Saudi-Arabien: Land zwischen Reform und Unterdrückung

Kronprinz, Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister: Mohammed bin Salman gilt nicht nur als künftiger König, sondern bereits heute als eigentlicher starker Mann im saudischen Königreich.

Kronprinz, Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister: Mohammed bin Salman gilt nicht nur als künftiger König, sondern bereits heute als eigentlicher starker Mann im saudischen Königreich.

Riad. Das Land mit seinen rund 33 Millionen Einwohnern ist seit der Staatsgründung im Jahr 1932 fest im Griff der Königsfamilie Saud. Die Dynastie kann auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken und schmiedete bereits im Jahr 1744 eine bis heute prägende Allianz mit der konservativen islamischen Rechtsschule des Wahhabismus. Noch heute ist der Wahhabismus in Saudi-Arabien Staatsreligion. Die Ausübung anderer Religionen ist verboten, auf die Abkehr vom Islam steht die Todesstrafe. Auch Pressefreiheit gibt es in dem Golfstaat nicht.

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Zögerlich eingeführte Frauenrechte

In den vergangenen Jahren setzte Saudi-Arabien jedoch mehrere Reformen um. Federführend in diesem Prozess ist der 33-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman, oft auch kurz „MbS“ genannt. Salman ist Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister Saudi-Arabiens, er gilt außerdem als künftiger König und schon heute als der eigentliche starke Mann im Königreich.

Vor allem junge Saudis gehören zu seinen Anhängern, weil er ihnen mehr Freiheiten verschafft. Ein Beispiel ist die Erweiterung der Frauenrechte. Seit dem vergangenen Jahr dürfen Frauen in Saudi-Arabien endlich Auto fahren, was ihnen bis dahin verboten war. Kinos und Konzerte sind ebenfalls wieder erlaubt. Mittlerweile treten sogar internationale Stars im Königreich auf. Frauen durften im vergangenen Jahr auch erstmals ein öffentliches Fußballspiel besuchen.

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Auch auf dem Arbeitsmarkt sollen sie stärker Fuß fassen. „MbS“ will zudem die Wirtschaft reformieren, um deren Abhängigkeit vom Öl zu verringern, das irgendwann versiegen wird. Die Reformen sind dringend notwendig, sollen die jungen Generationen eine Perspektive haben. Immerhin sind mehr als 40 Prozent der Saudis unter 25.

Aufgrund der strengen religiösen Vorschriften sind Frauen jedoch weiterhin stark in ihren Freiheiten beschnitten. Sie unterliegen etwa strengen Kleidungsvorschriften: So ist in der Öffentlichkeit ein langes Gewand, die Abaja, generell ebenso Pflicht wie ein Kopftuch. Erst im August hat Saudi-Arabien Frauen Reisefreiheit gewährt. Zuvor brauchten sie die Erlaubnis eines männlichen Vormunds, wenn sie ins Ausland wollten.

Frauenrechte auf saudische Art: Mittlerweile dürfen Frauen dort zumindest Auto fahren und ohne die Erlaubnis eines Mannes reisen. Die Kleidungsvorschriften bleiben jedoch rigoros.

Frauenrechte auf saudische Art: Mittlerweile dürfen Frauen dort zumindest Auto fahren und ohne die Erlaubnis eines Mannes reisen. Die Kleidungsvorschriften bleiben jedoch rigoros.

Menschenrechtsorganisationen reagierten zunächst zurückhaltend. „Wir begrüßen diesen Schritt natürlich“, sagte die Expertin für die Golfstaaten von Amnesty International in Deutschland, Regina Spöttl. „Aber er muss auch umgesetzt werden.“ Die Nahostdirektorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Sarah Leah Whitson, erinnerte auf Twitter daran, dass Frauen weiter die Zustimmung eines männlichen Vormunds bräuchten, wenn sie heiraten wollten.

Die gesellschaftlichen Reformen gehen außerdem einher mit einer harten Hand der Führung in Riad gegenüber Menschenrechtlern und Kritikern – die dunkle Seite des Wandels in Saudi-Arabien. Im Frühjahr vergangenen Jahres ließ das Königreich etwa 17 Frauenrechtler festnehmen. Gegen mehrere begann in diesem März unter dubiosen Vorwürfen ein Prozess. Die Botschaft Riads ist klar: Gesellschaftliche Reformen ja – aber darüber will allein das Königshaus entscheiden. Kritiker werden mundtot gemacht. Oder sogar umgebracht, wenn sie zu laut werden.

Der Fall Khashoggi

So wie der Journalist Jamal Khashoggi, den ein aus Riad angereistes Spezialkommando im vergangenen Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul brutal ermordete. Der im US-Exil lebende Regierungskritiker Khashoggi hatte am 2. Oktober 2018 das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen – und verschwand.

