Selenskyj zur Lage in Bachmut: Russland könnte sich mit Sieg internationale Unterstützung sichern
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestikuliert während eines Interviews mit der Nachrichtenagentur AP in einem Zug auf der Fahrt von der Region Sumy nach Kiew.
© Quelle: Efrem Lukatsky/AP
Im Zug von Sumy nach Kiew. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat für den Fall eines russischen Sieges in der erbittert umkämpften Stadt Bachmut vor gravierenden politischen Folgen gewarnt.
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Russland könnte sich dann internationale Unterstützung für einen Deal sichern, der sein Land zu inakzeptablen Kompromissen zwingen könnte, sagte Selenskyj in einem Exklusivinterview der Nachrichtenagentur AP auf einer Zugfahrt quer durch die Ukraine.
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Sollte Bachmut an die russischen Truppen fallen, könnte Kremlchef Wladimir Putin „diesen Sieg an den Westen, an seine Gesellschaft, an China, an den Iran verkaufen“, ergänzte er. „Wenn er ein bisschen Blut fühlt – riecht, dass wir schwach sind – wird er puschen, puschen, puschen.“
Selenskyj besuchte Kriegsgebiete
Selenskyj tourte zuletzt durch von russischen Angriffen besonders betroffene Gebiete und besuchte am Dienstag die Region Sumy. Die AP konnte ihn exklusiv begleiten, zu seiner Entourage gehörte auch ein kleiner Kreis von Beratern und eine große Gruppe schwer bewaffneter Leibwächter in Militäruniformen. In Sumy wohnte der Staatschef unter anderem Zeremonien anlässlich des ersten Jahrestags der Rückeroberung von Städten in der Region bei und traf mit Soldaten zusammen, die an Frontlinien nahe Saporischschja stationiert sind.
Selenskyj hält militärische Lagebesprechung erstmals außerhalb von Kiew ab
In seiner täglichen Videoansprache verkündete Selenskyj, dass die militärische Lagebesprechung im Osten der Ukraine stattfand.
© Quelle: dpa
Einen ähnlichen Besuch hatte Selenskyj kürzlich einem Gebiet in der Nähe von Bachmut im Osten des Landes abgestattet, wo ukrainische und russischen Truppen sich seit Monaten blutige Gefechte liefern. Einige westliche Militärexpertinnen und ‑experten haben zwar angedeutet, dass die Stadt nicht von großer strategischer Bedeutung sei. Doch betonte Selenskyj im Gespräch der AP, dass eine Niederlage zu diesem Zeitpunkt im Krieg den hart erkämpften Auftrieb der Ukrainer und Ukrainerinnen gefährden könnte.
„Wir können die Etappen nicht verlieren, weil der Krieg ein Kuchen ist – Stücke von Erfolgen. Kleine Siege, kleine Etappen“, sagte er. Im Falle einer Niederlage in Bachmut würde sich der Druck schnell aufbauen – von der internationalen Gemeinschaft und in seinem eigenen Land, prophezeite er. „Unsere Gesellschaft wird sich müde fühlen. Unsere Gesellschaft wird mich drängen, einen Kompromiss mit ihnen einzugehen.“
Wie werden sich die USA künftig positionieren?
Bislang verspüre er diesen Druck jedoch nicht, ergänzte Selenskyj. Seit der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 weiß die Regierung in Kiew große Teile der Weltgemeinschaft hinter sich. Er sei sich bewusst, dass der Erfolg seines Landes teils auf den Wellen der internationalen Militärhilfe beruhe, insbesondere aus den USA und aus Westeuropa, sagte Selenskyj.
Einige Stimmen in den USA, darunter der frühere Präsident Donald Trump, haben die fortdauernde milliardenschwere Unterstützung für die Ukraine jedoch infrage gestellt. Trump strebt 2024 eine Rückkehr ins Weiße Haus an. Auch sein möglicher Rivale im Nominierungsrennen der Republikaner, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, deutete an, dass die Verteidigung der Ukraine in einem „territorialen Disput“ für die nationale Sicherheit der USA keine Priorität habe. Nach Kritik aus anderen Ecken der republikanischen Partei ruderte DeSantis zurück.
Selenskyj räumte im Interview die Sorge ein, dass der Krieg durch eine Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse in Washington beeinflusst werden könnte. „Die Vereinigten Staaten verstehen wirklich, dass wir nicht gewinnen werden, wenn sie aufhören uns zu helfen“, sagte er.
Selenskyj möchte Chinas Präsident Xi treffen
In dem Interview mit der AP sprach Selenskyj eine Einladung an Chinas Präsident Xi Jinping in die Ukraine aus. „Wir sind bereit, ihn hier zu treffen“, sagte er. „Ich möchte mit ihm sprechen. Ich hatte mit ihm Kontakt vor dem ausgewachsenen Krieg. Aber während dieses ganzen Jahres, mehr als ein Jahr, hatte ich keinen.“
Erst kürzlich war Xi für einen Staatsbesuch bei Putin in Moskau. Beobachter erwarteten, dass sich Peking bei dieser Gelegenheit zu einer Lieferung von Waffen und Munition an Moskau bereit erklären könnte. Doch endete Xis Visite ohne eine solche Ankündigung. Tage später kündigte Putin die Stationierung taktischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus an.
Selenskyj mutmaßte, dass der Schritt des Kremlchefs von fehlenden Garantien ablenkten sollte, die er sich von China erhofft habe. „Was bedeutet das? Es bedeutet, dass der Besuch nicht gut für Russland war“, spekulierte Selenskyj mit Blick auf Xis Moskau-Visite.
RND/AP