Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes: So verschwendet der Staat Steuergelder

Das Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“ des gemeinnützigen Bunds für Steuerzahler prangert erneut Beispiele für den sorglosen Umgang mit Steuergeldern an.

Das Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“ des gemeinnützigen Bunds für Steuerzahler prangert erneut Beispiele für den sorglosen Umgang mit Steuergeldern an.

Berlin. Brücken, die ins Nichts führen, ein fragwürdiger Hafenbalkon, eine steuerbezuschusste Werbe-App, die das Chatten mit mies gelaunten Cheeseburgern ermöglichen soll – und als Dauerbrenner das Steuerloch Flughafengroßprojekt BER: Der Bund der Steuerzahler stellt auch 2020 in seinem am Dienstag veröffentlichten Schwarzbuch wieder Fälle von Steuerverschwendung durch Bund, Länder und Kommunen vor, die er für besonders grotesk hält.

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Es gehe um öffentliche Gelder, die gerade in Zeiten der Corona-Krise sinnvoll eingesetzt werden müssten. „Auch in der Krise müssen Prioritäten gesetzt werden“, findet Reiner Holznagel, Präsident des gemeinnützigen Vereins. Er fordert das Ende der Neuverschuldung – und die strafrechtliche Verfolgung von Steuerverschwendung: „Steuerhinterziehung und Steuerverschwendung sind keine Kavaliersdelikte.“ Eine Auswahl aus dem neuen Sündenregister, das sein Verein erstellt hat:

1. IT-Chaos in Milliardenhöhe

Dass die IT-Systeme der Bundesverwaltung modernisiert werden müssen, ist weitgehend unstrittig. Zumal die IT-Landschaft der rund 200 verschiedenen Bundesbehörden völlig zersplittert ist. Um Sicherheit und Effizienz zu erhöhen, werden derzeit Rechenzentren, Prozesse und Dienste gebündelt. Mit der Neuaufstellung der IT-Systeme hat sich die Regierung jedoch völlig übernommen, moniert der Steuerzahlerbund. Der Prozess, der 2015 begann, soll planmäßig 2025 abgeschlossen sein. Doch die Regierung habe den Aufwand unterschätzt. Die Folge: eine maßlose Kostenexplosion. Die Mehrkosten für die Steuerzahler belaufen sich bereits jetzt auf 3,4 Milliarden Euro. Tendenz steigend.

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2. Folgenschwerer Feuerwehrwagen

Die freiwillige Feuerwehr der Stadt Eschborn sollte einen neuen Feuerwehrwagen bekommen, so beschlossen vom Magistrat im Jahr 2016. Kostenpunkt: 680.000 Euro. Es gab nur einen Haken: Er war zu schwer. Nach rechtlichen Vorgaben dürfen Teleskop-Hubrettungsfahrzeuge maximal 16 Tonnen wiegen, der neue Eschborner Wagen wog 17. Nachdem er zweieinhalb Jahre in der Garage gefristet hatte, gab man ihn für 440.000 Euro zurück. Mit einem Abschlag in Höhe von fast 240.000 Euro eine teure Schadensbegrenzung, meint der Steuerzahlerbund.

3. Der BER nimmt kein Ende

Nach jahrelangen Verzögerungen kann der Flughafen Berlin-Brandenburg am 31. Oktober den Flugbetrieb aufnehmen. Damit ist das Chaos jedoch keineswegs zu Ende. Denn das neue Regierungsterminal wird wohl nicht vor Ende 2032 fertig. Die aktuelle Verschiebung werde es unumgänglich machen, dass die Standorte der Flugbereitschaft in Köln und Berlin-Tegel jahrelang weiterbetrieben werden müssen, schreibt der Bund der Steuerzahler. Das kostet deutlich mehr als 12 Mio. Euro pro Jahr.

Der neue Regierungsterminal am Flughafen Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER).

Der neue Regierungsterminal am Flughafen Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER).

4. Eine Utopie geht baden

Großumbau an der Spree: Ein 1,9 km langer Abschnitt des Spreekanals soll neu gestaltet werden. Zuerst mit einer 6,5 Millionen Euro teuren Freitreppe am Ufer vor dem Humboldt-Forum, dann kommt ein Flussbad mit Parklandschaft und Bio-Filter hinzu, der das Spreewasser auf Badewasserqualität reinigt. Kritiker beklagen den Aufwand und bezweifeln die Wirksamkeit des Filters – und monieren Kosten von mindestens 77 Millionen Euro.

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Der Steuerzahlerbund gibt zu bedenken, dass Medien nach dem Rücktritt der zuständigen Senatorin im August berichteten, dass weitere Kosten von rund 100 Mio. Euro verschwiegen worden seien. Der Bund der Steuerzahler schlägt vor, stattdessen den Sanierungsrückstau bei den Berliner Bädern zu beseitigen – das Geld würde für die Hälfte davon reichen.

Im Spreekanal am Humboldt Forum soll laut beschlossenen Stadtumbauprojekt des Berliner Senats ein Flussbad entstehen.

Im Spreekanal am Humboldt Forum soll laut beschlossenen Stadtumbauprojekt des Berliner Senats ein Flussbad entstehen.

5. Urlaub ohne Ausblick

Der Corona-Zeit voraus war man in Hanau, wo bereits 2019 der Bau eines Hafenbalkons geplant wurde. Auf einer Plattform aus Cortenstahl, ausgestattet mit einer überdimensionierten Holzbank, sollen sich Zuhauseurlauber am Mainufer erholen können. Hanau verspricht „einen spannenden Ausblick auf den nördlichen, flussseitigen Teil des Hanauer Hafens mit dem alten Zollamtsgebäude und seiner großen Uhr“.

