Faesers Aktionsplan: zehn Schritte gegen den Rechtsextremismus
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
© Quelle: Getty Images
Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte am Dienstag gemeinsam mit den Chefs des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), des Bundeskriminalamts (BKA) und der Bundeszentrale für Politische Bildung ihren lange angekündigten Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vor.
Der Aktionsplan, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) als Entwurf vom Montag vorab vorlag, umfasst zehn Punkte, die die Ministerin im Kampf gegen den Rechtsextremismus verstärkt in den Blick nehmen will. Rechtsextremismus müsse ganzheitlich bekämpft werden, heißt es in der Einleitung des Papiers – „mit Prävention und harter Hand“. Mit dem Aktionsplan setze das Ministerium erste wichtige Schwerpunkte im Kampf gegen Rechtsextremismus in der neuen Legislaturperiode und werde „ein effektives Bündel kurzfristig wirksamer repressiver und präventiver Maßnahmen umsetzen“.
Die Vorhaben im Überblick:
1. „Rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“
„Wir wollen rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen“, heißt es im Aktionsplan. Dazu müssten diese schneller und besser identifiziert und ihre Strukturen wirkungsvoll bekämpft werden. Ein besonderes Augenmerk legt das Ministerium auf die Finanzierung rechtsextremer Aktivitäten und verspricht, deren Finanzaktivitäten auszutrocknen. Eine wichtige Rolle solle dabei dem Inlandsnachrichtendienst zukommen: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird daher die Aufklärung und Analyse rechtsextremistischer Finanzaktivitäten deutlich ausweiten. Ziel ist es insbesondere, wesentliche Netzwerke, Akteure und Geschäftsfelder zu identifizieren und zu bekämpfen.“
2. „Rechtsextremisten konsequent entwaffnen“
Rund 1500 nachrichtendienstlich als mutmaßliche Rechtsextremisten gespeicherte Personen verfügten über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis, schreibt das Ministerium. Um das zu ändern, sollen demnach Verfahrensweisen erarbeitet werden, um besser zu verhindern, dass Rechtsextreme eine Waffenerlaubnis erhalten, oder bestehende Erlaubnisse zu entziehen. „Unter anderem werden wir ein Forum zum Austausch von Verfassungsschutz-, Waffen- und Polizeibehörden unter geeigneter Einbeziehung der Verwaltungsgerichte einrichten“, heißt es. Den Waffenbehörden sollen außerdem bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung „relevante Kenntnisse anderer Behörden“ zur Verfügung gestellt werden.
3. „Hetze im Internet ganzheitlich bekämpfen“
Der Fall Telegram habe gezeigt, „dass der Staat sich nicht allein auf die Provider verlassen darf, entsprechend der Gesetzeslage gegen strafbare Inhalte vorzugehen“, schreibt das Innenministerium. Die Polizei müsse das Recht auch im Internet konsequent durchsetzen und dafür entsprechend aufgestellt sein. „Wir werden die hierzu erforderlichen Strukturen weiter ausbauen, um die Strafverfolgung strafbarer Inhalte sowie die Löschersuchen gegenüber den sozialen Netzwerken zu verstärken“, verspricht das Faeser-Ministerium.
Eine besondere Rolle soll dabei dem BKA zukommen. Die Behörde soll „aufbauend auf der Taskforce Telegram gezielt die sozialen Netzwerke beobachten, um aktuelle Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.“ Das BKA soll außerdem zusammen mit den Ländern die Strafverfolgung ausbauen und intensivieren.
4. Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst entfernen
Es soll einfacher und schneller möglich werden, Verfassungsfeinde aus Beamtenverhältnissen zu entlassen. „Durch eine Änderung des Bundesdisziplinargesetzes wollen wir Disziplinarverfahren beschleunigen“, heißt es dazu. Auch die Bekämpfung von Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst durch die Verfassungsschutzämter soll intensiviert werden. Noch in diesem Monat soll der zweite Lagebericht „Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter in Sicherheitsbehörden“ vorgestellt werden. Dieser Lagebericht soll schrittweise auf den gesamten öffentlichen Dienst ausgeweitet werden.
5. „Verschwörungsideologien entkräften – Radikalisierung vorbeugen“
Um gegen eine Radikalisierung durch Verschwörungsideologien vorzugehen, soll auf Bundesebene „ein zentrales Beratungsangebot für Menschen geschaffen werden, die in ihrem persönlichen Umfeld eine Radikalisierung aufgrund eines wachsenden Verschwörungsglaubens beobachten beziehungsweise vermuten“, heißt es im Aktionsplan. Außerdem soll das Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes auf den Bereich von Verschwörungsideologien ausgeweitet werden. „Hier sollen diejenigen Hilfe erhalten, die sich aus dem Umfeld organisierter Verschwörungsanhänger etwa der Corona-Leugner lösen wollen und hierbei Unterstützung brauchen“, heißt es.
