Robert Habeck: Die Wandlungen des grünen Vizekanzlers

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, mit seiner Ernennungsurkunde.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, mit seiner Ernennungsurkunde.

Berlin. Wenn man mit dem neuen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz auf sein Büro zu sprechen kommt, dann bemüht er einen Vergleich mit der Vergangenheit. Raum A.1051, an dem „Bundesminister Dr. Robert Habeck“ steht, sei „ungefähr so groß wie meine erste WG“, in der vier oder sechs Leute gelebt hätten. Ganz genau wisse er das nicht mehr, sagt der Grünen-Politiker, nachdem er in einer Sitzecke Platz genommen hat. Und in der Tat könnte man aus dem hohen Raum von mindestens 80 Quadratmetern mit den riesigen Platanen vor den Fenstern locker eine Vier-Zimmer-Wohnung machen.

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Schon der Weg dorthin ist beeindruckend. Die ehemalige Unterkunft für Kriegsinvalide preußische Soldaten aus dem Jahr 1748 besteht aus langen Fluren und wuchtigen Treppenhäusern, in denen sich selbst Mitarbeiter bei mangelnder Aufmerksamkeit schon mal verlaufen.

Nur den 52-Jährigen, der knapp 20 Jahre nach seinem Eintritt bei den Grünen ihr zweiter Vizekanzler nach Joschka Fischer geworden ist, ficht das nicht an. Das Haus mit seinen rund 2300 Mitarbeitern sei wie „eine aufgeblätterte Aufgabe“, sagt er in Anzughose, schwarzem T-Shirt und schwarzem Pulli. Überhaupt versucht Habeck den Eindruck zu zerstreuen, als sei er noch immer eine Art Greenhorn, das mit der Bildung der Ampel-Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen zufällig Neuland betrete.

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So amtierte der Vater von vier Söhnen von 2012 bis 2018 in Schleswig-Holstein als Minister für Landwirtschaft und Umwelt – mit damals immerhin 350 Beamtinnen und Beamten. Der größte Unterschied zu seiner Ministerzeit in Kiel sei, „dass das Ministerium hier eine andere Dimension hat“, sagt er. „Jede Entscheidung hat massive Auswirkungen.“

Hat sich Habeck also gar nicht verändert, wie manche meinen – sondern nur die Wahrnehmung seiner Person?

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Niederlage und Sieg

Die Folie, auf der Habeck unverändert betrachtet wird, ist seine frühe Existenz als Doktor der Philosophie und Schriftsteller. Daran ist er selbst nicht unschuldig. Habecks Wirkung rührt ja gerade daher, dass er in seinen Reden stets umarmend das große Ganze beschwört und in mäandernden Sätzen, die sich bisweilen im Nirgendwo verlieren, den grünen Überbau liefert, wie es kein anderer kann.

Diese Begabung, die wie jede Begabung auch eine Gefährdung bedeutet, lässt ihn zwei Jahre nach Parteieintritt zum Landesvorsitzenden in Kiel werden und begründet rasch einen weiter reichenden bundespolitischen Ruf. Der wiederum hievt Habeck im Januar 2018 in das Amt des Parteichefs, gemeinsam mit Annalena Baerbock, die, wie sie damals in Hannover kundtut, nicht einfach nur „die Frau an Roberts Seite“ sein will.

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Das Jahr 2021 bringt für Habeck Niederlage und Sieg zugleich. Im April muss er Baerbock zur Kanzlerkandidatin ausrufen. Statt hinter ihm zu bleiben, setzt sie zum Überholmanöver an. Der Geschlagene erleidet dabei sichtbare Schmerzen. Es ist von der „Frauenkarte“ die Rede, die Baerbock gespielt habe.

Habeck macht sein Missfallen in zwei längeren Interviews publik, verschwindet ansonsten aber weithin von der Bildfläche und macht, was die ganze Partei macht: Wahlkampf. Wie populär Habeck bleibt, kann man in seiner Heimatstadt Flensburg erleben. Dort flaniert er vor einer Kundgebung den Hafen entlang, zeigt Fremden die Stadt und trifft manchmal auf Freunde von früher.

Mein neues Büro ist ungefähr so groß wie meine erste WG.

Robert Habeck

Der Zeitpunkt, an dem Robert Habeck sich zurückmeldet, lässt sich genau datieren: Es ist der 27. September, der Tag nach der Bundestagswahl. Während die erschöpfte Kanzlerkandidatin ihr Ergebnis verdauen muss, das nicht wenige als Scheitern betrachten, antwortet der Mann in der Berliner Bundespressekonferenz auf die Frage danach, wer Vizekanzler werde: „Gehen Sie davon aus, dass wir komplett sortiert sind.“ Wenig später sickert durch, dass Habeck die Aufgabe übernehmen wird. Seitdem ist er wieder obenauf.

Nach außen ist es Habeck, der die Ampel schmiedet, zunächst mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der stets nur Habecks Namen erwähnt, nie den Baerbocks. Habeck ist es auch, der später mit Lindner und dem neuen Kanzler Olaf Scholz den Koalitionsvertrag präsentiert. Dabei setzt er auf Ausgleich und zitiert gar Aussagen Lindners, während dieser neben ihm sitzt.

