Historischer Prozess gegen mutmaßliche Schergen Assads in Koblenz
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Auf diesem Foto, das am 09.12.2019 von der syrischen offiziellen Nachrichtenagentur SANA veröffentlicht wurde, spricht der syrische Präsident Baschar al-Assad, in einem Interview mit der italienischen Journalistin Maggioni. Die beiden nun in Koblenz vor Gericht stehenden Männer sollen für Assad gefoltert haben.
© Quelle: SANA/dpa
Koblenz/Berlin. Der weltweit erste Prozess zu Staatsfolter in Syrien hat am Donnerstag in Koblenz mit der Verlesung der Anklageschrift begonnen. Verantworten müssen sich zwei mutmaßliche Ex-Geheimdienstfunktionäre der Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Menschenrechtsorganisationen wie die Berliner Organisation ECCHR und Amnesty International würdigten den Prozessauftakt als Meilenstein für die Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Diesen Freitag sollen erste Zeugen vernommen werden, wie eine Gerichtssprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Das Oberlandesgericht Koblenz hat bislang 23 Prozesstage bis zum 13. August angesetzt.
Anwar R. und Eyad A. werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Sie sollen für die Folter zahlreicher Menschen in einer Haftanstalt des Geheimdienstes mitverantwortlich gewesen sein. Anwar R. wird als Mittäter beschuldigt. Im Zusammenhang damit wird ihm laut Anklage Mord in 58 Fällen, Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung zur Last gelegt. Er leitete den Angaben zufolge eine Ermittlungseinheit mit angeschlossenem Gefängnis des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes.
Folterung von mindestens 30 Menschen ermöglicht
Gegen Eyad A. besteht der Bundesanwaltschaft zufolge ein Tatverdacht der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er sei in einer Unterabteilung beschäftigt gewesen, die der Ermittlungsarbeit von Anwar R. zuarbeitete. Dabei habe er im Herbst 2011 die Folterung von mindestens 30 Menschen ermöglicht.
Die beiden Beschuldigten verließen Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren und kamen 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen. Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden, ganz gleich, wo die Taten verübt wurden. In Deutschland ist dies durch das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 geregelt.
Signalwirkung von Prozess erhofft
Von dem Prozess erhoffen sich Opfer und Menschenrechtler eine Signalwirkung. Das Verfahren könne helfen, den Weg für internationale Verfahren und letztlich zur Strafverfolgung der Spitze des syrischen Regimes zu ebnen, erklärte die Berliner Organisation ECCHR. Amnesty International sprach von „einem Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverletzungen in Syrien“.
Es dürfe keinen sicheren Hafen für Kriegsverbrecher und Völkermörder, keine Straflosigkeit geben, betonte die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen, „denn Straflosigkeit ermutigt zu neuen Taten“. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien dauerten an, erklärte auch die Kampagne „#SyriaNotSafe“ der Organisation „Adopt a Revolution“. Sie forderte die deutschen Innenminister auf, den Abschiebestopp nach Syrien nicht aufzuweichen.
Kriegsverbrecher finden in Deutschland keinen Unterschlupf
Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn
Der Deutsche Richterbund würdigte den Prozess als „ein wichtiges Signal für den konsequenten Schutz der Menschenrechte durch die deutsche Justiz“. Die Bundesanwaltschaft führe derzeit mehr als 100 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen das Völkerrecht, die unter anderem in Syrien, Irak, Libyen, Afghanistan, Mali, Nigeria, Gambia, Elfenbeinkünste und Kongo begangen worden seien, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn am Donnerstag in Berlin. „Kriegsverbrecher finden in Deutschland keinen Unterschlupf“, erklärte er. In den vergangenen Jahren habe es eine zweistellige Zahl von Verurteilungen nach dem Völkerstrafrecht in Deutschland gegeben.
RND/dpa