Pressestimmen zu AKK-Rückzug: „CDU treibt am Rande des Abgrunds“

Zeitungen sind nach dem Druck in einer Druckerei eingerollt.

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Berlin. Die „Süddeutsche Zeitung“ geht der Frage nach, woran AKK eigentlich gescheitert ist: „Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht allein an den Volten des Thüringer Landeschefs Mike Mohring gescheitert. Sie ist nicht nur an ihren eigenen Pannen, nicht an ihrer mangelnden Autorität oder der Trennung zwischen Kanzleramt und Parteivorsitz gescheitert. Ihr Scheitern ist ein Scheitern der gesamten CDU, weil die Christdemokraten über Jahrzehnte hinweg der Frage ausgewichen sind, wer sie in einer sich rasant ändernden Welt sein wollen. Sie haben sich viel zu lange wohlgefühlt in der Selbstbeschreibung, sie seien schon irgendwie die Kraft der Mitte und könnten das vor allem dadurch kenntlich machen, dass sie jede Berührung mit der Linkspartei und der AfD ausschlossen. Nach dem Motto: Die ausbalancierte Abgrenzung nach links und rechts macht mich zu der Mitte, die ich sein möchte. Das war nicht nur inhaltsleer und frei von jeder Ambition, Menschen mit eigenen Ideen zu begeistern. Es führte ausgerechnet die sonst so pragmatische CDU in die Irre.“

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„Die Welt“ erinnert an den Kompass der CDU: „Eigentlich wäre es für die Union Zeit, sich in der Opposition zu erneuern. Die Merkel-Jahre haben die Partei nicht nur an deren Rändern bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die CDU hat sich weniger überregiert als im steten Verantwortungsrausch selbst verloren. Der Kompass der Partei liegt in Trümmern, zentrale Fragen sind ungeklärt, die Führung lahmt, und mit dem Flügelquark (Werte-Union, Union der Mitte) beginnt das Sektierertum der Linken Einzug zu halten in eine Volkspartei, deren Verdienste unermesslich sind.“

Kurskorrektur möglich

Die „Nordwest-Zeitung“ aus Oldenburg glaubt, der Anfang vom Ende der jahrzehntelangen CDU-Dominanz könnte eingeläutet sein. „Vielleicht auch das Ende der Partei selbst. Allerdings schafft die Kramp-Karrenbauer-Krise auch die Möglichkeit zu einer Korrektur des Merkel-Kurses. Der nämlich ist die Hauptursache des CDU-Niedergangs. Schon seit Monaten kann man nur noch staunend einen innerparteilichen Bürgerkrieg beobachten, der vorzugsweise in den sozialen Medien ausgetragen wird. Da propagiert die ‚Werte-Union‘ offen und intensiv eine Kurskorrektur der Gesamtpartei, die mit allem brechen würde, was Angela Merkel heilig ist. Im Gegenzug wird die ‚Werte-Union‘ von der ‚Union der Mitte‘ angebräunt. Merkel hat mit dem Linkskurs zwar die SPD marginalisiert, aber gleichzeitig die AfD geschaffen. Dass jetzt ausgerechnet das Handeln der Höcke-AfD die CDU an den Rand des Abgrundes treibt, ist eine ironische Wendung.“

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Angekündigter Rückzug: Kramp-Karrenbauer sieht Stabilität der Koalition nicht gefährdet

Annegret Kramp-Karrenbauer verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur und will den CDU-Vorsitz bald abgeben.

Die „Aachener Zeitung“ setzt den Fokus auf die Zukunft von Bundeskanzlerin Merkel: „Wie geht’s weiter in Berlin? Ende der Koalition? Merkels Rücktritt? Neuwahl? Wer über das vorzeitige Ende von Merkels Kanzlerschaft spekuliert, muss wenigstens die Realitäten und das Grundgesetz kennen. Auch wenn die SPD – zum eigenen Schaden – die Koalition verlassen würde, bliebe Merkel Kanzlerin. Sie könnte nur durch die Wahl eines Nachfolgers (konstruktives Misstrauensvotum) abgelöst werden. Dafür gibt es keine realisierbare Mehrheit im Bundestag. Ein anderer Weg, Merkel gegen ihren Willen aus dem Amt zu vertreiben, gibt es nicht. Sie kann von sich aus die Vertrauensfrage stellen, sie muss aber nicht.“

Wer selbst schlingert ...

