Söders Wunschkonzert: Ambitionierte CSU will Grünen und FDP Stimmen abjagen
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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, spricht vor Beginn der Klausur des CSU-Vorstands mit den Medien.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Gmund. Diese Bilder. Natürlich geht es bei der CSU an diesem Freitag auch um die Bilder: wie Markus Söder, von der Sonne etwas geblendet, den Blick weit über den Tegernsee schweifen lässt, hinein in die Alpen. Bayern präsentiere sich sozusagen in Bestform, schwärmt Generalsekretär Markus Blume. Eine Bilderbuch-Kulisse hat sich die CSU für die Präsentation ihres Bundestagswahlprogramms ausgesucht.
„Es ist ein Programm aus Bayern für Bayern und Deutschland“, sagt CSU-Chef Söder über die schlanken 18 Seiten, auf denen die Partei ihre Forderungen zusammengeschrieben hat. Das Papier soll den Anspruch der CSU dokumentieren, Politik fürs ganze Land zu gestalten.
„Mia-san-mia“-Selbstbewusstsein neben Unsicherheit und Sorge
Doch bei der CSU herrscht neben dem „Mia-san-mia“-Selbstbewusstsein auch Unsicherheit und Sorge - darüber kann selbst diese Kulisse nicht hinwegtäuschen. Sorge davor, dass es doch nicht für einen „schwarzen Kanzler“ reichen könnte. Viele in der CSU hadern mit dem unsichtbaren Wahlkampf von Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet.
Söder, der ja vor einigen Monaten anstelle Laschets selbst gerne Kanzlerkandidat geworden wäre, nennt weder den CDU-Vorsitzenden noch die CDU, und wird doch so deutlich, wie er wohl eben nur kann. Es brauche jetzt klare Kante und klares Profil, die Union müsse zulegen und mobilisieren.
„Es ist ganz wichtig, dass wir in den nächsten Wochen dokumentieren, dass es nicht nur darum geht, sich mit Schlafwagen ins Kanzleramt zu fahren, auf langsame Geschwindigkeit.“ Laschets Flut-Krisenmanagement sei ganz hervorragend. Aber jenseits davon müsse man nun auch „parteiliche Akzente“ setzen, mobilisieren. 65 Tage vor der Wahl eine mehr als bemerkenswerte Ansage.
Söder warnt auch eindringlich vor „Zufallsmehrheiten“, wenn die Union bei der Wahl nicht „deutlich“ die 30-Prozent-Marke überschreite. Die große CSU-Sorge ist nicht mehr, dass die Grünen stärkste Kraft werden könnten, sondern dass etwa die FDP so stark werden könnte, dass am Ende eine Mehrheit gegen die Union möglich würde. Dann müsste sich die CSU nach 16 Regierungsjahren wieder in die Opposition begeben, Söders Ruf nach mindestens drei Ministerien würde ungehört verhallen.
Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verweist darauf, es gebe bei den Wählerinnen und Wählern eine Flexibilität wie seit Jahren nicht. Und genau deshalb erneuert Söder auch seine Kampfansage an die FDP, aber auch an die Freien Wähler, die der CSU in Bayern empfindlich Stimmen abjagen könnten. Er warnt, am Ende könnte „ein Stück Bayern, bayerischer Einfluss“ minimiert werden.
CSU will Eigenständigkeit demonstrieren
Das CSU-Wahlprogramm zeigt die Strategie der CSU auf: Söder will weder der FDP (etwa beim Ruf nach Steuerentlastungen) noch den Grünen (in Sachen Klimaschutz) auch nur eine einzige Stimme überlassen. Und indem die CSU in vielen Punkten über ihr Wahlprogramm mit der CDU hinausgeht, dokumentiert sie nicht nur ihre Eigenständigkeit, sie setzt auch darauf, dass zweifelnde Unionsanhänger in anderen Bundesländern wegen der CSU ihr Kreuz bei der CDU machen werden.
Söder will Kohleausstieg früher
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat seine Forderung nach einem früheren Kohleausstieg in Deutschland bekräftigt.
