Serbien und Kosovo wollen wieder miteinander reden
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Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht bei einer Videokonferenz im Bundeskanzleramt mit Aleksandar Vucic (auf dem Bildschirm), Präsident von Serbien, dem französischen Staatspräsidenten Macron, dem Ministerpräsidenten des Kosovo Hoti, dem Hohen Beauftragten der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Borrell und dem Sonderbeauftragten der EU für den Serbien-Kosovo-Dialog Lajcak.
© Quelle: Steffen Kugler/Bundesregierung/d
Berlin. Auf Initiative Deutschlands und Frankreichs kommt wieder Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo. Nach einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekundeten Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Kosovos Ministerpräsident Avdullah Hoti am Freitag, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen.
“Ihr Dialog wird weiterhin von der Europäischen Union mit dem Ziel unterstützt, die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo durch ein umfassendes, endgültiges und rechtsverbindliches Abkommen zu normalisieren”, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Merkel und Macron.
Die Deutsche und der Franzose machen Druck: Bereits am Sonntag soll eine weitere Videokonferenz unter Leitung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und des Sonderbeauftragten der EU für den Westbalkan, Miroslav Lajcak, stattfinden. Für Donnerstag ist ein Treffen in Brüssel geplant.
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Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
© Quelle: imago images/Xinhua
Verfeindete Nachbarn
Seit November 2018 gibt es keinen direkten Austausch mehr zwischen Belgrad und Pristina. Das Kosovo löste sich nach der Nato-Intervention 1999 von Serbien und erklärte 2008 seine Unabhängigkeit – die Serbien bis heute nicht anerkennt. Es gibt einige wenige Verkehrsverbindungen zwischen beiden Staaten; die Handelsbeziehungen sind äußert angespannt. So verlangt die kosovarische Regierung zur Einfuhr von Waren aus Serbien seit Kurzem, dass deren beigefügte Bescheinigungen ausdrücklich die Republik Kosovo als Bestimmungsort ausweisen.
Die Wiederbelebung des serbisch-kosovarischen Dialogs könnte sich als erster Erfolg der vor knapp zwei Wochen begonnenen deutschen Ratspräsidentschaft erweisen. Damit greift die EU ihre 2011 begonnenen Bemühungen um eine Annäherung zwischen Serben und Kosovaren wieder auf. Ein Prozess, der ihr vor etwa eineinhalb Jahren entglitten ist. Genauer gesagt: der ihr entrissen wurde.
Merkel gegen Gebietstausch
Einige europäische Politiker und Diplomaten erschraken, als das US-Außenministerium entgegen seinem bisherigen Kurs 2018 einen Gebietstausch zwischen Serben und Kosovaren vorschlug, um deren Verhältnis zueinander zu normalisieren. Kanzlerin Merkel bezeichnete die bestehenden Grenzen seinerzeit als “unantastbar”. Die Bundesregierung befürchtete, dass eine neue Grenzziehung zwischen Serbien und dem Kosovo gefährliche Begehrlichkeiten auf dem von ethnischen Konflikten gezeichneten Balkan wecken könnte.
Doch US-Präsident Donald Trump ließ sich vom Unmut der Europäer nicht beirren. Im Gegenteil: Trump stieß die Partner auf dem Kontinent abermals vor den Kopf, als er seinen Vertrauten Rick Grenell, damals US-Botschafter in Deutschland, Ende 2019 auch zum Sondergesandten für Serbien und Kosovo ernannte.
Grenell sollte auf seine ruppige Art einen Deal zwischen den verfeindeten Parteien klarmachen und dem US-Präsidenten im Wahljahr 2020 wenigstens einen Erfolg auf internationaler Bühne bescheren. Mit Nordkorea, Iran oder Israel/Palästina entwickeln sich die Dinge ja nicht so, wie Trump sie gern hätte.
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Emmanuel Macron (rechts), Präsident von Frankreich, nimmt an einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel, Serbiens Präsident Vucic, dem kosovarischen Ministerpräsidenten Hoti, dem EU-Außenbeauftragten Borrell und dem EU-Sonderbeauftragten für den Balkan Lajcak teil.
© Quelle: Christophe Ena/AP/dpa
Die Amerikaner übten erheblichen Druck auf das Kosovo aus, dessen Schutzmacht sie doch eigentlich waren. So sollte Pristina die Zölle auf serbische Einfuhren senken. Grenell drohte mit der Einstellung von US-amerikanischer Unterstützung. Auch ein Abzug von US-Truppen stand im Raum. Darüber zerbrach die kosovarische Regierung. Gegenüber Serbiens zunehmend autokratisch auftretendem Staatschef Vucic zeigten sich die USA hingegen milde.
Trumps Gipfel platzte
Für den 27. Juni hatte US-Präsident Trump die Spitzen Serbiens und des Kosovo ins Weiße Haus eingeladen. Doch der Gipfel platzte. Ein Grund dürfte die kurz vorher erhobene Anklage gegen Kosovos Präsidenten Hashim Thaci wegen Kriegsverbrechen vor dem Sondertribunal in Den Haag gewesen sein, ein anderer die erfolglose Vermittlung unter US-Führung.
Nun übernehmen die Europäer wieder die Mittlerrolle. Merkel und Macron versprechen in ihrer Erklärung, diesmal dranzubleiben. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien sei “für die Sicherheit und Stabilität in der Region äußerst wichtig”, teilen sie mit. Sie sei überdies “von großer Bedeutung für die EU-Beitrittsperspektive beider Länder”.
Letzteres ist ein großer Wunsch der Regierungen in Pristina und Belgrad. Einer, den Washington nicht erfüllen kann.