Die „Volksstimme“ aus Magdeburg macht sich über die Außenwirkung der CDU-Prozesse Gedanken: „Vor allem für die EU wäre ein Deutschland, das mit inneren Machtkämpfen beschäftigt ist und womöglich ins rechtspopulistische Lager abgleitet, eine schwere Hypothek. Der Brexit ist nur formal vollzogen, das dicke Ende droht, wenn kein Handelsvertrag zwischen Briten und Europäern zustande kommen sollte. Ab Juli übernimmt Berlin zudem die EU-Ratspräsidentschaft. Wer selbst schlingert, kann anderen keine Orientierung geben.“

„Zeit online“ analysiert den Einfluss des Ostens auf die derzeitigen Geschehnisse: „An der Spitze des Konrad-Adenauer-Hauses grassiert eine Blindheit gegenüber den Verhältnissen im Osten. Als Mike Mohring nach der Wahl in Thüringen mit der Linken reden wollte, hieß es aus Berlin nur: Kommt nicht infrage. Und als dann Landesverband und Fraktion in Thüringen den Tabubruch forcierten und einen Ministerpräsidenten mit der AfD wählten, taten sie das entweder ohne die Konsequenzen zu erahnen – oder sie nahmen sie in Kauf. Beides wäre ein dramatisches Armutszeugnis. 15 Jahre lang hat sich die CDU auf ein Argument bei Wahlen verlassen: Dass da die Kanzlerin ist, die wird es richten. Darüber hat sie nicht bemerkt, wie schnell und grundlegend sich die politische Öffentlichkeit gewandelt hat. Das ist vermutlich die wesentlich größere Erblast als der Flüchtlingssommer von 2015. Und es könnte noch schlimmer werden: Das Führungschaos, das nach Kramp-Karrenbauers Abgang endgültig losbrechen dürfte, könnte die CDU ebenso in den Abgrund reißen, wie es der SPD schon passiert ist.“

Parteitag im Dezember unrealistisch

Die „Schwäbische Zeitung“ aus Ravensburg kann derzeit kein schlüssiges Zukunftskonzept bei der Union erkennen: „Dass erst Anfang Dezember ein Bundesparteitag in Stuttgart über die Parteispitze entscheidet, mag der Wunsch von Kramp-Karrenbauer sein, realistisch ist das aber nicht. Denn die CDU muss sich schnell darüber klar werden, was sie wem zutraut. Und für was diese Person dann steht, hinter die sich die verschiedenen Parteiflügel in einer Vorwahlkampfzeit geschlossen stellen müssen. Ganz konkret: Soll die CDU Wähler von der AfD oder den Grünen zurückgewinnen, um bundesweit die bestimmende Partei zu bleiben? Beides wird gleichzeitig nicht funktionieren.“

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In Österreich wird aufmerksam auf die Entwicklung in Deutschland geschaut. „Der Standard“ aus Wien schreibt: „Die CDU wird also in der kommenden Zeit sehr stark mit sich selbst beschäftigt sein, so wie es die SPD in der Zeit ihrer Kandidatenfindung war. Diese hat, viele erinnern sich mit Schaudern, fast sechs Monate gedauert. So viel Zeit kann sich die CDU nicht nehmen, man kann nicht glauben, dass Kramp-Karrenbauer immer noch den Parteitag im nächsten Dezember als den Termin für die letztgültige Klärung dieser wichtigen Personalfrage ansieht. Nebst Selbstfindung gibt es ja noch eine nicht ganz unwesentliche Aufgabe: Deutschland, die größte Volkswirtschaft in der EU, muss regiert werden. (...) Gleichzeitig sind beide, Merkel und AKK, nur noch Politikerinnen auf Abruf. Wie soll da in der Koalition etwas weitergehen? Es sind keine guten Aussichten für Deutschland.“

RND/cle/dpa

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