Rassismusproteste wirken: Der Wendepunkt ist eingeleitet

Polizisten in den USA rücken während einer Demonstration aus, um den Bereich einer Statue von Christopher Columbus, welche von ihrem Sockel gerissen worden ist, abzusichern.

Polizisten in den USA rücken während einer Demonstration aus, um den Bereich einer Statue von Christopher Columbus, welche von ihrem Sockel gerissen worden ist, abzusichern.

Was in den USA als Protestwelle gegen die Tötung des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis (Minnesota) begann, ist zu einer globalen Bewegung geworden. Hunderttausende wollen rassistische Strukturen aufbrechen. Doch dafür braucht es Druck durch die Bevölkerung und weltweite Aufmerksamkeit.

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Zwar wurden mittlerweile die vier Polizisten, die an der Tötung von George Floyd am 25. Mai beteiligt waren, verhaftet und angeklagt. Doch zu Beginn der Demonstrationen sah es nicht danach aus. Obwohl die Polizisten kurz nach der Tötung Floyds entlassen wurden, erließ die Staatsanwaltschaft erst vier Tage später einen Haftbefehl für Polizist Derek Chauvin. Er drückte sein Knie für acht Minuten und 46 Sekunden auf den Hals von Floyd. Es dauerte fünf weitere Tage, bis auch die drei anderen Polizisten angeklagt wurden. Mittlerweile ist in den USA eine Debatte über die Reformierung der Polizei entbrannt: Bekannte Politikerinnen und Politiker der Demokratischen Partei möchten das polizeiliche System neu denken, darunter US-Senatorin für Kalifornien Kamala Harris (55) und sogar der zentrische Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden (77). Auch aufseiten der Republikanischen Partei wird ein Gesetzesentwurf für eine Polizeireform ausgearbeitet.

Machen wir uns nichts vor: Es war nicht die Gutmütigkeit der Bezirks- und Generalstaatsanwälte, die für die Verhaftung und Anklage der Polizisten sorgte. Es waren die anhaltenden Proteste, die Druck auf den Gouverneur von Minnesota, die Staatsanwälte und das Polizeisystem ausübte. Es war der globale Blick auf die USA und die Demonstrationen in Minneapolis, die die Staatsanwälte dazu zwang, alle Männer anzuklagen.

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Philonise Floyds Rede vor dem Kongressausschuss

Philonise, ein Bruder von George Floyd, appellierte an Abgeordnete des Repräsentantenhauses für mehr systemische Veränderungen.

Entfernung rassistischer Statuen

Die “Black Lives Matter”-Proteste nehmen sich mittlerweile sogar rassistischer Bauten an: Skulpturen von historischen Figuren mit rassistischer Vergangenheit wurden auf Druck der Demonstranten entfernt. Der Bürgermeister von Philadelphia, der größten Stadt Pennsylvanias, ließ die Statue des Politikers und Polizeikommissars, Frank Rizzo, wegschaffen. Schon in den 1960er Jahren galt Rizzo als Symbol rassistischer Überwachung und Polizeigewalt. Während der aktuellen Proteste war Rizzos Statue Anziehungspunkt für Demonstranten, welche sie beschmierten und runter reißen wollten. Philadelphia nahm die Proteste als Anlass, die seit Jahren umstrittene Skulptur zu entfernen. Viele weitere Bundesstaaten, darunter zum Beispiel Alabama und Virginia, haben ähnliche Statuen in ihren Städten entfernt.

Veränderungen auch online spürbar

Doch nicht nur auf den Straßen sind die Erfolge von “Black Lives Matter” sichtbar. Auch im Netz sind Veränderungen spürbar. Schaut man in die Feeds auf Instagram oder Twitter, sieht man viele Unternehmen, die langfristige Veränderungen versprechen. So zum Beispiel die Social-Media-Plattform Reddit. Das Unternehmen solidarisierte sich mit den Protesten – und bekam prompt einen Shitstorm. Auch weil Reddit laut Kritikern nicht genug gegen Hass auf der Plattform macht und Rassismus online billigt.

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Kurz danach kündigte der Firmenchef Steve Huffmann (36) an, die Regeln bezüglich Hassrede zu ändern. Sogar der Mitgründer von Reddit, Alexis Ohanien (37), trat unter der Auflage zurück, dass ein Schwarzer seinen Posten im Verwaltungsrat einnimmt. Reddit ist nicht das einzige Unternehmen, das sich wegen Protesten in sozialen Medien mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen muss. Unter anderem wird gerade der Sportwarenmarke Adidas und dem Verlag Condé Nast von (Ex-)Mitarbeitern eine rassistische Arbeitskultur vorgeworfen. Adidas reagierte nun mit dem Versprechen, zukünftig 30 % aller neuen Stellen in den USA mit Schwarzen oder Menschen lateinamerikanischer Abstammung besetzen zu wollen.

Am Anfang der Debatte

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir am Anfang diese globalen Bewegung stehen: People of Color auf der ganzen Welt fühlen sich jetzt gestärkt, ihrer aufgestauten Wut Luft zu machen. Dieser historische Wendepunkt ist auch in Deutschland spürbar: Schwarze Deutsche teilen ihre Erfahrungen mit Rassismus, Talkshows werden wegen mangelnder Diversität stark kritisiert – und wir sprechen über Rassismus in der deutschen Polizei.

Es gab eine Zeit vor George Floyds Tötung – es gibt eine Zeit danach. Wie diese aussehen wird, ist unklar. Doch wenn die Proteste tatsächlich anhalten werden, ist eines sicher: Zurück geht die Gesellschaft in keinem Fall. Zu groß sind bereits jetzt die Erfolge der letzten Tage, die von Demonstranten hart erkämpft wurden.


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