RND-Briefing: Corona, wir müssen reden!
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Marco Fenske, Chefredakteur des RND.
© Quelle: RND
Liebe Leserinnen und Leser,
es sei noch nicht der Zeitpunkt gekommen, um über Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen zu sprechen, sagt Angela Merkel.
Moment mal.
Der Zeitpunkt, Lockerungen umzusetzen, das wird die Bundeskanzlerin gemeint haben, mag noch nicht gekommen sein, ja. Der Bevölkerung Auskunft erteilen über die weiteren Pläne, Maßnahmen und Szenarien, also sprechen, sollte Merkel indes schon.
Die Realität wird bald Antworten liefern auf essenzielle Fragen: Wie lange ist es für unsere Gesellschaft zumutbar, derlei Grundrechtseinschränkungen in Kauf zu nehmen, zumal sie teilweise verfassungswidrig sind? Wie lange sind die Menschen bereit, sich an Kontaktverbote zu halten, vor allem wenn sie dadurch in existenzielle Not gelangen? Die Vernunft spricht leise, deshalb wird sie oft anfangs nicht gehört …
Wie groß der wirtschaftliche Schaden sein wird, den die deutsche Auslegung von “flatten the curve” (die Kurve flacher machen), also dem Herunterfahren des öffentlichen Lebens, nach sich zieht, ist aktuell nur zu erahnen. Er wird gewaltig sein.
Ansprache der Bundeskanzlerin in voller Länge
“Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst”, sagte Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache zum Coronavirus.
© Quelle: ARD
“Flatten the curve” ist der Versuch, so wissen es inzwischen die 82 Millionen Hobbyvirologen (Pardon: Bürger) in diesem Land, unser Gesundheitssystem mit seinen 28.000 Intensivstationsbetten vor dem Zusammenbruch zu bewahren, indem die Ausbreitung des Virus verlangsamt wird.
Es soll diejenigen vor Corona retten, die alt oder krank sind – oder beides. Die Frage verbietet sich gänzlich, ob das richtig ist. Menschenleben sind keine Waren, die man gegen Wirtschaftskraft aufwiegen kann. Es geht jedoch um das Wie (Südkorea hat es zum Beispiel geschafft, die Virusverbreitung zu verlangsamen, ohne drakonische Maßnahmen zu ergreifen) und damit dann doch (ist das nicht pervers?) um Relation. Um die ganzheitliche Betrachtung.
An dieser Stelle wünscht man sich eine ehrlichere Debattenkultur.
Experten und Politiker lavieren gleichermaßen um die Frage herum, die über allem steht: Wann der Zeitpunkt ist, Ausgangsbeschränkungen zu lockern und das sich im Remote-Modus befindende Land wieder hochzufahren, um einen Wirtschaftskollaps zu vermeiden.
Merkels konsequenter Neun-Punkte-Plan vom vergangenen Sonntag, der “eine Geltungsdauer von mindestens zwei Wochen haben soll”, war angesichts stumpfsinniger Corona-Partys, ignoranter Spielplatzbesucher und naiver Kleinredner und Verschwörungstheoretiker (“Corona ist eine bewusste Täuschung des Systems”) richtig und wichtig; diesen zweiwöchigen Charakter- und Stresstest, so zumindest das Halbzeitfazit, scheint Deutschland zu bestehen.
Alle sind gut beraten, das Land und seine Bewohner nicht länger als unbedingt nötig auf die Probe zu stellen.
Kommen Sie gut und gesund durch diese Zeit!
Ihr Marco Fenske
Chefredakteur RedaktionsNetzwerk Deutschland
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