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Laut türkischen Medienberichten, die sich auf Audioaufnahmen stützen, wurde Kashoggi von dem eigens angereisten Kommando gefoltert und getötet und sein Leichnam zerstückelt. Wer den Befehl dafür gab, ist unklar. Doch die Spuren führen in das direkte Umfeld des Kronprinzen. Ein Expertenbericht an den UN-Menschenrechtsrat sieht etwa „glaubhafte Hinweise“ auf eine persönliche Verantwortung des Thronfolgers. Saudi-Arabien aber weist jede Schuld des Kronprinzen zurück.

Jamal Khashoggi war mehr als ein Jahr zuvor aus Angst vor politischer Verfolgung ins US-Exil gegangen. Dort schrieb er unter anderem Artikel für die „Washington Post“. Der Journalist begrüßte grundsätzlich Mohammed bin Salmans Reformen, kritisierte aber dessen zunehmend autoritäre Herrschaft.

Letztes Lebenszeichen: Dieses von der der türkischen Zeitung „Hürriyet“ zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt Jamal Khashoggi (rechts) beim Betreten des saudi-arabischen Konsulats.

Letztes Lebenszeichen: Dieses von der der türkischen Zeitung „Hürriyet“ zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt Jamal Khashoggi (rechts) beim Betreten des saudi-arabischen Konsulats.

Die Beziehungen zu den USA

Im November 2018 erklärte US-Präsident Donald Trump, es sei möglich, dass bin Salman von der Ermordung Khashoggis gewusst habe. „Es könnte sehr gut sein, dass der Kronprinz Kenntnis von diesem tragischen Vorfall hatte – vielleicht hatte er das, und vielleicht hatte er das nicht!“, teilte Trump mit. Die Beziehungen beider Länder sollte das jedoch nicht trüben: „Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, ein fester Partner Saudi-Arabiens zu bleiben.“

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Immerhin gehören die USA zu den wichtigsten Verbündeten des Landes. Beide Staaten verbindet ihre Rivalität mit dem Iran. Saudi-Arabien galt trotz seiner autoritär-religiösen Führung außerdem lange Zeit als prowestlicher Stabilitätsanker im Nahen Osten.

Seit dem von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten betriebenen Militäreinsatz im Bürgerkriegsland Jemen und der Ermordung Jamal Khashoggis bröckelt der Bündniswille der USA jedoch. Der US-Kongress forderte im Juli 2019 ein Ende der amerikanischen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Präsident Trump legte jedoch ein Veto gegen die Blockade des Kongresses ein. Ein Lieferstopp würde Amerikas globale Wettbewerbsfähigkeit mindern und die Beziehungen mit wichtigen Verbündeten belasten, erklärte Trump diesen Schritt.

Auch nach den jüngsten Luftangriffen auf die Rohölverarbeitungsanlage Abkaik und das Ölfeld Churais in Saudi-Arabien, zu dem sich die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannten, kündigte Trump an, an der Seite Saudi-Arabiens zu stehen und dem Königreich helfen zu wollen. Riad macht den Iran für die Angriffe verantwortlich.

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Saudi-Arabien und Deutschland: Keine Rüstungsexporte, aber Ausbildung von Grenzschützern

Was Donald Trump in den USA verhinderte, setzte die deutsche Bundesregierung nach dem Mord an Jamal Khashoggi um. Sie verhängte einen Exportstopp für Rüstungsgüter für Saudi-Arabien. Dieser läuft am 30. September aus. Die Bundesregierung schweigt bislang offiziell zu der Frage, ob der Exportstopp erneut verlängert wird. Unions- und SPD-Vertreter in der Regierung gehen jedoch davon aus, dass Deutschland auch nach dem 30. September bis auf Weiteres keine Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien exportieren wird.

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Mehr dazu: Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien wird vermutlich verlängert

Erst vor Kurzem hatte das Bundesinnenministerium jedoch bestätigt, dass Deutschland die Ausbildung saudi-arabischer Grenzschützer wiederaufnehmen will. Die Ausbildung war nach der Ermordung Khashoggis im vergangenen Jahr ausgesetzt worden.

Die Bundespolizei unterhalte weiter ein Projektbüro in Riad, das derzeit mit drei Mitarbeitern besetzt sei. Wann die Ausbildung wieder beginne, werde noch geklärt, erklärte das Ministerium. Das Projekt sei Teil einer bilateralen Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, „da sichere Grenzen auch eine wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Terrorismusbekämpfung in der gesamten Region darstellen“. Die Entscheidung traf bei SPD, Grünen und SPD ebenso auf Ablehnung wie bei der Bundespolizeigewerkschaft.

RND/dpa/fh

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