Versteckte Kosten

Verbraucherschützer warnen vor Preisentwicklung: „Der Höhepunkt kommt erst noch“

Die Preise für Verbraucher steigen weiter.

Die Preise für Verbraucher steigen weiter.

Wer in den nächsten Wochen im Lebensmittelhandel zu den vertrauten Produkten greift, sollte genauer als sonst hingucken. Denn es ist gut möglich, dass die vertraute Packung oder auch nur der Packungsinhalt geschrumpft ist, auch wenn der Preis der alte ist. „Wir erleben gerade die erste Welle solcher versteckter Preiserhöhungen“, sagte Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg der Deutschen Presse-Agentur. „Aber ich denke, der Höhepunkt kommt erst noch.“

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Valet beobachtet seit Jahren, wie Hersteller und Handel mit Packungsgrößen tricksen, um Preiserhöhungen zu verschleiern und kürt alle zwölf Monate eine Mogelpackung des Jahres. Im Moment gebe es bei der Verbraucherzentrale Hamburg aber besonders viele Beschwerden über solche Tricksereien, sagte Valet.

„Shrinkflation“ auf dem Vormarsch

Der Hintergrund ist klar: Die Lebensmittelpreise steigen zurzeit dramatisch. Im Juli waren Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 14 Prozent teurer als ein Jahr zuvor.

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Da ist die Versuchung für Hersteller und Handel groß, die Preiserhöhung etwas zu kaschieren. Wenn die Packung ein bisschen schrumpft, fällt das häufig weniger auf, als wenn der Preis steigt. Es gibt sogar schon ein Wort dafür: „Shrinkflation“ – eine Verbindung des englischen Wortes für Schrumpfen (shrink) und Inflation.

Verständnis fürs Mogeln?

„Wir werden das in Zukunft öfter sehen als in der Vergangenheit“, ist der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf überzeugt. Der Grund: Handel und Hersteller scheuten sich, die eingeübten Preisschwellen wie beispielsweise 1,99 Euro zu überschreiten. „Wenn eine solche Schwelle überschritten wird, erscheint ein Produkt plötzlich deutlich teurer und es besteht die Gefahr, dass die Absatzmenge drastisch einbricht“, beschreibt Fassnacht das Problem.

Der Experte hat durchaus Verständnis für diese Praxis. Er findet aber, die Hersteller sollten dann gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit offenen Karten spielen. „Wichtig ist, aus Fairnessgründen, dass die Hersteller bei Mengenreduzierungen auch die Verpackungen verkleinern.“ Dann könnten sie durchaus auch auf Verständnis der Konsumenten hoffen. „Manch einer ist vielleicht auch froh, durch die Mengenreduzierung nicht mehr bezahlen zu müssen.“

Bei gleichem Preis: Haribo verkleinert von 200 auf 175 Gramm

Beispiele für solche „Schrumpfkuren“ gibt es aktuell zuhauf. Haribo etwa verkleinerte kürzlich seine Goldbärentüte von 200 auf 175 Gramm. Der empfohlene Preis von 0,99 Cent blieb gleich – trotz 12,5 Prozent weniger Inhalt. „Als Unternehmen sind wir bereits seit Anfang des Jahres mit außergewöhnlich steigenden Kosten für hochwertige Zutaten, aber auch für Folien, Verpackungsmaterialien, Kartonage sowie Energie und Logistik im hohen doppelstelligen Bereich konfrontiert“, begründete Haribo den Schritt. Das Unternehmen passe Verpackungsgrößen und Preis an, um weiterhin erschwinglich zu bleiben.

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„Wichtig war uns, dass wir nicht mehr ‚Luft‘ im Beutel haben, also den Beutel in seiner Größe beibehalten, sondern auch den Beutel sichtbar verkleinern“, betonte ein Unternehmenssprecher. Dadurch sei die Verringerung der Füllmenge für die Kunden klar erkennbar.

35 Prozent der Artikel betroffen

Auch der Markenartikler Henkel ging bei seinem Weichspüler Vernel einen ähnlichen Weg. „Da wir die Kostensteigerungen in einigen Fällen nicht vollständig auffangen konnten, haben wir uns entschieden, die Füllmengen unserer Produkte teilweise anzupassen“, berichtete das Unternehmen. Der Knabberartikelhersteller Intersnack sah sich ebenfalls durch den Kostenanstieg „zur Anpassung der Füllmenge der ültje-Erdnüsse“ gezwungen. Aber auch bei Marmelade, Margarine, Chips und sogar Tiefkühlpizza stießen die Verbraucherschützer in den vergangenen Wochen auf schrumpfende Packungsinhalte.

Gestiegen ist nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg aber auch die Häufigkeit sogenannter doppelter Preiserhöhungen auf der Mogelpackungsliste des Verbandes. Gemeint sind damit Produkte, bei denen nicht nur die Füllmenge reduziert, sondern zusätzlich der Preis vom Handel erhöht wurde. Betraf das in den vergangenen zwei Jahren durchschnittlich 18 Prozent der aufgenommenen Artikel, so waren es im ersten Halbjahr 2022 bereits rund 35 Prozent.

Preistreiber: Gestiegene Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik

Hintergrund der Preiserhöhungen sind die gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik. Gemeinsam sei allen Fällen, dass nicht einfach die Preise erhöht würden, um die gestiegenen Kosten weiterzugeben. Stattdessen würden die Packungsgrößen verringert – bei gleichbleibenden oder manchmal sogar steigenden Preisen. Verboten sei das nicht, so Valet. Aber es sei natürlich eine Trickserei zulasten der Kunden. Auffällig sei auch, dass neben Markenartikeln zunehmend auch die Eigenmarken der Supermarktketten und Discounter davon betroffen seien.

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Ein Ende der Schrumpfkur bei Produkten des täglichen Bedarfs erwartet der Verbraucherschützer Valet vorläufig nicht. Im Gegenteil: Der Höhepunkt könnte noch bevorstehen. Der Handel brauche ungefähr ein halbes Jahr Vorlauf zur Umstellung der Etiketten und dem Abverkauf der alten Ware, rechnet er vor. „Ich denke, dass da noch einiges auf uns zukommen wird.“

Auch beim Strom steigen die Preise deutlich

Insbesondere der Strom wird für Haushalte in Deutschland nach Beobachtungen von Vergleichsportalen deutlich teurer. Das Portal Verivox zählte nach eigenen Angaben für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Grundversorgern mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 25 Prozent. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeute das im Durchschnitt Mehrkosten in Höhe von 311 Euro jährlich. Zuvor hatte Wettbewerber Check 24 schon von einer Preissteigerung in Höhe von 47,4 Prozent im September berichtet.

„Angesichts der hohen Großhandelspreise rechnen wir mit zahlreichen Strompreiserhöhungen in den kommenden Monaten, die für die Haushalte eine zusätzliche Belastung darstellen werden“, sagte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Der durchschnittliche Strompreis könne im kommenden Jahr bei 45 Cent pro Kilowattstunde und mehr liegen. Aktuell liege er laut Verivox bei rund 42 Cent.

RND/dpa

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