Proteste im Iran nach Flugzeugabschuss: “Das Volk wurde belogen”
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Mohammed Dschawad Sarif, Außenminister des Iran, spricht während einer Konferenz zur internationalen Politik verschiedener Länder. Zarif befindet sich zu einem dreitägigen Besuch in Indien.
© Quelle: Manish Swarup/AP/dpa
Neu Delhi/Teheran. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat die jüngst in seiner Heimat ausgebrochenen Proteste mit Lügen gegenüber dem Volk begründet. Die Menschen seien über die Ursache des Absturzes der ukrainischen Passagierflugzeugs belogen worden und deshalb sei es zu den Demonstrationen gekommen, sagte er jetzt in Indien.
Bei einer Konferenz in Neu Delhi hat Sarif den USA vorgeworfen, für den irrtümlichen Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran mitverantwortlich zu sein. "Warum ist es passiert? Weil es eine Krise gab. Menschen machen Fehler – unverzeihliche Fehler – aber es passierte in Krisenzeiten", sagte Irans Außenminister. Der iranische Chefdiplomat warf den USA vor, mit Ignoranz und Arroganz Chaos in der Region zu schüren. Den USA gehe es nur um ihre eigenen Interessen im Nahen Osten und ihre eigene Sichtweise.
Vor einer Woche hatten iranische Sicherheitskräfte die Maschine nach deren Start in Teheran abgeschossen, alle 176 Menschen an Bord wurden getötet. Erst drei Tage später räumte die iranische Führung den versehentlichen Abschuss durch die Revolutionsgarde ein. Sarifs Kommentar ist der erste offizielle, in dem ein technischer Defekt als angebliche Absturzursache als Lüge bezeichnet wurde.
Festnahmen nach Flugzeugabschuss
"In den vergangenen paar Tagen hatten wir Menschen auf den Straßen von Teheran, die gegen den Fakt demonstriert haben, dass sie einige Tage angelogen worden sind." Das iranische Militär sei "mutig genug" gewesen, seine Verantwortung früh erklärt zu haben. Er und Präsident Ruhani hätten aber erst am vergangenen Freitag erfahren, dass eine Rakete das Flugzeug abgeschossen habe.
Solche Aussagen werfen die Frage auf, wie viel Kontrolle die Regierung in der schiitischen Theokratie hat. Die iranische Revolutionsgarde wusste von Beginn an, dass sie das Flugzeug abschoss – und ist lediglich dem Obersten Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, gegenüber rechenschaftspflichtig.
Am Dienstag hatte der Iran Festnahmen im Zusammenhang mit dem Abschuss verkündet. Unter anderem gingen am Wochenende in Teheran und anderswo Demonstranten auf die Straßen, um gegen die tagelangen Falschinformationen zu protestieren. Auf Videos war zu sehen, wie Einsatzkräfte teils Tränengas auf die Demonstranten feuerten.
So funktioniert die Urananreicherung
Der weitere Rückzug des Iran aus dem internationalen Atomabkommen schreckt die internationale Gemeinschaft auf.
© Quelle: Afp
Atomabkommen mit Iran vor dem Aus
In Teheran drohte Präsident Ruhani indes den europäischen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens. Europäische Soldaten im Nahen Osten "könnten in Gefahr sein", warnte er am Mittwoch während einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung. Das war das erste Mal, dass Ruhani Europa inmitten der Spannungen mit den USA droht, die sich einseitig aus dem Atomabkommen zurückgezogen haben.
Deutschland, Großbritannien und Frankreich hatten am Dienstag den sogenannten Streitschlichtungsmechanismus des Vertrags ausgelöst. Damit erklärten sie, der Iran verletze zentrale Auflagen, während sie selbst sich stets an den Atompakt gehalten hätten.
Das 2015 geschlossene Abkommen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran hat zum Ziel, dass die Islamische Republik keine Atombomben bauen kann. Im Gegenzug sollen Sanktionen aufgehoben werden. Die USA haben sich aber 2018 aus dem Vertrag zurückgezogen und neue Sanktionen verhängt. Der Iran hat daraufhin einzelne Vertragsklauseln ausgesetzt, den Vertrag aber nicht gekündigt.
RND/AP/dpa