Die Scholz-Mannschaft steht: Das sind die fünf wichtigsten Herausforderungen für Habeck, Lindner, Lauterbach und Co.
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Der designierte Kanzler Olaf Scholz bei der Präsentation der SPD-Ministerinnen und -Minister.
© Quelle: Getty Images
Berlin. Wie sehr Olaf Scholz der Boss ist, zeigt die Art seiner Präsentation der SPD-Ministerinnen und -Minister. Erstens: Die Liste bleibt tatsächlich bis unmittelbar vor der Verkündung am Montag vertraulich. Und zweitens: Der künftige Kanzler beantwortet in der Pressekonferenz alle Fragen selbst. Auch die an die anderen. So bleibt Nancy Faeser, die Scholz stolz als erste Bundesinnenministerin in Deutschland vorstellt, an diesem Tag auf Nachfrage stumm.
Scholz möchte nicht, dass sich seine Kabinettsmitglieder vor dem richtigen Regierungswechsel am Mittwoch öffentlich äußern. Nur Karl Lauterbach, den Scholz tatsächlich – auch auf Druck der positiven Meinung in der Öffentlichkeit über den Mediziner und trotz der Vorbehalte gegen ihn in der SPD – zum Gesundheitsminister gemacht hat, darf „zwei Sätze“ sagen. Auf die Frage nach der Corona-Politik rund ums Weihnachtsfest sagt dieser dann gewünscht knapp, die Fallzahlen müssten runter. Disziplin ist die zweite Eigenschaft, die Scholz seinem Kabinett abverlangen wird.
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Wenn man es genau nimmt, startet Lauterbach in seine Amtszeit allerdings mit einer Unwahrheit. In der ARD-Sendung „Anne Will“ hatte er am Sonntagabend – ohne rot zu werden – gesagt, es stehe noch nicht fest, wer Gesundheitsminister werde. Nach Informationen aus der SPD war Lauterbach – wie den anderen künftigen SPD-Kabinettsmitgliedern – jedoch vor der Sendung klar, dass er zu den Berufenen zählt und Nachfolger von Jens Spahn (CDU) wird.
Ohnehin gehört Lauterbach zu den Kabinettsmitgliedern mit den schwersten Aufgaben - neben Nancy Faeser, Christine Lambrecht, Robert Habeck und Christian Lindner. Das sind ihre Herausforderungen im Überblick:
Karl Lauterbach: Kann er delegieren?
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Der designierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach winkt bei der Vorstellung der SPD-Minister und -Ministerinnen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
„Er wird es!“ – So verkündete Scholz die in Corona-Krisenzeiten wohl wichtigste Personalie. Der Epidemiologe und vielleicht bekannteste Pandemieerklärer soll seine Expertise nun als Gesundheitsminister den Menschen vermitteln. Der 58-Jährige liest Studien so, wie andere Romane lesen – nur schneller. In der Corona-Pandemie hat er gezeigt, dass er keine Angst davor hat, eine klare Auffassung zu äußern – gleich, ob sie in den eigenen Reihen oder in der Öffentlichkeit gerade ankommt oder nicht. So hat er sich hohe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung erarbeitet.
Für Corona-Leugner ist er eine Hassfigur. Die Bewältigung der Pandemie wird von Tag eins an auch die größte politische Herausforderung für den Minister sein. Dabei muss der Mann, der fachkundig wie kaum jemand vor ihm in ein solches Amt startet, beweisen, dass er auch eine Behörde führen kann. Dafür wird Lauterbach, der als Abgeordneter häufig ein Einzelkämpfer war, zeigen müssen, dass er vor allem eines schnell lernen kann: mehr zu delegieren.
Nancy Faeser: Rettet sie den Rechtsstaat?
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Nancy Faeser wird Innenministerin.
