Russisch-deutsche Ausstellung: Die Tretjakow-Galerie zeigt „Träume von Freiheit“
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Eine Ausstellungsbesucherin betrachtet in der Tretjakow-Galerie Bilder der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), die in der „Träume von Freiheit“ präsentiert werden. Die Ausstellung gilt als einer der Höhepunkte des Deutschlandjahres in Russland.
© Quelle: Ulf Mauder/dpa
Moskau. Der deutsche Botschafter in Moskau, Géza Andreas von Geyr, gerät ins Schwärmen, als er am Donnerstagabend gegen 20 Uhr ans Rednerpult gebeten wird: „Ich bin sehr stolz. Hier wurde eine Weltklasseausstellung geschaffen, ein grandioses Beispiel eines Kulturdialogs auf höchstem Niveau“, sagt der Diplomat zur feierlichen Eröffnung der Exposition „Träume von Freiheit. Romantik in Russland und Deutschland“ in der weltberühmten Moskauer Tretjakow-Galerie vor rund 100 geladenen Gästen.
Ausstellungsmacher aus Dresden und Moskau haben dazu in über drei Jahren Vorbereitung eine Kunstschau mit 300 Werken aus deutschen und russischen Sammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts konzipiert, die nun bis zum 8. August in Moskau zu sehen ist. Ab Oktober kommt die Schau nach Dresden ins Albertinum.
Die innenarchitektonische Gestaltung hat US-Stardesigner Daniel Libeskind übernommen, der bei der Eröffnung ebenso schwärmt wie der deutsche Botschafter. Es sei ihm eine große Freude gewesen, an dieser Exposition mitzuwirken, die die romantische Welt von Russland und von Deutschland zeige, „die Welt des Friedens, des Guten, des Schönen“.
Ausstellung zeigt Bilder von bekannten und weniger bekannten Künstlern
Neben Bildern von Romantiksuperstar Caspar David Friedrich sind in Moskau Meisterwerke von in Deutschland weniger bekannten Künstlern wie Alexej Gawrilowitsch Wenezianow, Carl Gustav Carus und Alexander Andrejewitsch Iwanow aus der Tretjakow-Galerie, dem Albertinum Dresden, der Hamburger Kunsthalle, den Staatlichen Museen Berlin, der Eremitage St. Petersburg oder dem Puschkin-Museum Moskau zu sehen.
Bezugnehmend auf den vielsagenden Titel „Träume von Freiheit“ sprach von Geyr auch Themen im deutsch-russischen Verhältnis an, „die brisant sind und über die wir uns Sorgen machen müssen“. Er nannte den Ukraine-Konflikt und die Inhaftierung von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny.
Da wurde die Nachricht, dass Russland mit dem Truppenrückzug der an der ukrainischen Grenze zuletzt zusammengezogenen rund 100.000 Soldaten beginnt, mit großer Erleichterung unter den Eröffnungsgästen aufgenommen.
Ausstellung wurde mehrmals verschoben
Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), wirkte sehr glücklich, dass die wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschobene Ausstellung nun endlich eröffnet ist, und stellte die aktuellen Bezüge heraus. In unserer Welt des Klimawandels sei sehr gut zu sehen, wie der einzelne Mensch unter dem Eindruck wirkender Naturgewalten plötzlich wieder auf sich selbst zurückgeworfen werde.
„Sie werden sich verirren, sich verlieren und am Ende plötzlich vor einer großen weißen Wand stehen – das ist Romantik“, sagte Ackermann an die Eröffnungsgäste gewandt und hob hervor, die Ausstellungsmacher aus Dresden und Moskau seien im Laufe der Zeit zu einer „romantischen Familie“ zusammengewachsen.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der wegen seiner dreitägigen Moskaureise auch Kritik hinnehmen musste, bezeichnete die Kultur als „Türöffner“ in politisch schwierigen Zeiten, um miteinander im Gespräch zu bleiben.
Die Ausstellung sei eine „wunderbare Gelegenheit zu zeigen, was uns verbindet“, sie sei ein großer Erfolg. Es gehe hier auch um eine inhaltliche Auseinandersetzung: „Was bedeutet Freiheit, welchen Freiheitsbegriff haben wir, was bedeutet die Abwesenheit von Freiheit?“ Die Exposition biete eine hervorragende Gelegenheit, darüber den Dialog zu führen und auch zu streiten.
2021 ist Deutschland-Jahr in Russland
Die Schau, die sich auch dem Durchbruch zur Moderne und zeitgenössischen künstlerischen Positionen widmet, gilt als Höhepunkt des Deutschland-Jahres 2021 in Russland.
