesprächen mit Politikern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen erfuhr Spellerberg, dass im Bereich hybrider Attacken die Abwehr des Landes noch nicht voll funktioniert. So gab es beispielsweise in dieser Woche beim Kurznachrichtendienst Twitter die Mitteilung, dass russische Kräfte den Flughafen in Chisinau entern wollten, um russischen Truppen die Landung im Land zu ermöglichen. „Mir wurde versichert, dass das eine komplette Falschmeldung war“, sagte Spellerberg, die auch Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages ist.
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Gespaltene Bevölkerung
Die Grünen-Politikerin verwies darauf, dass Umfragen im Land eine gespaltene Bevölkerung zeigten: Während etwa 40 Prozent eindeutig Russland die Schuld am Krieg in der Ukraine geben, würden 39 Prozent eher die Ukraine und die Nato für den Konflikt verantwortlich machen. Um so höher sei der klare Kurs in Richtung EU der Regierung zu bewerten, sagte Spellerberg. Die Lage im Land werde zudem durch eine massive Abhängigkeit von russischem Gas erschwert, was Moskau als zusätzliches Druckmittel benutzt, etwa indem Lieferungen dezimiert werden.
Seit Anfang der 1990er-Jahre existierte in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau mit Transnistrien eine abgespaltene international nicht anerkannte prorussische Separatistenrepublik. Dort sind etwa 1500 russische Soldaten stationiert, hinzu kommen etwa 10.000 prorussische paramilitärische Einheiten. Seit Beginn des Ukraine-Krieges gab es die Angst, dass Russland Moldau überrennt, um von dort aus die Ukraine auch aus dem Südosten anzugreifen. Moskau hatte diese Sorge immer wieder durch entsprechende Andeutungen befeuert.
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Wie Russlands Krieg an der Weltordnung rüttelt
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Am Donnerstag behauptete das russische Verteidigungsministerium nun, dass die Ukraine eine „bewaffnete Provokation“ gegen die Region Transnistrien plane, lieferte aber keine Beweise. Die moldauischen Behörden teilten mit, sie könnten die Behauptung Moskaus nicht bestätigen. Sie würden aber die Öffentlichkeit informieren, „sollte es irgendeine Gefahr für das Land geben“. Spellerberg bewertete das als „Paradebeispiel für die Art von Verunsicherung, mit der Russland die Menschen in Transnistrien beeinflusst“.
Moldau hat nach offiziellen Zahlen rund 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen und damit – gemessen an der eigenen Bevölkerungszahl – die meisten Geflüchteten aufgenommen. Der größte Teil von ihnen ist in privaten Unterkünften untergekommen. „Ich habe großen Respekt, wie das Land den Umgang mit Geflüchteten managt“, sagte Spellerberg. Dies sei umso höher zu bewerten, wenn man in Betracht ziehe, dass es eine riesige Inflation gebe und die Menschen praktisch 70 Prozent ihres Einkommens für Energie ausgeben müssten.