Keine Waffen für die Ukraine – Roth: „Rüstungsexportpolitik wird sich auch mit der Ampelkoalition nicht ändern“
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Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Berlin. Michael Roth (SPD) ist Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Im Konflikt mit der Ukraine fordert er Russland vor dem Treffen im Normandieformat zum Einlenken auf. Schon jetzt müssten die Russen spüren, welch harte Konsequenzen auf sie zukämen, sollten sie ihren Aggressionen an den Grenzen zur Ukraine auch Taten folgen lassen. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk (RND) betont Roth erneut: Deutschland schließe keine Optionen gegen Russland mehr aus.
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Herr Roth, glauben Sie noch an einen diplomatischen Erfolg im Ukraine-Konflikt?
Wir setzen ja gemeinsam mit den USA, der Nato, der OSZE und der Europäischen Union auf einen diplomatischen Erfolg. Dafür wird derzeit auch durch Deutschland jeder Gesprächskanal zu Russland genutzt. Das oberste und wichtigste Ziel ist, dass Russland seine militärische Aggression beendet und die über 100.000 gefechtsbereiten Soldaten an der Grenze zur Ukraine abzieht. Darüber hinaus muss Russland auch bereit sein, andere hybride Formen der Kriegsführung zu unterlassen. Darum geht es uns. Und es ist gut, dass darüber derzeit auf allen politischen Ebenen Gespräche stattfinden.
Jetzt gab es bislang weder ein klares Bekenntnis zum Stopp von Nord Stream 2, keine Waffenlieferungen an die Ukraine. Hat Russland überhaupt irgendwas zu befürchten von deutscher Seite?
Das sehe ich völlig anders. Die Bundesregierung hat doch ein klares Bekenntnis dazu abgegeben, dass im Falle einer russischen Invasion in der Ukraine alle Optionen auf den Tisch kommen. Wir schließen nichts aus! Russland muss bei einer weiteren militärischen Eskalation gegenüber der Ukraine schmerzhafte politische und wirtschaftliche Konsequenzen befürchten. Im Fall der Fälle wird die EU vorbereitet sein, darauf geschlossen und entschlossen zu reagieren. Aber jetzt liegt unser ganzes Augenmerk auf einer diplomatischen Konfliktlösung. Hier sehe ich keinerlei Dissens mit unseren Partnern.
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, spricht von unterlassener Hilfeleistung von deutscher Seite.
Ich bin verwundert darüber, dass dieser Eindruck gegenüber Deutschland besteht. Berlin hat seit 2014 gemeinsam mit Paris für die EU eine führende Rolle bei den Normandiegesprächen über eine friedliche Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine übernommen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie uneingeschränkt für die territoriale Integrität der Ukraine eintritt und bereit ist, im Fall der Fälle harte Sanktionen gegen Russland mitzutragen. Es sind ja keine nationalen Sanktionen, sondern europäische Sanktionen, die wir mit unseren Partnern abstimmen. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, muss Russland schon während der laufenden Gespräche spüren, dass der politische und wirtschaftliche Preis für einen Einmarsch sehr, sehr hoch wäre. Wollen wir ernsthaft eine öffentliche Debatte über das Für und Wider einzelner Maßnahmen führen? Das spielt doch nur Putin in die Hände.
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Russland hat über Hunderttausend Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
© Quelle: Reuters
Bei Waffenlieferungen gibt es aus guten Gründen eine traditionelle Zurückhaltung in Deutschland, das war auch bei Kanzlerin Merkel so. Unsere restriktive Rüstungsexportpolitik wird sich auch mit der Ampelkoalition nicht ändern. Das bedeutet: Keine Lieferungen von letalen Waffen in Krisengebiete.
Ansonsten haben wir in den vergangenen Jahren vielfältige Unterstützungsleistungen gewährt, um der Ukraine beim Aufbau von Demokratie, sozialer Marktwirtschaft, beim Umweltschutz und beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, aber auch bei der Bekämpfung der Korruption zu helfen. Da sind wir einer der engsten Partner der Ukraine, gemeinsam mit der Europäischen Union. Wir diskutieren gerade auch darüber, wie wir bei konkreten Wünschen nach Schutzausrüstung Hilfe leisten können. Sich ausschließlich auf Waffenexporte zu fokussieren, wird dem vielfältigen deutschen Engagement in keinster Weise gerecht.
Sie sprechen diese zurückhaltende Haltung Deutschlands in so einer Frage an. Ist es historisch zu begründen, dass man als Deutscher sehr zurückhaltend ist in der Frage nach einem Krieg?
Deutschland beteiligt sich an mehr als einem Dutzend Auslandseinsätzen weltweit, weil wir natürlich wissen, dass Frieden und Stabilität teilweise auch der militärischen Absicherung bedürfen. Und natürlich haben wir Deutschen aus unserer Geschichte heraus begründet eine tief sitzende Skepsis gegenüber militärischen Antworten. Wir setzen traditionell auf Diplomatie und Politik, aber das tun wir ja nicht alleine. Das tun wir ja auch im Konzert mit der Europäischen Union. Aber die Nato ist ja auch ein Sicherheits- und ein Verteidigungsbündnis. Und wir sind uns schon darüber im Klaren, dass zur steten Dialogbereitschaft immer auch die Wehrhaftigkeit dazu gehört. Deswegen rate ich auch dringend dazu, die Bedrohungen, die unsere polnischen oder baltischen Partner, inzwischen aber auch die finnischen oder schwedischen Freunde empfinden, sehr ernst zu nehmen. Über diese Sicherheitsinteressen dürfen wir nicht einfach hinweggehen. Das ist für mich ein zentraler Bestandteil einer neuen europäischen Ostpolitik.