Shitstorm gegen Sarah-Lee Heinrich: der Skandalmechanismus

Erfurt: Sarah-Lee Heinrich (links) und Timon Dzienus freuen sich nach ihrer Wahl als Bundessprecher der Grünen Jugend beim 55. Bundeskongress der Grünen Jugend.

Erfurt: Sarah-Lee Heinrich (links) und Timon Dzienus freuen sich nach ihrer Wahl als Bundessprecher der Grünen Jugend beim 55. Bundeskongress der Grünen Jugend.

Berlin. Noch am Samstag freute sich die Politikerin Sarah-Lee Heinrich über ihren Erfolg: Gemeinsam mit Timon Dzienus wurde die 20-Jährige zur Bundessprecherin der Grünen Jugend gewählt. Sie erhielt zahlreiche Glückwünsche, auch von Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock. Doch nur einen Tag später trendete auf Twitter im Zusammenhang mit ihr bereits der Hashtag „Rassistin“ – und am Montag ist sie immer noch das Gesprächsthema Nummer eins in der politischen Twitter-Blase. Was war passiert?

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Unbekannte hatten kurz nach dem Bundeskongress der Grünen Jugend alte Tweets von Heinrich im Netz verbreitet. Dabei handelte es sich um verletzende Äußerungen, die Heinrich vor etwa sechs Jahren getätigt hatte. So kommentierte ihr Account damals unter anderem den Nazi-Begriff „Heil“ unter einem Beitrag mit einem Hakenkreuz. In einem anderen Tweet nutzte sie die schwulenfeindliche Beschimpfung „Tunte“.

Zudem wurde ihre Äußerung aus dem Jahr 2019 –„eklig weiße Mehrheitsgesellschaft“ – von Kritikern wieder hochgespült. Für die hatte sie sich bereits entschuldigt. Der Skandalmechanismus ging los. Es folgten Tausende Twitter-Kommentare mit angebrachter Kritik, aber auch Beleidigungen. Heinrich entschuldigte sich daraufhin mehrmals. Den Inhalt der Tweets erklärte sie nicht, sagte aber, sie seien peinlich. Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) wollte Heinrich sich nicht äußern. Laut eigenen Angaben erhält Heinrich Morddrohungen. Sie wolle sich vorübergehend aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

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Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier hat den Fall beobachtet und sieht die Empörungskultur überaus kritisch. „Dass die Cancel-Kultur aus den USA nach Europa überschwappt, halte ich für gefährlich. Was Sarah-Lee Heinrich mit 14 Jahren gesagt hat, ist für die heutige Situation völlig unwichtig, weil sie sich mittlerweile verändert hat“, sagte er dem RND. „Die Jugend ist die wichtigste Zeit der Sozialisierung: Jugendliche sind spontan, sie denken nicht viel über ihre Aussagen und Taten nach.“ Sie änderten ihre Meinung sehr schnell und seien auf der Suche nach ihrer Identität.

Ihre damaligen Aussagen solle man nicht mit ihrer heutigen Person in Zusammenhang stellen. „Ich würde sogar die Frage in den Raum werfen, dass sie sich nicht mal entschuldigen muss. Das müsste man eigentlich mit dem 14-jährigen Mädchen klären“, ergänzte Heinzlmaier.

Heinrich erhält parteiübergreifend Unterstützung

Die Empörungskultur läuft in der Politik meist gleich ab: Eine Person leistet sich einen mehr oder weniger schlimmen Fauxpas, hervorgeholt und zirkuliert wird dieser durch Internettrolle oder Kritiker. Politische Akteure nutzen den Moment, um ihre Gegner zu attackieren.

Ein wenig anders war das im Falle Heinrich, neben Unterstützung aus den eigenen Reihen erhielt sie auch aus anderen Parteien Zuspruch. „Der widerliche Hass gegen sie ist entlarvend“, schrieb beispielsweise die FDP-Politikerin Ria Schröder.

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Grünen-Politiker Cem Özdemir freute sich, dass nun über den Umgang im Netz geredet werde. „Dazu gehört allerdings auch, dass die Schärfe der Angriffe auf Leute aus dem vermeintlichen oder tatsächlichen ‚anderen‘ Lager genauso hinterfragt gehört“, sagte er in Richtung seiner eigenen Leute. Nach Solidarisierungs­bekundungen für Heinrich forderten einige Nutzer nämlich ein, dass Grüne künftig das gleiche Verständnis für andere aufbringen.

Die stellvertretende Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang gab zu: „Twitter lädt sehr zu Empörung und Unerbarmlichkeit ein, ich war da bestimmt auch selbst schon Teil von. Aber wünsche mir, dass wir es anders hinbekommen.“

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