„Schweini“ will Merkel für den Fußball
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Bastian Schweinsteiger und Angela Merkel: Empfang der deutschen Nationalmannschaft beim Bundespräsidenten am Schloss Bellevue im November 2014.
© Quelle: picture alliance / 360-Berlin
Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt nur wenige Politiker, die es bis in die Mannschaftskabine der Nationalelf schaffen. Frauen schon gar nicht. Außer einer: Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin in weißer Sommerhose und rotem Blazer – um sie herum die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft. Manche haben sich ein Handtuch um die Lende geschürzt. Trikots liegen auf dem Boden. Bilder sind Nachrichten.
So nach dem 4:0-Auftaktsieg Deutschlands gegen Portugal bei der Weltmeisterschaft 2014 im brasilianischen Salvador de Bahia. Merkel steht in der Mitte der Mannschaft. Bastian Schweinsteiger zu ihrer Linken, Lukas Podolski zu ihrer Rechten. „Poldi“ und „Schweini“ – sie konnte die beiden Spieler dem Vernehmen nach gut leiden, umgekehrt auch.
Und erst recht nach dem 1:0-WM-Finalsieg gegen Argentinien war Merkel mittendrin. „Wir finden es immer klasse, wenn die Bundeskanzlerin zu uns in die Kabine kommt“, sagte Bundestrainer Joachim Löw damals. „Wir sind ja Fans von der Anschela Merkel.“ Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck war übrigens auch dabei.
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Das ist das Ziel: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Bundespräsident Joachim Gauck (M.) jubeln nach dem Gewinn des Weltmeistertitels im Spiel gegen Argentinien in der Kabine des Maracana-Stadions mit den deutschen Nationalspielern.
© Quelle: dpa
Merkel und „Die Mannschaft“, wie die DFB-Elf sich nach eigenem Marketing nennt, das ist eine ganz eigene Geschichte. Das Bundeskabinett ist ja auch eine Art Mannschaft, eine „Regierungsmannschaft“, wie es „Bundesfranzler“ Beckenbauer einmal in der Bundespressekonferenz formuliert hat. Seinerzeit dankte Beckenbauer dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) „und seiner Mannschaft, äh, Regierungsmannschaft“ für die Hilfe, die spätere Sommermärchen-WM 2006 nach Deutschland zu holen.
Nach der Bundestagswahl 2021 ist Schluss mit Politik, hat Merkel schon 2018 gesagt. UN-Generalsekretärin? Will sie nicht werden. Nato-Generalsekretärin? Will sie auch nicht werden. US-Präsidentin kann sie nicht werden, obwohl Barack Obama bei seinem Abschiedsbesuch 2016 in Deutschland erklärt hat, er würde sie wählen – jedenfalls, wenn er hier wahlberechtigt wäre.
Was Merkel in ihrem Leben nach 16 Jahren als Kanzlerin macht, hat sie bislang unbeantwortet gelassen. Aber sie hat mehrfach betont: „Ich bin sicher, mir wird schon was einfallen.“ Schweinsteiger ist jetzt etwas für sie eingefallen.
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Bundestrainer Joachim Löw mit Bastian Schweinsteiger (l.) in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales. Beide haben sich schon als Fans von Bundeskanzlerin Angela Merkel geoutet.
© Quelle: imago images/Christian Schroedter
Nach der Schlammschlacht um die Macht im DFB hat der ehemalige Nationalspieler die 66-Jährige am Donnerstagabend vor dem DFB-Pokal-Finale zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig ins Spiel um die Nachfolge von DFB-Präsident Fritz Keller gebracht: „Ich kenne auch eine erfahrene Dame, die ist ab Oktober frei“, sagte Schweinsteiger. „Die Frau Merkel, die wäre natürlich auch was. Die kennt sich aus.“
Mit ihrer Erfahrung beim Aushandeln schwierigster Kompromisse bei unzähligen EU-, G7- oder G20-Gipfeln hätte sie vermutlich auch das Zeug, den Amateurfußball im DFB mit den Belangen des Profifußballs zu versöhnen, diese beiden Spielhälften wieder zusammenzubringen. Merkel führte das Kanzleramt auch frei von eigenen Skandalen.
Die DFB-Spitze hingegen wird seit Jahren von Affären und Rücktritten erschüttert – verschwundene Millionen wie im Sommermärchenskandal in der Zeit von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, Nachfolger Reinhard Grindel ließ sich eine Uhr im Wert von gut 10.000 Euro von einem ukrainischen Oligarchen schenken, und der jetzige DFB-Präsident Fritz Keller verglich seinen Vize Rainer Koch mit Nazi-Richter Roland Freisler.
"Es geht nun um Glaubwürdigkeit": Das Personal-Beben beim DFB und die Folgen
Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius machen beim DFB den Weg frei für Neues. Im Video analysiert RND-Sportchef Heiko Ostendorp die Lage.
© Quelle: RND
Die Kanzlerin hat sich den Ball schon auf den Elfmeterpunkt gelegt. Keiner ihrer männlichen Vorgänger trat – wie Merkel es nun macht – selbstbestimmt aus dem Kanzleramt ab. Die nächste Bundestagswahl bedeutet für sie definitiv: Das Spiel ist aus. Verlängerung ausgeschlossen.
