Showdown im Wirecard-Skandal: Merkel und Scholz im Untersuchungsausschuss
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz: unangenehme Fragen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Dass amtierende Regierungschefs vor einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zitiert werden, passiert nicht alle Tage. Am Freitag dieser Woche ist es so weit: Dann muss Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Abgeordneten des Wirecard-Ausschusses Rede und Antwort stehen.
Merkels Aussage ist der Höhepunkt, aber nicht der einzige spannende Termin in dieser Woche – im Gegenteil. Die Mitglieder des Bundeskabinetts geben sich im Ausschuss die Klinke nicht nur sprichwörtlich in die Hand. Am Dienstag kommen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), am Mittwoch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Finanzstaatssekretär Jörg Kukies und am Donnerstag Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
AfD-Politiker Gottschalk leitet Wirecard-Untersuchungsausschuss
Am Donnerstag war die erste Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Geplante Zeugen sind Merkel, Scholz, Altmaier und Söder.
© Quelle: Reuters
Es geht um die Frage, wer die politische Verantwortung für einen der größten Wirtschaftsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik trägt. Das Dax-Unternehmen Wirecard, einst Liebling der Börsen, hatte offenbar einen erheblichen Teil seiner Bilanzsumme frei erfunden. Als die Sache aufflog, ging der Finanzdienstleister in die Insolvenz. 20 Milliarden Euro Börsenwert waren vernichtet.
Möglich wurde der Betrug, weil die Wirtschaftsprüfer von EY jahrelang die Abschlüsse des Konzerns beglaubigt hatten, obwohl Bankbelege für angebliche Milliardensummen auf Treuhandkonten fehlten. Auch die Finanzaufsicht Bafin entdeckte keine Unregelmäßigkeiten. Im Gegenteil: Als an den Börsen bereits auf den Verfall der Wirecard-Aktie gewettet wurde, verbot die Finanzmarktaufsicht Spekulationen auf fallende Kurse, um das Unternehmen vor vermeintlichen Attacken zu schützen.
Für die Börsenaufsicht ist Finanzminister Scholz zuständig, die Wirtschaftsprüferkammer liegt im Verantwortungsbereich von Wirtschaftsminister Altmaier. Kanzlerin Merkel muss sich Kritik gefallen lassen, weil sie sich im Rahmen einer China-Reise für Wirecard eingesetzt hatte, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits kritische Medienberichte über das Unternehmen gegeben hatte. Dass ausgerechnet Merkels Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zuvor im Auftrag Wirecards im Kanzleramt lobbyiert hatte, macht die Sache für die Kanzlerin besonders unangenehm.
Opposition will sich Merkel und Scholz vorknöpfen
Die politische Unterstützung aus dem Bundeskanzleramt sei „erschreckend“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Trotz internet Warnungen und öffentlicher Berichterstattung hat Angela Merkel für Wirecard in China lobbyiert“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete. Die Rolle enger Merkel-Berater, etwa die ihres Abteilungsleiters für Wirtschaftspolitik, Lars-Hendrik Röller, sei „problematisch“ gewesen und müsse aufgearbeitet werden.
„Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der Wirecard-Skandal in dieser Form nur passieren konnte, weil man in der Bundesregierung und in den Behörden bis zuletzt mit aller Kraft an das Märchen von aufsteigenden Techunternehmen glauben wollte und kritische Stimmen immer wieder ignoriert hat“, so Paus weiter. „Vor allem Olaf Scholz und das Finanzministerium haben bis zum Schluss die Augen zugemacht“, betonte sie. Auch Staatssekretär Jörg Kukies habe einiges zu erklären.
Die Linkspartei hat sich ebenfalls auf das Finanzministerium und das Kanzleramt eingeschossen. „Die Kanzlerin muss nächste Woche beantworten, warum sie sich trotz der Warnung der ‚Financial Times‘ und der Absage eines Termins mit Wirecard-Chef Markus Braun beim mächtigsten Mann Chinas für Wirecard engagiert hat“, sagte der Obmann der Linken im Untersuchungsausschuss, Fabio De Masi, dem RND.
Auch an Scholz gebe es noch viele Frage, so der Linken-Parlamentarier weiter. „Olaf Scholz muss sich der Frage stellen, warum die Bundesregierung Wirecard weiter wie einen ‚national Champion‘ behandelt hat.“ Außerdem gehe es um etwaige Rettungspläne durch Kredite der Commerzbank und der KfW sowie die Frage, wie stark der Minister in die Entscheidung für ein Leerverkaufsverbot eingebunden gewesen sei, kündigte De Masi an.
RND