© Quelle: imago images/photothek
Erstmals in der Bundesrepublik übernimmt mit ihr eine Frau das Innenministerium. Die 51-Jährige ist eine der Überraschungen in der künftigen Regierung. SPD-Mitglied ist sie seit mehr als 30 Jahren, in Hessen stieg sie zur Landes- und Fraktionschefin auf. Seit 2003 gehört sie dem Landtag an. Eigentlich sollte die Juristin Spitzenkandidatin für die nächste Landtagswahl werden.
Faeser ist seit 2009 in der Arbeitsgruppe „Innen“ des SPD-Parteivorstands. Sie hat den Ruf einer scharfzüngigen Rednerin und Kämpferin gegen Rechtsextremismus. Für ihre Vorstellung am Montag hatte sie nicht einmal eine Minute. Aber sie sagte dies: „Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hat – den Rechtsextremismus – zu bekämpfen.“ Und sie versprach eine gute personelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden.
Christine Lambrecht: Findet sie eine Exit-Strategie?
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Christine Lambrecht übernimmt den Posten der Verteidigungsministerin.
© Quelle: imago images/photothek
Die 56-Jährige, die wie Faeser aus Hessen stammt, hat wohl die bemerkenswerteste Entwicklung im Kabinett genommen. 2019 wurde die frühere Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Bundesjustizministerin. Dort hinterließ die Juristin die deutlichste Spur im Kampf gegen Hass im Netz, der jetzt regelmäßig dem Bundeskriminalamt zur Anzeige gebracht und verfolgt werden soll.
Als Familienministerin Franziska Giffey ihr Amt nach Plagiatsvorwürfen niederlegte, übernahm sie das Amt kommissarisch mit. Sie kandidierte aber nicht mehr für den Bundestag – und zwar mit dem Hinweis, „dass Politik als Beruf nur auf Zeit ausgeübt werden sollte“. Nun wird Lambrecht Verteidigungsministerin. Was sie dort vorhat, ließ sie am Montag in Ansätzen erkennen. So sollen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüft und mit einer Exit-Strategie versehen werden. Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz.
Robert Habeck: Rettet er das Klima?
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Der künftige Vizekanzler Robert Habeck wird das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium leiten.
© Quelle: imago images/Chris Emil Janßen
Der studierte Philosoph hat eine für einen Berufspolitiker besondere Karriere hinter sich. Der Vater von vier Söhnen arbeitete lange als Schriftsteller, trat erst 2002 den Grünen bei und wurde schon 2004 Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, 2009 zog er in den Landtag ein und wurde 2012 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur. 2018 stieg er neben Annalena Baerbock zum Bundesparteivorsitzenden auf. Im Frühjahr musste der 52-Jährige ihr die Kanzlerkandidatur überlassen, was ihn ziemlich frustriert hatte.
Ampel-Regierung: Auch die Grünen stimmen für Koalitionsvertrag
Als letzte der drei Ampel-Parteien haben auch die Grünen dem Koalitionsvertrag zugestimmt.
© Quelle: AFP
Seit das grüne Wahlergebnis aber hinter den Erwartungen der Partei zurückblieb, ist Habeck wiederum an Baerbock vorbeigezogen und wird nicht nur das große Wirtschafts- und Klimaschutzministerium leiten, sondern auch noch Vizekanzler. Bemerkenswert ist, dass Habeck, der wegen seines philosophischen Schriftstellerbackgrounds und seiner zuweilen blumigen Reden von der politischen Konkurrenz gern verspottet wird, nun ein Ressort übernimmt, in dem er knallhart an Zahlen gemessen werden kann und wird: vornehmlich am Ausbau der erneuerbaren Energien und der Entwicklung der CO₂-Emissionen.
Christian Lindner: Kann er mehr als reden?
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Das Finanzministerium geht an Christian Lindner.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Dass das Finanzministerium an ihn geht, war ein Schlüssel dafür, die FDP für die Ampelkoalition zu gewinnen. Nach der Bundestagswahl im Jahr 2017 ließ Lindner die Jamaika-Koalition mit den Worten platzen: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Mit Spannung wird verfolgt werden, ob er nicht nur einer der besten Redner im Land ist, sondern auch Regierungsarbeit kann.