Russische Truppenverstärkung an der Grenze zur Ukraine: Bluff oder Krieg?

Russische Panzer während einer Militärübung auf der besetzten Krim im Oktober 2021.

Russische Panzer während einer Militärübung auf der besetzten Krim im Oktober 2021.

Moskau. Ist es nur das übliche Säbelrasseln, oder bahnt sich tatsächlich ein handfester militärischer Konflikt zwischen Russland und der Ukraine an? Das ist die Frage, die sich viele Beobachter derzeit stellen, nachdem sowohl Russland als auch womöglich die Ukraine ihre Truppenverbände im russisch-ukrainischen Grenzgebiet verstärken und die USA sowie die Nato militärische Präsenz in der Region demonstrieren.

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Auch verbal rüsten beide Seiten auf: Am vergangenen Sonntag reagierte der Kreml scharf auf die Äußerung von US-Außenminister Antony Blinken, der einen Tag zuvor erklärt hatte, Washington und Europa seien „wirklich besorgt“ über die russischen Militäraktionen nahe der ukrainischen Grenze und über „die teilweise aggressive Rhetorik, die wir aus Russland und in den sozialen Medien sehen und hören“.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow antwortete, der Westen heize die Spannungen „künstlich“ an, indem er suggeriere, dass Moskau in die Ukraine einmarschieren könnte. Kirill Budanow, Chef des militärischen Geheimdienstes der Ukraine, hatte kurz davor gewarnt, dass Russland 92.000 Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze zusammengezogen habe. In einem Interview mit der „Military Times“ beschuldigte er Moskau, eine Invasion zu planen.

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Kriegsspiele im Schwarzen Meer

In einer seiner sehr seltenen Stellungnahmen hielt der russische Auslandsgeheimdienst SVR der Ukraine wiederum vor, Streitkräfte in den Grenzgebieten zu Russland und Belarus zu konzentrieren. Kiew räumte das nur insoweit ein, dass ukrainische Sicherheitskräfte wegen des Flüchtlingsdramas an der belarussischen-polnischen Grenze in Nähe zu Belarus stationiert worden seien.

Russland vertritt die Auffassung, dass es Truppen auf seinem Territorium so verlegen kann, wie es will. Im staatlichen Fernsehen bezeichnete Peskow die Reaktion des Westens als „Hysterie“, die „künstlich aufgebauscht“ worden sei. In einer offensichtlichen Anspielung auf Nato-Manöver im Schwarzen Meer fügte der Kreml-Sprecher hinzu: „Wir werden von denjenigen, die ihre Streitkräfte aus dem Ausland herbeigeschafft haben, einer ungewöhnlichen militärischen Aktivität auf unserem Territorium beschuldigt“.

Der Kreml betrachtet Manöver von US-Marineschiffen Anfang November gemeinsam mit türkischen und rumänischen Kampfschiffen im Schwarzen Meer als „Provokation“ durch die Vereinigten Staaten und die Nato und reagierte mit der Demonstration eigener militärischer Stärke: Die russische Schwarzmeerflotte entsandte ihre zwei stärksten Kriegsschiffe, den Zerstörer „Moskau“ und die Fregatte „Admiral Essen“, ins Manövergebiet, um die Gefechtsübungen aus nächster Nähe in voller Kampfbereitschaft zu beobachten. Die Situation eskalierte allerdings nicht weiter.

Belarus: Migranten an der Grenze erhalten Notversorgung
 Belarus Poland Border Refugees 6703205 24.11.2021 Refugees receive hot meals at the migrants temporary accommodation at the logistics centre Bruzgi, at the Bruzgi-Kuznica Bialostocka border crossing near the Belarusian-Polish border, in Grodno region, Belarus. Migrants from the Middle East and North Africa trapped in Belarus have converged on the border with Poland, where razor wire fences and Polish troops have repeatedly blocked their entry. Pavel Bednyakov / Sputnik Grodno Region Belarus PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xPavelxBednyakovx

Statt in Waldgebieten an der polnisch-belarussischen Grenze können einige Menschen nun in einer Lagerhalle unterkommen.

Moskau stört sich an westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine

Vor allem stört sich Moskau an dem Sicherheitspakt, den die USA mit der Ukraine nach der Annexion der Krim vereinbart haben. Im Rahmen dieses Abkommens liefen in diesen Tagen amerikanische Patrouillenboote in der ukrainischen Hafenstadt Odessa ein, die dort stationiert werden sollen. Zudem lieferte Washington zuletzt Javelin-Panzerabwehrraketen an die Ukraine. Insgesamt haben sich die Vereinigten Staaten verpflichtet, mehr als 2,5 Milliarden Dollar für die Stärkung der ukrainischen Verteidigung auszugeben.

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Moskau betrachtet das als Überschreitung einer selbst definierten roten Linie. In seinen Äußerungen vom Sonntag beschuldigte Peskow die Nato, eine „militärische Faust“ in der Nähe der russischen Grenzen zu konzentrieren, und forderte die Allianz auf, die Lieferung moderner Waffen an die Ukraine einzustellen.

Solche Äußerungen heizen Befürchtungen an, dass der Kreml die militärische Stärkung eines Landes in seinem Vorhof auf Dauer nicht hinnehmen wird. Nach einem Bericht der „New York Times“ in der vergangenen Woche, warnen amerikanische Geheimdienste, dass es nur noch ein kurzes Zeitfenster gibt, um Russland von einer Invasion in der Ukraine abzuhalten: „Russland hat noch nicht entschieden, wie es die Truppen einsetzen wird, die es in der Nähe der Ukraine zusammengezogen hat“, sagten US-Geheimdienstler der Zeitung, „aber wir nehmen die Aufstockung ernst, und die Vereinigten Staaten gehen nicht davon aus, dass es sich um einen Bluff handelt.“

Situation ist nach Expertenmeinung tatsächlich ernst

In einem Artikel des Carnegie Moscow Center begründet dessen Direktor Dmitri Trenin, warum die Situation tatsächlich ernst ist: „Wenn die Ukraine zu einem von den USA kontrollierten unsinkbaren Flugzeugträger wird, der nur wenige hundert Meilen von Moskau entfernt an der russischen Grenze verankert ist“, schreibt er, „dann ist das für den Kreml genauso wenig akzeptabel wie es der andere unsinkbare Flugzeugträger, Kuba, für das Weiße Haus vor fast sechzig Jahren war. Jeder russische Führer wird versuchen, ein solches Anlegemanöver mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern.“

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Noch ist allerdings ein Szenario denkbar, dass der russische Truppenaufbau an der ukrainischen Grenze, im Augenblick erst einmal dazu dienen soll, in potenziellen Gesprächen über die Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Ukraine die Verhandlungsposition Moskaus zu stärken. Dafür spricht, dass der Kreml den Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, damit beauftragt hat, mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, einen neuen Gipfel zwischen Präsident Putin und US-Präsident Joe Biden zu arrangieren.

„Wie immer bei der Abschreckung kann sie nur funktionieren, wenn die Drohung als glaubwürdig angesehen wird“, schreibt dazu Dmitri Trenin, „während jeder Versuch, zu testen, ob die andere Seite blufft, in einer Katastrophe enden kann.“

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