Münchner Sicherheitskonferenz: Was ist das und womit ist in diesem Jahr zu rechnen?
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Bild vom vergangenen Jahr: Scholz und Selenskyj eröffnen am Freitag gemeinsam die Münchner Sicherheitskonferenz.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa pool/dpa
Berlin. Der öffentliche Schlagabtausch mit Russland auf großer internationaler Bühne nährte über Jahrzehnte einen großen Wert der Münchner Sicherheitskonferenz: Nicht nur Freunde, sondern auch Feinde saßen im Luxushotel Bayerischer Hof zusammen und stritten über ihre Konflikte. Unvergessen die Kalter-Krieg-Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin 2007. Niemand fühle sich mehr sicher, die USA überschritten ihre Grenzen „in allen Sphären“ und wollten der ganzen Welt ihre Vorstellungen aufzwingen, schäumte er damals.
Wenn es etwas Gutes daran gab, dann dies: Sie redeten noch miteinander. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor fast einem Jahr aber wird geschossen. Der neue Leiter der Konferenz (MSC), Christoph Heusgen, spricht von einem „Zivilisationsbruch“. Deshalb hat er keinen russischen Regierungsvertreter eingeladen. Auch nicht Außenminister Sergej Lawrow, der ein Dauergast in München war und einst als mögliches Scharnier zwischen Ost und West galt.
Vier Tage nach der letzten Konferenz überfiel Putin die Ukraine
Der sei aber nur noch eine Marionette von Putin und solle keine Bühne für seine Propaganda bekommen, sagte Heusgen am Montag bei der Vorstellung des Programms für das diesjährige Jahrestreffen vom 17. bis 19. Februar. Vor genau einem Jahr hätten eingeladene russische Vertreter, darunter Lawrow, ihre Teilnahme abgesagt. „Sie wollten den Austausch nicht“, sagte Heusgen. Heute will Heusgen nicht. Als einzige Fraktion im Bundestag hat auch die AfD, die von ihren Gegnern die „fünfte Kolonne Moskaus“ genannt wird, keine Einladung bekommen.
Theoretisch hätte es vor einem Jahr noch Gespräche in München geben können. Sogar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenksyj war noch da. „Seinerzeit gab es noch so einen Schimmer von Hoffnung, dass Putin sein Nachbarland nicht überfällt“, sagte Heusgen. Aber vier Tage nach dem wohl wichtigsten internationalen Treffen von Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsministern, Generälen, Experten und Parlamentariern machte Russland genau das: Es begann seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Was ist die Münchener Sicherheitskonferenz?
Die Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) gilt als das weltweit wichtigste Treffen von Experten der Sicherheitspolitik. Von Freitag bis Sonntag werden rund 40 Staats- und Regierungschefs, rund 100 Minister und mehrere Chefs von internationalen Organisationen in München erwartet. Auf der Debattenagenda stehen zumeist aktuelle Themen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die MSC findet bereits seit 1963 jährlich statt. Ausrichter der Konferenz ist die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH. Das Motto der MSC ist „Frieden durch Dialog".
Dass in diesem Jahr keine russischen Gäste eingeladen wurden, habe man sich nicht leicht gemacht, sagte Heusgen im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Man kann russische Vertreter einladen, wenn man die Hoffnung hat oder auch nur einen Ansatz spürt, dass man einer Verhandlungslösung näherkommt. Die Äußerungen von Wladimir Putin bieten aber keinerlei Bewegungsspielraum.“ Und auch Lawrow sei lediglich der „Lautsprecher“ Putins. Wegen der Entscheidung sei er bereits im Internet beschimpft worden, verriet Heusgen.
Gregor Gysi, Außenpolitiker der Linken, kritisierte die Entscheidung, nicht mit russischen Offiziellen zu sprechen. Selbst in hohen US-Militärkreisen heiße es, dass weder Russland noch die Ukraine den Krieg gewinnen könne. „Wenn das zutrifft, braucht man keine Verlängerung des Krieges, sondern einen sofortigen Waffenstillstand.“ Insofern müssten die Diplomatie und die Verhandlungsbereitschaft einen viel größeren Raum bekommen. „Selbstverständlich muss man auch mit den Offiziellen in Russland reden, wenn man einen Waffenstillstand erreichen und damit weitere Tote, Verletzte und Zerstörungen verhindern will“, sagte Gysi dem RND.
Auch iranische Offizielle sind ausgeschlossen
Gibt es gar keine Hoffnung auf einen Vorstoß zu Friedensgesprächen für die Ukraine in München? „Ganze Fluchten“ im Bayerischen Hof seien für vertrauliche Gespräche reserviert, antwortet Heusgen. Er hoffe, dass es zu Gesprächen kommen werde mit Ländern, die Russland näherstünden als viele westliche Staaten. Das sind zum Beispiel Brasilien, Südafrika und China. Peking wird hochrangig vertreten vom obersten Außenpolitiker Wang Yi. China leistet Putin weiterhin Rückendeckung in dem Konflikt und stellt die USA und die Nato als Hauptschuldige an dem Krieg dar.
Christoph Heusgen: Russland braucht die „Deputinisierung“
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, warum zur kommenden Konferenz keine russische Delegation eingeladen wurde.
© Quelle: B2Events
Bundeskanzler Olaf Scholz wird auch nach München kommen, auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Polens Präsident Andrzej Duda und 83 Außen- und Verteidigungsminister und ‑ministerinnen sowie rund 30 US-Senatorinnen und ‑Senatoren. Insgesamt werden im Bayerischen Hof etwa 1000 Gäste sein. Im davon getrennten Medienzentrum werden ebenso viele Journalistinnen und Journalisten erwartet.
Kurzfristig nicht teilnehmen wird die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni - wegen einer Grippe. Die Regierungschefin habe alle weiteren Termine in dieser Woche gestrichen, teilte ihr Amtssitz in Rom am Donnerstag mit. Meloni steht seit Oktober an der Spitze einer Rechts-Regierung.
Neben der russischen Regierung sind dieses Jahr auch iranische Offizielle ausgeschlossen, dafür kommen Oppositionelle und Vertreter der Zivilgesellschaft beider Länder. Die Führung in Teheran kritisierte die Ausladung. „Diese politisch motivierte Entscheidung der Konferenz ist eine Fehlkalkulation und setzt die falschen Maßstäbe“, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Montag laut Staatssender Irib. Teheran war in den vergangenen Monaten wegen seines gewaltsamen Vorgehens gegen die rund fünf Monate andauernden systemkritischen Proteste international wiederholt verurteilt worden.