Das Schulchaos: So verspielt die Politik in der Pandemie Vertrauen
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Über die Frage der Schulöffnungen entscheiden die Länder – unabhängig von der Schalte.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Sechs, setzen! Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin haben getagt – und in einem der meistdiskutierten Bereiche der Corona-Politik haben sie einen Beschluss vorgelegt, der sich besser als Nicht-Beschluss beschreiben lässt. Es geht um die Frage der Öffnung von Kitas und Schulen.
Da Bund und Länder, aber auch schon die Länder untereinander, sich schwer taten, hier zu einer gemeinsamen Linie zu finden, haben sie einfach vereinbart: Jedes Land macht, was es will. Wenn man bedenkt, dass die Aufgabe der Ministerpräsidentenkonferenz in diesen schwierigen Zeiten auch darin besteht, ein gewisses Maß an Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit in Deutschland herzustellen, muss man sagen: Dieser Beschluss grenzt an Arbeitsverweigerung.
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Niemand bestreitet, dass die Politik in der Frage der Öffnungen von Schulen und Kitas vor einer schwierigen Aufgabe steht. Das Thema ist hochkomplex und gleichzeitig emotional aufgeladen. Die Inzidenzwerte sinken – und doch sind die Auswirkungen der Virusmutation kaum kalkulierbar. Gerade in einer solch unübersichtlichen Situation wären Bund und Länder gefordert, mit einer klaren gemeinsamen Linie Orientierung zu schaffen. Das ist ausgeblieben. Hier haben die politisch Verantwortlichen versagt.
Viele Schulen und Kitas in Deutschland öffnen wieder
Viele Grundschulen und Kitas in Deutschland sollen vom 22. Februar an wieder schrittweise ihren Betrieb aufnehmen.
© Quelle: dpa
In der gesamten Bevölkerung – und auch unter Eltern und Schülern – gibt es sehr gegensätzliche Haltungen, die oft mit größter Vehemenz vertreten werden. Viele Eltern verzweifeln am Nebeneinander von Homeoffice und Homeschooling. Andere haben große Angst, dass es in der Schule zu Ansteckungen kommen könnte: mit schlimmen gesundheitlichen Folgen für ihre Kinder und für die ganze Familie. Viele sind auch hin- und hergerissen, was sie für richtig halten sollen.
Die große Bildungsungerechtigkeit
Wahr ist: Jeder Tag der Schulschließung bringt neue Bildungsungerechtigkeit – und das würde auch dann gelten, wenn der Digitalunterricht deutlich besser wäre, als er in den meisten Fällen ist. Wer zu Hause nicht so gut gefördert werden kann, wer keinen ruhigen Platz zum Lernen hat, ist der Verlierer in dieser Situation.
Das Problem ist nur: Die Pandemie interessiert es nicht, ob sich die ohnehin viel zu große Bildungsungerechtigkeit in unserem Land noch vergrößert. Vieles wird sich nur durch gezielte Förderprogramme für schwächere Schülerinnen und Schüler im Nachhinein abmildern lassen.
So bitter es ist: Der Kampf gegen Corona muss jetzt vorgehen, ersehnte Öffnungsschritte müssen bei Schulen und Kitas vorsichtig ausfallen. Der Wechselunterricht ist ein geeignetes Mittel dafür, erste Schritte zu gehen – zumindest das haben viele Verantwortliche erkannt.
Das gigantische Versäumnis von Bund und Ländern ist, dass sie auch diesmal nicht das zustande bekommen haben, was es bräuchte, damit harte Entscheidungen zumindest durch Transparenz und Nachvollziehbarkeit erträglicher werden: einen bundesweit einheitlichen Stufenplan. Er könnte regeln, bei welchem Inzidenzwert – gern gekoppelt mit weiteren Kriterien – was passiert. Es muss nicht deutschlandweit das Gleiche passieren, aber es sollten überall die gleichen Regeln gelten.
Das verspielte Vertrauen
Der Bildungsföderalismus verspielt gerade ein weiteres Stück von dem Vertrauen, das er ohnehin nur begrenzt genießt. Dass die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin keinen gemeinsamen Plan für die Schulen vorgelegt haben, erinnert an Schüler, die eine Gruppenarbeit abliefern sollten – und die dann alle mit einem untereinander nicht abgestimmten Einzelreferat vor die Klasse treten.
Das ist zuallererst ein Fehler der Länder, die sich schon untereinander nicht auf eine Linie verständigen konnten. Das muss besser werden. Sonst werden die Rufe nach mehr Durchgriffsrechten für den Bund in der Bildung immer lauter.