Der Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes – das höchste Gremium des DFB, das praktisch als Parlament des Fußballs fungiert – wählt dann bald die neue Verbandsspitze. Vielleicht steht auf dem Schild der Zentrale in Frankfurt am Main danach erstmals: „Präsidentin“. Es wird nur nicht Angela Merkel sein. Ihr Regierungssprecher Steffen Seibert jedenfalls hat „Schweini“ schon einmal diese Botschaft zukommen lassen: „Sie hat gesagt, dass sie keine weiteren politischen Ämter sucht. Ich bin ganz sicher, dass sich das auch auf die Führung des Deutschen Fußball-Bundes erstreckt.“
Dabei musste Seibert aber reichlich schmunzeln. So hat Schweinsteiger mit seiner Idee trotzdem ein Tor geschossen. Er stand nur im Abseits.
Wahlkampfsprech - Deutsch: Was Politiker wirklich sagen
Wenn man jeden, der bei uns irgendwas nicht sehr Kluges sagt, aus der Partei ausschließen würde – oje.
Alexander Gauland
AfD-Ehrenvorsitzender und Co-Vorsitzender der Bundestagsfraktion
Gaulands Reaktion auf den Parteiaustritt des neuen Vorsitzenden der Jungen Alternative (JA), Marvin Neumann, dem frühere rassistische Äußerungen in sozialen Medien zur Last gelegt werden, hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen greift er damit das Vorgehen des AfD-Bundesvorstands um Jörg Meuthen an, der Neumann laut „Spiegel“ wegen des Verdachts extremistischer Bemerkungen aus der Partei drängen wollte.
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Alle AfD-Mitglieder ausschließen, die etwas "nicht sehr Kluges" gesagt haben? Für Alexander Gauland ist das keine Option.
© Quelle: Magdalena Tröndle/dpa
Zum anderen erweckt Gauland diesen Eindruck: Ein bisschen Rassismus darf es schon sein in der AfD. Gauland findet, man könne streiten, „ob das klug ist“, was Neumann gesagt habe. Dazu sollen Formulierungen gehören, wonach eine „weiße Vorherrschaft“ in Ordnung sei, und solches Zeugs. Jedenfalls macht Gauland seine Befürchtung deutlich, dass es recht einsam in der AfD wird, wenn sie sich von allen Mitgliedern trennt, die sich rassistisch oder extremistisch äußern.
Wie unsere Leserinnen und Leser die Lage beurteilen
Wir bekommen viele Zuschriften zu Texten und Themen. An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort.
Dr. Werner Lilienblum aus Hemmingen zum Text „Das kranke Haus“:
„Der Artikel macht betroffen und deckt sich mit ähnlichen Erfahrungen aus dem eigenen persönlichen Umfeld zur Ausbeutung von Klinikpersonal in privat geführten Kliniken schon vor der Corona-Krise. Intuitiv vergleiche ich die im Artikel beschriebenen mutmaßlichen Gewinne der Krankenhauskonzerne beim Aufbau und Betrieb von Intensivstationen mit der Maskenaffäre einiger Bundestagsabgeordneter, die großes Aufsehen verursacht hat: Hier wie dort wurde und wird kaltschnäuzig Kasse gemacht mit der Notsituation der Gesellschaft in der Pandemie.
Wo bleibt der Aufschrei in Öffentlichkeit und Politik, wenn Konzernzentralen im Halbdunkel und am Rande der Legalität agieren, indem sie Notsituationen der Gesellschaft zum eigenen Vorteil nutzen und darüber hinaus erbarmungslos ihr Klinikpersonal ausnutzen und verschleißen?
Das System der Krankenhauskonzerne gehört im Bundestagswahlkampf auf die Agenda. Ein Drittel aller Krankenhäuser in Deutschland wird von solchen Konzernen geführt.“
Willy Schäfer aus Erbach zur Bekämpfung der Corona-Pandemie:
„Mit Interesse verfolge ich Ihre Zeilen im Hauptstadt-Radar. Was mir total fehlt, ist eine neutrale Bewertung der Corona-Situation in Bezug auf sozial Benachteiligte und Migrationshintergrund. Ich habe keine Lust mehr, mir irgendetwas vormachen zu lassen.
Warum nennen Sie denn nicht Ross und Reiter – immer das heimlich Getue. Wollen Sie uns ehrlich weismachen, dass es keine genauen Daten über Belegungen der Intensivbetten gibt? Es ist doch bekannt, dass hier leider überwiegend Menschen aus sozial schwachen Regionen und mit Migrationshintergrund liegen.“
Jan Krämer aus Kiel zum Klimaschutz:
„Mir ist kein ernst zu nehmendes Argument bekannt, welches belegt, dass nationale Maßnahmen das Weltklima retten könnten. Warum wird einem Mantra gleich die wahrheitsferne Behauptung immer und immer in der Berichterstattung durch Journalistinnen und Journalisten wiederholt und somit zur anscheinenden Wahrheit stilisiert?
Ich wünschte mir sehr, dass sich der Journalismus in Deutschland seiner Verantwortung bewusst werden würde und vermehrt das Augenmerk auf die Erhaltung der Lebensräume für Mensch, Tier und Pflanzenwelt lenken könnte.
Der naive Irrglaube, es könne durch Maßnahmen in Deutschland gelingen, die globale Temperaturerhöhung zu begrenzen, sollte doch der Betrachtung weichen, was wir hier und jetzt anpacken müssten, um unseren Nachkommen im veränderten Klima ein lebenswertes Dasein zu ermöglichen.
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