Das Problem: Das rund 80.000 Euro teure Objekt ist fest auf der Erde installiert und bietet dem Steuerzahlerbund so allenfalls einen Blick auf die im Hafen ab- oder zuladenden Frachtschiffe und auf dem Main passierende Kreuzfahrtschiffe.

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 Die überdimensionale Ruhebank aus Holz samt Stahlplattform am Mainufer schaffte es ins „Schwarzbuch 2020/2021“ des Steuerzahlerbundes.

Die überdimensionale Ruhebank aus Holz samt Stahlplattform am Mainufer schaffte es ins „Schwarzbuch 2020/2021“ des Steuerzahlerbundes.

6. Brücke ins Nichts

Napoleon Bonaparte selbst passierte einst mit seinen Truppen die Gifhorner Brücke, die heute seinen Namen trägt. Einst war die Napoleonbrücke Teil der historischen Handelsstraße von Braunschweig nach Lüneburg. Heute führt sie in eine Sackgasse.

Dennoch war man in Hanau entschlossen, die denkmalgeschützte Brücke wieder begehbar zu machen. Die Modernisierungsarbeiten an Statik und Sicherheit kosteten 200.000 Euro. Fraglich sei nur, wer die Brücke ins Nirgendwo tatsächlich begehen will, meint der Bund der Steuerzahler. Zumal der Wasserlauf, den die Brücke einst überspannte, heute nur noch ein Tümpel sei. Neben der Brücke verläuft schon seit Jahren ein Weg.

7. Chatten mit Cheeseburgern

„Rendezfood“ heißt das „CreateMedia.NRW“-Projekt für die Konzeptionierung einer App, die die digitale Transformation im Anzeigengeschäft vorantreiben soll. Denn „Rendezfood“ verleiht Nahrungsmitteln Charakterzüge und ermöglicht den Nutzern, mit ihrem Essen zu chatten. So sollen die User emotional ans Produkt gebunden werden.

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Die 1,45 Millionen Euro teure App wird von der EU mit insgesamt 673.000 Euro finanziert, vom Land NRW mit 317.000 Euro und mit privaten Mitteln in Höhe von 460.000 Euro. Im März 2022 soll sie veröffentlicht werden, Zielgruppe sind Gastronomen und Einzelhändler, die ihre Angebote in die App eingeben können, und die Nutzer werden dann entsprechend ihrer Vorlieben informiert, wenn sie in die Nähe eines Lokals mit passendem Angebot kommen.

Der Steuerzahlerbund findet, dass sprechende Currywürste jedem Bestreben seitens der EU zuwiderlaufen, den Konsum von Salz, Fett und Zucker zu reduzieren.

8. Luxuswasser für Parchim

Die mecklenburgische Kreisstadt Parchim sollte mit dem Luxuswasser „Minus 181“ kräftig Gewinne machen. Aus einer Quelle in 181 Meter Tiefe sprudelt edles Wasser, angeblich besonders weich und geschmacksneutral. Der Liter kostet rund 20 Euro und ist nicht im Einzelhandel, sondern nur bei gastronomischen Partnern erhältlich. Da der edle Tropfen auf dem Gelände der städtischen Wasserwerke gefördert wird, ist die Stadt mit einem direkten Anteil von 24.000 Euro am Geschäft beteiligt.

Profite sprudeln allerdings nicht: Das Unternehmen hat bis 2018 Verluste von 651.000 Euro erwirtschaftet und so das Eigenkapital um rund zwei Drittel vermindert. Auch die Suche nach Investoren verlief ergebnislos. Zum 1. Juli 2020 wurde die Gesellschaft liquidiert, die Stadt verlor damit ihren Anteil von 24.000 Euro.

Eine Flasche Luxus-Mineralwasser der Marke "Minus 181" kostet rund 20 Euro.

Eine Flasche Luxus-Mineralwasser der Marke "Minus 181" kostet rund 20 Euro.

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9. Plastikpanne in der Schlei

In der Kläranlage an der Schlei wollten die Stadtwerke Schleswig neue Wege gehen. Im Faulturm der Kläranlage wird Biogas zur Energieerzeugung gewonnen. Um die Ausbeute zu erhöhen, entschieden die Stadtwerke, auch Lebensmittelreste von einem Entsorgungsunternehmen entgegenzunehmen. Da das Unternehmen abgelaufene Lebensmittel inklusive Verpackung entsorgt, gelangten kleinste Plastikteile in den Faulturm und über den Ablauf in die Schlei. So sind über die Jahre dem Steuerzahlerbund zufolge vermutlich rund fünf Tonnen Plastik in Naturschutzgebiete gelangt. Und das für 1,8 Millionen Euro Steuergeld.

10. Steuer-Emissionen

Spätestens 2038 soll das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Der Steuerzahlerbund bemängelt, dass die Ausgleichszahlungen dafür viel günstiger sein könnten, wäre die Bundesregierung bei dem Ausstieg auf dem Weg geblieben, den das europäische Verfahren des Emissionshandels vorgibt. Denn die Kosten der Zertifikate, die an der Energiebörse gehandelt werden, sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen.

Dies machte den Einsatz von Kohlekraftwerken betriebswirtschaftlich unattraktiv, sodass mehr und mehr Kraftwerke vom Netz gegangen seien und der Anteil des Kohlestroms am deutschen Strommix 2019 ohnehin um rund ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr sank. Das „Kohleausstiegsgesetz“ der Bundesregierung dagegen koste jährlich rund 10,4 Mio. Euro. Der Kohleausstieg sei so für die Steuerzahler deutlich teurer als nötig und reine Symbolpolitik, kritisiert der Steuerzahlerbund.

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