Pressefreiheit in USA: Unter Druck von Präsident und Pandemie
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Trump hat die Presse zu seinem Feind erklärt. Nur wenn sie die Einstellung des Amtsenthebungsverfahrens meldet, hat er plötzlich ein Exemplar zur Hand.
© Quelle: imago images/UPI Photo
Aus seiner Verachtung für die Presse macht Donald Trump keinen Hehl. “Fake News, die Feinde des Volkes”, twitterte er Anfang der Woche, weil ihm ein Artikel in der “New York Times” nicht gefallen hatte. Und am Donnerstag, als die Zahl der Todesopfer der Corona-Pandemie in den USA auf über 60.000 kletterte, beschäftigte sich der US-Präsident mit der vermeintlichen Beschränktheit der Journalisten: “Dumm wie Brot” sei MSNBC-Moderator Brian Williams. CNN-Talksmaster Don Lemon nannte er “den blödesten Mann im Fernsehen”, und seinen Lieblingsfeind Joe Scarborough, der die Frühstückssendung von NBC moderiert, beleidigte er als “Psycho” mit geringem IQ.
Seit der einstige Reality-TV-Star Trump vor gut drei Jahren im Weißen Haus eingezogen ist, sehen sich die Medien in den USA von mehreren Seiten unter Druck. Zum einen gängelt der Präsident kritische Reporter und versucht, ihnen den Zugang zu Informationen zu verwehren. Zum anderen beschleunigt sich der digitale Wandel, der das Anzeigengeschäft vor allem der lokalen und regionalen Zeitungen untergräbt. Mehr als 2100 amerikanische Städte haben in den vergangenen 15 Jahren eine Zeitung verloren. Die Zahl der Redakteure hat sich in dieser Zeit landesweit halbiert. Und mit der Corona-Krise droht die Talfahrt zum Sturzflug zu werden.
Trump bereiten die wirtschaftlichen Probleme der Branche sichtliches Vergnügen. “Hoffentlich sind diese ganzen Zeitungen in fünf Jahren vom Markt, weil niemand sie mehr liest”, ätzt er. Plakativ verkündete er im vergangenen Oktober, er habe alle Abonnements von “Washington Post” und “New York Times” im Weißen Haus gekündigt, was den Steuerzahlern “Hunderttausende Dollars” spare. Merkwürdigerweise dauert es trotzdem morgens keine Stunde, bis der Präsident bei Twitter wütend auf einen kritischen Artikel reagiert.
In Wirklichkeit braucht Trump die Medien
Das Verhältnis von Trump zu den Medien ist schizophren: Wohl kein Politiker genießt es so, im Rampenlicht zu stehen. Die täglichen Pressekonferenzen zur Corona-Pandemie weitete der Präsident mit endlosem Selbstlob zuletzt bis über die Zwei-Stunden-Marke aus. Doch der Narzisst mit autokratischen Neigungen erträgt es nicht, wenn über ihn kritisch berichtet wird. Deshalb ließ er im vergangenen Jahr dem CNN-Korrespondenten Jim Acosta schon die Zugangsberechtigung zum Weißen Haus entziehen. Der Sender zog vor Gericht und gewann. Doch die Gängeleien gehen weiter: In der vergangenen Woche versuchten Mitarbeiter des Weißen Hauses, CNN-Reporterin Kaitlan Collins von ihrem Platz in der ersten Reihe des Briefing-Raums zu vertreiben. Als die Journalistin nicht wich, wurde ihr mit dem Secret Service gedroht. Nur der geballte Protest der Korrespondentenvereinigung verhinderte einen beispiellosen Eklat.
Noch nie sei ein Präsident für die Medien so erreichbar gewesen wie Trump, halten dessen Anhänger dagegen. Das stimmt – solange die Kontakte zu seinen Konditionen laufen. Dann ruft der Präsident plötzlich morgens bei seinem Haussender Fox an und redet so lange, dass den Moderatoren die Fragen ausgehen. Die regelmäßigen Pressekonferenzen seiner Sprecher, bei denen zu allen Themen gefragt werden konnte, hat Trump jedoch abgeschafft. Und unliebsamen Journalisten schneidet er bei einer Frage einfach das Wort ab.
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Noch gibt es in Washington genügend gestandene Korrespondenten, die sich nicht einschüchtern lassen und täglich exklusive Geschichten ausgraben. Draußen im Land, wo die Zeitungen sterben, sieht das anders aus. Da gibt es oft keine Konkurrenzblätter mehr, und in 1300 Gemeinden der USA existiert gar keine regelmäßige Berichterstattung mehr. Die Corona-Krise mit den Einbrüchen im Anzeigengeschäft wirkt nun wie ein Brandbeschleuniger: Von Seattle im Bundesstaat Washington bis Tampa in Florida haben regionale Zeitungen in den vergangenen Wochen Journalisten freigestellt oder entlassen. Und die Aussichten werden kaum besser: Die bevorstehende Rezession, formuliert Journalismusprofessorin Penelope Abernathy von der Universität von North Carolina düster, “könnte das Aussterben der Zeitungen bedeuten”.