6. „Prävention gegen Extremismus – demokratische Streitkultur fördern“
Das Ministerium will das Programm „Miteinander reden“ der Bundeszentrale für Politische Bildung ausbauen. „Hierdurch sollen neue Gesprächsräume geschaffen, kontroverse Positionen und Meinungen zusammengebracht, aber auch Radikalisierungen und extremistische Tendenzen in der politischen Meinungsäußerung begegnet werden“, heißt es.
7. „Politische Bildung im Kampf gegen Rechtsextremismus stärken“
„Krisen wie die Corona-Pandemie sind der Nährboden für Verschwörungserzählungen, die einfache Erklärungen und ‚Sündenböcke‘ bieten“, schreibt das Bundesinnenministerium in seinem Aktionsplan. Deshalb solle die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure verstärkt unterstützt werden. „Mit einem neuen Förderschwerpunkt ‚Politische Bildung zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Verschwörungsideologien‘ fördern und qualifizieren wir dazu gezielt politische Bildungsträger“, heißt es.
8. „Medienkompetenz im Umgang mit Desinformation, Verschwörungsideologien und Radikalisierung stärken“
Das Ministerium warnt davor, dass die Digitalisierung und die sozialen Medien auch die Verbreitung von Desinformation und Verschwörungserzählungen erleichterten. Deshalb solle ein neues Förderprogramm zur Stärkung der digitalen Medienkompetenz eingerichtet werden.
9. „Schutz von Mandatsträgern“
„Amts- und Mandatsträger sind vermehrt Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Auch am Beispiel der aktuellen Corona-Pandemie tritt dies verstärkt in den Vordergrund“, heißt es. Die Zahl der erfassten politisch motivierten Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträger habe sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Es brauche „passgenaue Maßnahmen“, die mit den Betroffenen erarbeitet werden.
„Deswegen wird das Bundesministerium des Innern und für Heimat eine ‚Allianz zum Schutz kommunaler Mandatsträger‘ ins Leben rufen, der neben den Ländern auch kommunale Spitzenverbände, kommunalpolitisch Tätige sowie zuständige Behörden und zivilgesellschaftliche Organisationen angehören werden“, heißt es im Aktionsplan. Innerhalb eines Jahres soll diese Taskforce konkrete Vorschläge für einen verbesserten Schutz erarbeiten.
10. „Opfer von Rechtsextremismus nicht allein lassen“
Hinter jeder rechtsextremen Straftat stehe ein Schicksal, ein Mensch und seine Angehörigen, schreibt das Ministerium. „Ziel dieses Aktionsplans ist es, den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor rechtsextremistischen Taten zu erhöhen. Wo Bürgerinnen und Bürger dennoch zu Schaden kommen, setzt sich das Bundesministerium des Innern und für Heimat dafür ein, dass der Staat den Anliegen der Betroffenen einfühlsam und wohlwollend begegnet“, heißt es weiter.
Die Länder sollen dabei unterstützt werden, die besonderen Bedarfe von Betroffenen und Angehörigen besser berücksichtigen zu können. Das Bundeskriminalamt arbeite gemeinsam mit den Ländern an der Weiterentwicklung der strategischen Zusammenarbeit und dem Aufbau eines speziellen Netzwerkes zur Opferfürsorge. Gemeinsam mit den Ländern soll demnach auch die Vermittlung interkultureller Kompetenzen in der Polizeiausbildung gestärkt werden.
Nancy Faeser: Die erste Bundesinnenministerin
Nancy Faeser, eine der Öffentlichkeit bislang kaum bekannte SPD-Politikerin aus Hessen, soll als erste Frau an die Spitze des Bundesinnenministeriums treten.
© Quelle: afp
Lob aus der Opposition
Aus der Linksfraktion im Bundestag erntete Nancy Faeser am Dienstag Lob für ihre Vorhaben – verbunden mit scharfer Kritik an der Innen- und Sicherheitspolitik ihrer Amtsvorgänger. „Ich begrüße den mutigen Schritt der Innenministerin, mit dem Aktionsplan den Versuch zu unternehmen, die von rechten Seilschaften und Personen im Innenministerium und den Behörden, wie zum Beispiel Hans-Georg-Maaßen, seit Jahrzehnten gesteuerte Sicherheitspolitik in Deutschland auf neue Füße zu stellen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Renner, dem RND.
„Maßnahmen müssen jetzt aber auch schnell und konsequent umgesetzt werden“, forderte Renner. Die rechte Szene müsse entwaffnet und untergetauchte Neonazis müssten verhaftet werden. „Zudem ist erforderlich, dass die internationalen Geldströme verfolgt werden sowie der Handel mit Waffen unterbunden wird“, erklärte die Linken-Politikerin.