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Umfrage: Wer profitiert am meisten von der Ampel?
 Bundespressekonferenz Mehr Fortschritt wagen - Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags Aktuell,07.12.2021,Berlin,Olaf Scholz der kuenftige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland SPD gemeinsam mit Robert Habeck kuenftiger Vizekanzler und Wirtschaftsminister Buendnis 90/ Die Gruenen, Christian Lindner Parteichef und kuenftiger Finanzminister FDP, mit dem Koalitionsvertrag bei der Bundespressekonferenz zum Thema Mehr Fortschritt wagen - Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags Berlin Berlin Deutschland *** Federal Press Conference More progress dare After the signing of the coalition agreement Current,07 12 2021,Berlin,Olaf Scholz the future Chancellor of the Federal Republic of Germany SPD together with Robert Habeck

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat eine Umfrage über die Gewinner und Verlierer der Ampelkoalition gestartet.

Nach innen tritt Habeck als Machtpolitiker in Erscheinung. Obwohl prominente Grünen-Frauen protestieren, bleibt es dabei: Er wird Vizekanzler. Das Wirtschaftsministerium baut er zu einer zweiten Regierungszentrale aus – so wie es Scholz in der letzten Legislaturperiode mit dem Finanzministerium gemacht hat.

Entsprechend holt Habeck die frühere Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk als Amtschefin und den Europa-Abgeordneten Sven Giegold aus Brüssel, Patrick Graichen von der Agora Energiewende und den schleswig-holsteinischen Finanzstaatssekretär Udo Philipp von der Küste. Auch die Parteisprecherin und Vertraute seit Kieler Zeiten, Nicola Kabel, geht mit. Bald löst der Minister zwei Drittel der Abteilungsleiter des eher konservativen Hauses ab.

Habecks Faible für einen lässigen Outdoor-Stil muss unterdessen zurücktreten. Er trägt das Hemd meist nicht mehr über der Hose. Und zur Vereidigung erscheint er mit Schlips und Kragen, während wenigstens ein anderer Prominenter den Schlips weglässt: Karl Lauterbach, der Gesundheitsminister.

Zum letzten Mal zeigt sich Habeck als Machtpolitiker bei der Vergabe der grünen Ministerposten. Während Baerbock sich auf ihre Rolle als kommende Außenministerin zurückzuziehen beginnt, ist er es, dem die Ausbootung des bisherigen Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter zugunsten des Ex-Parteichefs Cem Özdemir zugeschrieben wird.

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Der Bayer wird parteiintern mit der Erzählung zitiert, Habeck habe ihm das Amt des Tierschutzbeauftragten angeboten. Das käme einer Demütigung gleich. Dem widerspricht der Noch-Parteichef am Rande einer Fraktionssitzung. Es hätten sich Wege für Özdemir und Hofreiter finden lassen, sagt er – vorausgesetzt, die Partei hätte Kriterien wie Geschlechter- und Flügelparität weniger Bedeutung beigemessen.

Es geht jetzt darum, das Haus so aufzustellen, dass wir Politik aus einem Guss machen können – mit dem Ziel, dass Wachstum und Ressourcenschonung zusammengehen.

Robert Habeck

Dem pflichten andere bei. An der Version mit dem Tierschutzbeauftragten fehlten „ein paar entscheidende Dinge“, sagt ein Parteilinker – „zum Beispiel, dass einige Linke irgendwann gesagt haben, wir sind uns selbst wichtiger“. Eine andere Linke erinnert sich: „Bei (Joschka) Fischer und (Jürgen) Trittin ging es noch viel brutaler zu.“ Eine dritte betont, Habeck sei sehr wohl empathisch. Die ganze Geschichte tauge nicht zu einer Erzählung von Gut und Böse.

„Ich versuche immer, möglichst viele Leute einzubinden“, sagt der in Verdacht Geratene. „Aber Konflikte habe ich im Zweifel nie gescheut.“ Überhaupt verbreitet Habeck den Eindruck, er sei im Kern so wie früher – umgänglich, soll das heißen, und nahbar.

Druck und Gegendruck

So wie Habeck Druck macht, hat er selbst welchen. Auf der einen Seite hat es der neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz mit einer Wirtschaft zu tun, die sich in Jahrzehnten an Amtsinhaber von Union und FDP gewöhnt hat. Da passt Habeck schon vom Habitus her nicht ins Bild. Dem hat er bei seiner Antrittsrede zu begegnen versucht, unter anderem mit der Behauptung, das Ministerium sei stets auf der Höhe der Zeit gewesen. Das fanden nicht alle glaubhaft.

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Auf der anderen Seite drängen Fridays for Future oder militantere Gruppen. „Herr Habeck wird liefern müssen“, mahnt die Aktivistin Luisa Neubauer. Das klingt insbesondere deshalb nicht sehr freundlich, weil Frau Neubauer Mitglied der Grünen ist. Als Mann der interpretationsfähigen Sätze wird Habeck nun vier Jahre lang an Zahlen gemessen, die keine Interpretation zulassen – am 2025 tatsächlich erreichten Anteil der Erneuerbaren Energien, am tatsächlichen Datum des Kohleausstiegs, an den tatsächlichen CO2-Emissionen.

„Es geht jetzt darum, das Haus so aufzustellen, dass wir Politik aus einem Guss machen können – mit dem Ziel, dass Wachstum und Ressourcenschonung zusammengehen“, sagt der neue Minister, der seine Jacke über den Bürostuhl gehängt hat. Und dann sagt er noch, dass man die Wirtschaft erklären und die Gesellschaft mitnehmen müsse.

Robert Habeck, der statt Vizekanzler lieber Kanzler geworden wäre, weiß genau: Seine Mission kann gelingen, sie muss aber nicht. Alle anderen wissen das auch.

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