Vom Angriff zur Geschäftsidee

Raketenschutz für 100.000 Dollar: Ukrainisches Start-up baut Luxusbunker für den Garten

Bunker des Start-ups Schov aus der Ukraine.

Bunker des Start-ups Schov aus der Ukraine.

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Charkiw. Warum die Idee der Start-up-Unternehmer Erfolgspotenzial haben könnte, lässt sich gegenüber der Fabrikhalle in der ostukrainischen Stadt Charkiw erahnen: Dort, in einem alten Straßenbahndepot, ist im Sommer eine russische Rakete eingeschlagen, vom Dach ist nur noch ein verkohltes Gerippe übrig.

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Schov (auf Deutsch in etwa: Schutzraum) heißt das Unternehmen, das drei junge Ukrainer ins Leben gerufen haben. Ihr Geschäftsmodell: schlüsselfertige Luxusbunker, die im Garten des Eigenheims metertief in die Erde gelassen werden – und in denen Kundinnen und Kunden nach Firmenangaben bis zu einem Monat lang völlig autonom von der Außenwelt leben können.

Bunker des Start-ups: wie eine Luxuswohnung im Miniformat

Neben den drei Gründern arbeiten zehn Menschen für Schov. In der Fabrikhalle in Charkiw bauen die Mitarbeitenden gerade den Prototyp für den Luxusbunker, der auf den ersten Blick an einen Schiffscontainer erinnert, aber deutlich mehr Volumen bietet. Rund 15 Quadratmeter Wohnfläche soll der Schutzraum haben: Jeweils knapp fünf Quadratmeter Schlafzimmer und Wohnküche, gut zwei für das Bad, knapp drei für den Flur mit seinen Schränken. Zusätzlich ist ein Technikraum vorgesehen. Unterhalb der Wohnfläche ist Stauraum, um Lebensmittel und Wasser zu lagern.

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Eine Wohnung im Miniformat.

Eine Wohnung im Miniformat.

Auf den Hochglanzprospekten wirkt der Bunker wie eine Luxuswohnung im Miniformat. Im Schlafzimmer sind auf den am Computer entworfenen PR-Bildern zwei Stockbetten und ein Einzelbett vorgesehen, auf Letzterem thront pittoresk ein Teddybär. Auf der schwarzen Tafel unter dem Fernseher in der Wohnküche sind auf einer kindlich wirkenden Kreidezeichnung Mutter, Vater, Tochter unter Sonne und Wolken abgebildet. Die Küche, in der schemenhaft eine Frau und ein Kind zu erkennen sind, ist nicht nur mit den üblichen Geräten ausgestattet: Inbegriffen ist auch ein Weinklimaschrank. Das Bad könnte in einer größeren Variante auch einem Nobelhotel entstammen.

Bunker sollen in ausgebaggertem Loch im Garten versenkt werden

Olexandr Tschirwa (33) sagt, er und seine beiden Kompagnons seien nach Kriegsausbruch in Charkiw geblieben. „Ich wohne in einem Haus und habe gemerkt, dass der Keller nicht die beste Option ist bei Luftangriffen.“ Wenn das Eigenheim einstürze, sei man unter den Trümmern gefangen. Das Schov-Konzept sieht vor, dass der vorgefertigte Bunker in einem ausgebaggerten Loch im Garten versenkt wird. Mitgründer Olexi Suslin (33) sagt, bei einer Tiefe von acht Metern seien die Bunker – zu dem ein Treppenschacht von der Oberfläche hinunterführt – auch vor Raketentreffern sicher. Für einen potenziellen Atomkrieg könnten die Bunker mit entsprechenden Luftfiltern aufgerüstet werden.

Der Preis des Bunkers hängt von der Ausstattung ab, auch weniger komfortable Varianten sind künftig geplant. Der Einbau in den Garten wird umso teurer, je tiefer die Konstruktion in der Erde versenkt werden soll. Dann ist da die Frage, wie lange Kundinnen und Kunden unabhängig von der Außenwelt bleiben können wollen – je länger, desto kostspieliger. Suslin sagt, die teuerste Variante des Bunkers werde auf rund 100.000 Dollar (knapp 95.000 Euro) hinauslaufen, Einbau inklusive.

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Olexandr Kamischin, a Ukrainian railway executive who is the CEO of state-owned Ukrainian Railways, photographed  at the Kyiv Central Railway Station.

Dieser Mann sorgt dafür, dass die Bahn in der Ukraine selbst im Krieg pünktlich ist

Er brachte US-Präsident Biden mit dem Sonderzug nach Kiew: Olexandr Kamischin ist Chef der ukrainischen Eisenbahn, deren Züge sogar unter Beschuss fahren und dabei verblüffend verlässlich sind. Kamischin meint, ein Krieg sei schließlich keine Entschuldigung für schlechten Service.

Vorbestellungen gebe es noch nicht, sagt Suslin, Interessierte aber durchaus – nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Polen. Der Unternehmer glaubt, dass das Start-up künftig mindestens zehn Bunker pro Jahr werde verkaufen können, potenziell ein Vielfaches davon. Außerhalb von Krieg könne der Schutzraum zum Beispiel als Proberaum oder Gästezimmer genutzt werden.

Während Suslin spricht, schneidet ein Arbeiter in der Fabrikhalle in Charkiw Stahl, in hohem Bogen fliegen Funken. Einer seiner Kollegen presst Isolationsplatten in das Gerippe des ersten Luxusbunkers. Von der Fertigungshalle ist die russische Grenze 35 Kilometer entfernt. In der Nacht und dem Morgen vor dem Treffen ist in Charkiw viermal Luftalarm ausgelöst worden.

Olexandr Tschirwa (33), ein Manager des Start-ups Schov, das Luxusbunker bauen will.

Olexandr Tschirwa (33), ein Manager des Start-ups Schov, das Luxusbunker bauen will.

„Krieg ist schlecht fürs Geschäft. Krieg ist aber auch eine Möglichkeit für neue Ideen.“

Tschirwa und Suslin sind gemeinsam zur Schule gegangen. Der Dritte im Bunde ist Timur Faisulajew (35). Alle drei sind im Stahlgeschäft in Charkiw tätig. Suslin sagt, sein eigentliches Unternehmen habe vor der Invasion fünf- bis sechsmal mehr Aufträge gehabt als jetzt und entsprechend Personal abgebaut. „Krieg ist schlecht fürs Geschäft. Krieg ist aber auch eine Möglichkeit für neue Ideen.“ Zum Beispiel jene für das Bunker-Start-up. „Bei der früheren Auftragslage wären wir nie in der Lage gewesen, so ein Nebenprojekt zu beginnen.“

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Als Profiteure des aktuellen Krieges wollen sich die Geschäftsleute nicht verstanden wissen. Suslin meint, ein derart teurer Luxusbunker sei für ukrainische Kundinnen und Kunden eine Investition in die Zukunft, nicht eine spontane Kaufentscheidung in einer akuten Bedrohungslage. Deswegen wäre es besser für das Start-up, würde der Krieg bald enden. Tschirwa sagt: „Wenn der Krieg zu Ende geht, ist Russland immer noch auf diesem Kontinent. So ein Angriff kann sich jederzeit wiederholen.“

Mitarbeit: Yurii Shyvala

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