Regionalwahlen in Madrid: Polittheater mit Gewehrkugeln und blutigem Messer

Dieses Foto, das von der Partei «Unidas Podemos» veröffentlicht wurde, zeigt vier Kugeln, die in einem an den Führer der Partei, Pablo Iglesias, adressierten Umschlag im Hauptquartier des Innenministeriums in Madrid eintrafen.

Dieses Foto, das von der Partei «Unidas Podemos» veröffentlicht wurde, zeigt vier Kugeln, die in einem an den Führer der Partei, Pablo Iglesias, adressierten Umschlag im Hauptquartier des Innenministeriums in Madrid eintrafen.

Madrid. „Diesen Dingen muss man die Bedeutung geben, die sie verdienen“, sagte Isabel Díaz Ayuso am Dienstagabend: „keine.“ Die Madrider Regionalpräsidentin ist die bisher letzte spanische Politikerin, für die ein Briefumschlag mit Patronen gedacht war, der aber in ihrem Fall rechtzeitig in einem Verteilzentrum der Post entdeckt wurde.

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Ein paar Tage vorher waren im spanischen Innenministerium drei weitere Morddrohungen mit beigelegter Munition eingegangen, adressiert an den Innenminister, die Direktorin der Guardia Civil und an den Chef der Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias.

Schließlich bekam noch die Tourismusministerin ein blutiges Messer zugeschickt. In diesen Fällen hatten die Kontrollen der Post versagt.

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Wahrscheinlich hätten die Spanier in gewöhnlichen Zeiten von den Drohbriefen kaum Notiz genommen. Morddrohungen an Politiker sind in demokratischen Staaten trauriger Alltag, und zum Glück ist solchen Drohungen in Spanien seit dem Ende der baskischen ETA nie mehr die Tat gefolgt.

Nun ist aber Wahlkampf: Madrider Regionalwahlkampf, mehr nicht, der aber geführt wird, als ginge es um das Schicksal Spaniens. Und im Wahlkampf ist jede Munition recht.

Morddrohung und vier Patronen

Pablo Iglesias, der bis vor kurzem noch Spaniens stellvertretender Ministerpräsident war und jetzt in Madrid als Spitzenkandidat für seine Partei Unidas Podemos antritt, machte die Morddrohungen an ihn, seine Frau und seine Eltern zur Twitter-Nachricht und schrieb dazu, diese seien „eine weitere Konsequenz der Normalisierung und der Schönfärberei des Hassdiskurses der Ultrarechten“.

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Das kann sein, kann aber auch anders sein: Die Polizei fahndet noch nach den Absendern der Drohbriefe mit beigelegter Munition. Im Falle des blutigen Messers hatten es die Ermittler einfacher: Auf dem Brief an die Tourismusministerin standen Name und Adresse des Täters, eines polizeibekannten Schizophrenen.

Iglesias hatte mit seinem Tweet jedenfalls die Richtung der weiteren Diskussion vorgegeben. Während einer Wahlkampfdebatte im Radio am vergangenen Freitag forderte die Moderatorin die anwesenden Spitzenkandidaten auf, zu den Morddrohungen Stellung zu nehmen.

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Kontroverse Meinungen unter den Spitzenkandidaten

Die Kandidatin der Rechtsaußenpartei Vox, Rocío Monasterio, verurteilte „alle Gewalt“, stellte aber die Wahrhaftigkeit der konkreten Drohungen in Frage. Worauf aus dem Radio ein kurzes Wortgefecht mit dem intellektuellen Niveau einer Schulhofprügelei drang.

Iglesias verließ das Studio, und eine Stunde später taten es ihm der Kandidat der Sozialisten und die Kandidatin der linksalternativen Liste Más Madrid nach. Die Radiodebatte war damit zu Ende, und die nationale Debatte begann.

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Gefahr des Faschismus oder Überreaktion?

Wer den linken Parteien zuhört, bekommt den Eindruck, als hätten Vox oder ihre Spitzenkandidatin persönlich die Patronen an Iglesias und die anderen Empfänger verschickt. Selbst der bis vor kurzem stets gemäßigte Madrider Sozialistenchef Ángel Gabilondo spricht plötzlich von der Gefahr des „Faschismus“.

Die rechten Parteien sehen darin eine „Überreaktion“, die unter anderem davon ablenken soll, dass Iglesias und Podemos ein gespaltenes Verhältnis zur Gewalt haben. Als Vox Anfang April einen Wahlkampfauftritt im Madrider Arbeiterviertel Vallecas veranstaltete, warfen Demonstranten Pflastersteine auf die Polizei, was eine Podemos-Ministerin mit einem „Danke“ für das „Nein zum Faschismus“ quittierte.

Die Profiteurin dieses Polittheaters dürfte die konservative Ministerpräsidentin Ayuso sein. Sie ist die gewiefteste Populistin von allen. Sie weiß sogar, wann der richtige Moment gekommen ist, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen.

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