Pressestimmen zur Organspende: „Chance vergeben“

„Es liegt in der menschlichen Natur, eher nicht über den eigenen Tod nachdenken zu wollen. Deshalb muss die Politik das übernehmen“, kommentiert der „Standard“.

„Es liegt in der menschlichen Natur, eher nicht über den eigenen Tod nachdenken zu wollen. Deshalb muss die Politik das übernehmen“, kommentiert der „Standard“.

Berlin. Wer beschäftigt sich gerne mit seinem eigenen Tod? Wohl kaum jemand. Die Entscheidung des Bundestages die Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abzulehnen, stößt auf ein geteiltes Medienecho. Stattdessen wird es eine Reform geben, die am bisherigen Prozess nur moderate Veränderungen vornimmt. Die Sinnhaftigkeit dieses Beschlusses steht nun zur Debatte. Eines steht dabei aber außer Frage: Deutschland braucht mehr Organspender.

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„Süddeutsche Zeitung“: „Das ist eine vernünftige Entscheidung, die weit über das Feld der Organspende hinaus strahlt: Der Körper eines Menschen, auch eines Menschen mit abgestorbenem Gehirn, ist immer noch der Körper eines Menschen (...) Auch für etwas so Hilfreiches wie eine Organspende müssen höchste ethische Maßstäbe gelten. Mehr noch: Gerade für etwas so Selbstloses wie eine Organspende müssen höchste ethische Maßstäbe gelten.“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Die Abgeordneten haben es sich am Donnerstag zum Glück nicht leicht gemacht. Sie haben sogar mit deutlicher Mehrheit gegen die Widerspruchsregelung entschieden und damit Haltung bewiesen; sie haben das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen gegen die Versuchungen des Pragmatismus verteidigt (...) Nicht die gesetzliche Regelung von Zustimmung und Ablehnung ist es, die andernorts zu mehr Organentnahmen führt. Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern geben den Ausschlag. Um einen möglichen Organspender zu erkennen, braucht es Ärzte, die sich die Zeit für eine umfassende Diagnostik nehmen können.“

„Der Standard“: „Es liegt in der menschlichen Natur, eher nicht über den eigenen Tod nachdenken zu wollen. Deshalb muss die Politik das übernehmen. In Österreich hat Bruno Kreisky (österreichischer Kanzler von 1970 bis 1983, Anm.) Anfang der 1980er-Jahre die Weichen gestellt und mit seiner Weitsicht die Grundlagen für einen Medizinzweig geschaffen, der abertausenden Menschen das Leben gerettet hat. Schade, dass der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn nun mit einem ähnlichen Vorschlag gescheitert ist (...) Die deutsche Organknappheit hat schon in der Vergangenheit zur unappetitlichen Diskussion über Zuteilungen geführt. Die Hauptleidtragenden sind die zahllosen Kranken auf den Wartelisten. Es wäre eine Aufgabe der deutschen Politik gewesen, sich vor diese schwächsten Glieder der Gesellschaft zu stellen. Diese historische Chance wurde vergeben.“

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„Tagesschau“: „Der Bundestag hat die Chance verpasst, dafür zu sorgen, dass alle sich mit diesem unangenehmen Thema beschäftigen müssen, damit in Deutschland in Zukunft weniger Menschen vergeblich auf ein Spenderorgan warten (...) Die Widerspruchsregelung wäre keine Pflicht gewesen, Organe zu spenden, aber eine Verpflichtung sich einmal im Leben mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das kann man in einer Solidargemeinschaft von jedem oder jeder erwarten. Ein Zettel im Portemonnaie oder ein Gespräch mit den Angehörigen hätte gereicht, um zu widersprechen. Ohne Begründung.“

Bundestag lehnt Widerspruchslösung für Organspenden ab

Jens Spahn scheitert mit seiner „doppelten Widerspruchslösung“ im Bundestag.

„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Dass die AfD-Fraktion dagegen stimmte, war zu erwarten. Für ihre Abgeordneten wäre der Widerspruchszwang ein nicht zu rechtfertigender staatlicher Eingriff in die Freiheit auf Selbstbestimmung. Die Fraktionen von FDP, Union, SPD und Linkspartei taten sich schwer. Für viele wiegt das Recht auf Leben derjenigen, die ohne Spenderorgane zum Tode verurteilt sind, mehr als das Recht, die persönliche Freiheit durch Schweigen behaupten zu dürfen. Entlarvend ist die quasi geschlossene Absage von den Grünen: Zum Schutz von Natur und Umwelt ist die Ökopartei gern bereit, der individuellen Freiheit Grenzen zu setzen. Hinter dem kollektiven Abstimmungsverhalten steckte offenkundig der Wunsch, den Alternativvorschlag von Parteichefin Baerbock durchzusetzen.“

„Stuttgarter Nachrichten“: „Die beschlossene Lösung mag für den Moment eine kleinere Zahl an Spendern generieren, gleichwohl ist sie der richtige Weg. Jeder Mensch wird mehrfach angestupst, sich Gedanken über das Thema zu machen, niemand wird zu etwas auserkoren, was er nicht will. Tatsächlich sprechen praktisch alle sachlichen Argumente dafür, sich einen Spenderausweis in die Tasche zu stecken. Diese Argumente immer wieder kundzutun, wird auch in Zukunft wichtig bleiben.“

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RND/ka/dpa

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