„Es sind historische Kraftanstrengungen unternommen worden, um das in seinem Umfang einmalige Projekt zu verwirklichen“, sagte die Direktorin der Tretjakow-Galerie, Selfira Tregulowa, und dankte den beiden Teams aus Deutschland und Russland, die fast drei Jahre lang „sehr intensiv“ an der Ausstellung gearbeitet haben.
Russland Präsident Wladimir Putin hatte seinen Sonderbeauftragten für kulturelle Zusammenarbeit, den Kunstwissenschaftler Michail Schwydkoi, zu Eröffnung entsandt. Er hob die Ausstellung im Kontext des 80. Jahrestages des Überfalls von Nazideutschland auf die Sowjetunion im Juni hervor und nannte sie einen „symbolischen Akt“, ein „Zeichen des Vertrauens der Völker“. Dieses Vertrauen sei ein großer Wert, den wir nicht verlieren sollten.
Ausstellung zeigt Stiefel von Napoleon
Neben viel großflächiger Malerei sind in der Exposition auch Dokumente und mit dem Leben der Künstler und Personen der Zeit verbundene Gegenstände zu sehen, wie etwa der Dirigierstab des Komponisten Carl Maria von Weber oder die Stiefel, die Napoleon beim Russlandfeldzug 1812 getragen haben soll.
Anhand ausgewählter Positionen zeitgenössischer Kunst etwa von Marlene Dumas, Wolfgang Tillmans oder Boris Mikhailov soll verdeutlicht werden, warum die Romantik als Beginn der Moderne betrachtet wird.
Eine der größten Galerien Russlands
Die Staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau beherbergt mit rund 140.000 Werken der Malerei, der Graphik und der Bildhauerei neben der St. Petersburger Eremitage eine der größten und berühmtesten Kunstsammlungen Russlands. Die Werke umfassen den Zeitraum vom 11. bis zum 20. Jahrhundert.
Namensgebend ist ihr Gründer, der russische Textilkaufmann und Kunstsammler Pawel Michailowitsch Tretjakow (1832–1898). Die Anfänge seiner Kunstsammlung gehen auf das Jahr 1851 zurück, als Tretjakow zusammen mit seinem jüngeren Bruder Sergei ein zweistöckiges Haus südlich des rechten Moskwa-Ufers erwarb.
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Blick auf die neue Tretjakow-Galerie mit einem Plakat zur neuen Ausstellung „Träume von Freiheit“.
© Quelle: Ulf Mauder/dpa
Im Erdgeschoss des Gebäudes richteten die Brüder ihre Geschäftsräume ein, während im Obergeschoss nach und nach eine beachtliche Gemäldesammlung einheimischer zeitgenössischer Künstler entstand.
Nach der Oktoberrevolution wurde die Galerie im Juni 1918 per Dekret des Revolutionsführers Lenin verstaatlicht und erhielt ihre heutige Bezeichnung. In den 1920er-Jahren wurden Sammlungen anderer Museen sowie beschlagnahmte Privatsammlungen in die Tretjakow-Galerie integriert.
Galerie wurde in den 1930er-Jahren erweitert
Dies führte zu einem erheblichen Zuwachs des Museumsbestands, sodass das Galeriegebäude Mitte der 1930er-Jahre erweitert werden musste. Dies wurde nach Entwürfen des renommierten Architekten Alexei Schtschussew umgesetzt, der einen 1936 fertiggestellten Anbau konzipierte, der architektonisch stark an das Stammhaus angelehnt wurde.
Während des zweiten Weltkriegs, wurden 1941–1945 große Teile der Museumsexposition vor dem drohenden Einmarsch der Wehrmacht nach Nowosibirsk überführt, wo sie im damals noch nicht fertiggestellten Gebäude des Opernhauses provisorisch untergebracht wurden.
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Während der Schlacht um Moskau wurde der Museumskomplex bei Luftangriffen erheblich beschädigt. Nach Abschluss der Wiederaufbauarbeiten konnte die Galerie am 17. Mai 1945 wieder öffnen.
Seit 1986 mit Abteilung für moderne Kunst
1977 erhielt die Galerie einen bedeutenden Teil der Sammlung des griechisch-russischen Kunstliebhabers George Costakis. 1986 wurde eine Abteilung für moderne Kunst eröffnet, die sich in einem Neubau an der Moskwa befindet. Das Hauptgebäude des Museums wurde im April 1995 nach jahrelanger Sanierung mit insgesamt 62 Sälen wieder eröffnet.
Aufgrund der Corona-Pandemie veröffentlichte die Tretjakow-Galerie zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine volle Fotosammlung ihrer Ausstellungen auf dem russischsprachigen Internetportal „Yandex Kollekzii“. Die Verluste während der Schließzeit beliefen sich auf 2,7 Millionen Euro.