© Quelle: Reuters
Mütterrente, Pkw-Maut oder Betreuungsgeld - es ist wie bei früheren Wahlen: Die CSU verspricht immer noch ein bisschen mehr und baut damit auch immer Druck auf die CDU auf, die am Ende doch CSU-Forderungen mit umsetzen muss, will sie das Kanzleramt retten.
Dabei verzichtet die CSU dieses Mal auf die eine große Forderung. Stattdessen ist es ein regelrechtes Wunschkonzert: Ausweitung der Mütterrente, Steuersenkungen für Lebensmittel und Gastronomie, Komplett-Abschaffung des Soli, weniger Steuern für Unternehmen, Entlastung von Familien und Alleinerziehenden, und nicht zu vergessen die im Wahlprogramm mit der CDU bereits auf Wunsch der CSU hinterlegte Generationenrente. Die CSU setzt im Kampf um Wähler noch stärker auf den Wunsch der Menschen nach mehr Netto vom Brutto.
Und stärker als Laschet - das hatten jüngste Irritationen ja gezeigt, als Laschet in einem Interview davon sprach, „im Moment“ keine Spielräume für Steuersenkungen zu sehen. Man sei aber wieder „völlig nahtlos in Übereinstimmung“, beteuert Söder. „Wir akzentuieren halt bestimmte Punkte noch etwas stärker.“
Der Finanzierungsplan fehlt im Wahlprogramm
Man muss kein Mathematiker sein, um zu wissen, dass das alles teuer wird - oder besser würde. Sehr teuer sogar. Doch genau hier findet sich im Wahlprogramm kein Finanzierungsplan, wohl aber jenes Hintertürchen, das die Forderungen teils auf eher tönernen Füßen stehen lässt: Denn auch nach der Wahl soll die Schuldenbremse nicht abgeschafft werden, sprich: Das Geld, das man den Menschen verspricht, soll keinesfalls über neue Schulden finanziert werden.
Söder verweist zudem auch am Tegernsee auf den Kassensturz, den man nach der Wahl brauche, um die finanziellen Spielräume zu klären. Und natürlich werde man in einer Koalition auch nicht alles verwirklichen können. „Unser Ziel ist, so viel wie möglich davon umzusetzen.“
Doch woher soll das Geld kommen? Der Bund steht tief in den roten Zahlen, er hat wegen der Corona-Krise Rekordschulden machen müssen, hinzu kommen Steuerprognosen, die alles andere als rosige Zeiten vorhersagen. Und wie schnell noch weitere Kosten dazukommen, hat jüngst die Flutkatastrophe schmerzhaft unter Beweis gestellt.
Auch in der CSU munkeln einige, dass manche Forderungen wie die Mütterrente durchaus „ambitioniert“ seien. Zur Erinnerung: Die CSU will älteren Müttern wie den jüngeren drei statt zweieinhalb Rentenpunkte pro Kind anrechnen. Die CDU hatte verhindert, dass die Mütterrente im Unionswahlprogramm steht, und auch CSU-intern wird diskutiert, ob das in der aktuellen Lage das richtige Zeichen sei, immerhin gehe es den Rentnern im Land so gut wie lange nicht. „Die Mütterrente hat uns schon bei früheren Wahlen gute Ergebnisse beschert“, sagt ein hoher Parteivertreter.
Tatsächlich sollten die CSU-Wahlprogramme - früher Bayernplan genannt - in ihrer Durchschlagskraft nicht unterschätzt werden. Viele Dinge, die anfangs belächelt wurden, standen später in Koalitionsverträgen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Steuersenkungsversprechen gehörten früher schon zum Repertoire der Union in Wahlkämpfen - viele scheiterten später am Geld oder am Widerstand des Koalitionspartners.
So weit denkt die CSU aber im Moment nicht. Es geht nun allein darum, das Kanzleramt zu verteidigen. „Wir brauchen einen Wahlkampf-Sprint“, sagt Dobrindt. Schlafwagen ist der CSU spätestens jetzt zu langsam.
RND/dpa