Schöffen gesucht – Deutschland fehlen die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter
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Schöffen gesucht: Gemeinsam mit Richterinnen und Richtern spielen die Ehrenamtlichen eine wichtige Rolle bei Gerichtsprozessen.
© Quelle: Archiv (Uwe Anspach)
Berlin. Die Rechtsprechung in Deutschland ist nicht allein Sache ausgebildeter Juristinnen und Juristen. An Amts- und Landgerichten sprechen auch Schöffen als ehrenamtliche Laienrichter in Strafprozessen Recht – gemeinsam und gleichberechtigt mit ausgebildeten hauptamtlichen Richterinnen und Richtern. In diesem Jahr werden bundesweit neue Schöffen für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Doch viele Kommunen beklagen seit Jahren ein mangelndes Interesse der Bevölkerung am Schöffenamt.
Woran das jeweils liege, sei in einem Föderalstaat schwer festzustellen, sagte der Präsident des Bundesverbands Ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Andreas Höhne, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Für uns steht aber die mangelnde Werbung im Mittelpunkt“, sagte der Thüringer, der seit vielen Jahren Schöffe ist. „Beworben wird das Schöffenamt nur alle fünf Jahre zur Schöffenwahl. In der Zeit dazwischen bleibt das Amt sehr unterbelichtet“, kritisierte Höhne.
Es mangelt vor allem an jungen Schöffen
Sein Verband will dem für den Rechtsstaat wichtigen Ehrenamt mehr Aufmerksamkeit verschaffen und hat dafür das vom Bundesjustizministerium geförderte Informationsportal Schöffenwahl2023.de gestartet. Besonders jüngere Menschen sollen damit erreicht werden. Bisher seien viele Schöffen eher älter. „Die meisten Mitglieder bei uns im Verband sind älter als 55 Jahre – und das bildet unsere Gesellschaft nicht ab“, sagte Höhne. „Wir richten über viele Fälle mit jungen wie alten Straftätern. Deshalb sollten auch die Schöffen das Spektrum der Gesellschaft abbilden, um objektiv urteilen zu können.“
„Die lange Amtszeit von fünf Jahren ist gerade für jüngere Interessenten oft abschreckend. Wir sprechen uns deshalb dafür aus, diesen Zeitraum zu verkürzen“, sagte Höhne. Sein Verband habe dem Bundesjustizministerium vorgeschlagen, eine Verkürzung auf drei oder vier Jahre zu prüfen.
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Wenn sich in Kommunen nicht genug Freiwillige für das Schöffenamt melden, können auch zufällig aus dem Melderegister ausgewählte Personen auf die Vorschlagslisten gesetzt werden. Gewählt werden die Schöffen anschließend durch einen Schöffenwahlausschuss, dem ein Amtsrichter vorsitzt. Die Mitglieder des Wahlausschusses kennen die zu wählenden Kandidaten dabei jedoch häufig gar nicht wirklich.
Rechtsextreme Gruppen rufen zur Schöffenwahl auf
Diese Tatsache und den Mangel an Freiwilligen für das Schöffenamt machen sich seit vielen Jahren auch rechtsextreme Gruppen und Parteien zunutze, um ihre Mitglieder zu Schöffen an Amts- und Landgerichten zu machen. Aktuell ruft etwa die vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Kleinpartei Freie Sachsen ihre Mitglieder auf, sich an der Schöffenwahl 2023 zu beteiligen.
„Die AfD und die NPD haben schon im vergangenen Jahr aufgerufen, sich zur Schöffenwahl aufzustellen“, sagte Andreas Höhne. „Denen geht es darum, dass Recht in ihrem Sinne gesprochen wird. Das ist eine Gefahr für unser Rechtssystem. Um das zu verhindern, müssen Schöffen im Vorfeld genau geprüft werden.“
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Schöffenverband fordert bundesweit verbindliche Standards
„Es gibt heute schon die Möglichkeit, ehrenamtliche Richter loszuwerden, die nicht verfassungstreu sind“, sagte Höhne. Er begrüße jedoch den Vorstoß des Bundesjustizministeriums, das nun auch im Richtergesetz festzuschreiben. Das Ministerium hatte am Mittwoch einen Referentenentwurf für eine entsprechende Gesetzesänderung vorgelegt.
Andreas Höhne und sein Schöffen-Verband fordern noch weitere bundesweit verbindliche Standards. „Jeder gewählte Schöffe muss vor der ersten Verhandlung eine Einführungsveranstaltung bekommen, in der ihm die Grundlagen beigebracht werden“, sagte er. „Jeder sollte auch einmal eine Justizvollzugsanstalt von innen gesehen haben. Wir entscheiden mit darüber, Menschen das Kostbarste wegzunehmen – nämlich ihre Freiheit. Jeder Schöffe muss sich dabei im Klaren darüber sein, was er tut.“