Erdogan verspricht ein „Jahrhundert der Türkei“
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Erdogan bereitet sich bereits auf die Wahl 2023 vor.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Für Recep Tayyip Erdogan hat die Zukunft bereits begonnen. Am Samstag, dem türkischen Nationalfeiertag, setzte er sich ans Steuer des Togg, des ersten in der Türkei produzierten Elektroautos. Zu kaufen gibt es den SUV erst gegen Ende 2023. Konservativ gestylt und chromüberladen trifft das Auto wohl den Geschmack vieler türkischer Käuferinnen und Käufer.
Indes dürfte es mit einem Verkaufspreis, der in Marktkreisen auf knapp eine Million Lira (rund 54.000 Euro) geschätzt wird, für die meisten Türkinnen und Türken unerschwinglich sein. Doch Erdogan hofft, dass der Togg auch für jene, die ihn nicht selbst fahren können, ein Objekt des nationalen Stolzes wird. „Wir sind Zeuge, wie sich ein 60 Jahre alter Traum erfüllt“, sagte Erdogan bei der Eröffnungszeremonie des Montagewerkes im westtürkischen Gemlik. Das war eine Anspielung auf die Präsentation des ersten türkischen Autos 1961, des Devrim (Revolution), der aber nie in Serie ging. Diesmal soll es klappen: „Der Togg wird die Straßen rund um den Globus schmücken“, versprach Erdogan.
Erdogan spürt Gegenwind
Über die Reichweite des zur Hälfte mit ausländischen Komponenten gebauten E-Autos ist noch nichts Genaues bekannt. Erdogan sorgt sich derzeit vor allem um seine eigene politische Ausdauer. Spätestens im kommenden Juni gibt es in der Türkei Parlaments- und Präsidentenwahlen. Erdogan spürt Gegenwind. Die Inflation von 83 Prozent zehrt an den Einkommen der Menschen.
Auch wenn der genaue Wahltermin noch nicht feststeht, ist der Wahlkampf bereits in vollem Gange. Die Autopräsentation gehörte ebenso dazu wie eine Massenveranstaltung im Sportpalast von Ankara am Vorabend. Vor Zehntausenden begeisterten Anhängerinnen und Anhängern rief Erdogan ein „Jahrhundert der Türkei“ aus. Großprojekte wie der geplante „Kanal Istanbul“, eine künstliche Wasserstraße vom Schwarzen Meer zum Marmarameer, sollen die Türkei unter die zehn größten Wirtschaftsnationen katapultieren.
„Ein Jahrhundert der Wissenschaft und Technologie“
Das „türkische Jahrhundert“ werde „ein Jahrhundert der Wissenschaft und Technologie“, erklärte der Präsident. Mindestens zehn türkische Universitäten sollen in Zukunft unter den weltweit 500 besten Hochschulen sein, so Erdogan.
Für diese Woche kündigte Erdogan außerdem den Entwurf einer neuen Verfassung an. Das gegenwärtige Grundgesetz stammt noch aus der Ära der Generalsdiktatur 1980 bis 1983. Es wurde zwar 19-mal geändert, zuletzt 2017 mit der Einführung eines ganz auf Erdogan zugeschnittenen Präsidialsystems. Trotzdem ist „die Haltbarkeitsdauer der Verfassung abgelaufen“, erklärte Erdogan.
Neue Verfassung soll Recht auf Tragen des Kopftuchs verankern
Die neue Verfassung soll das Recht auf das Tragen des Kopftuchs verankern und die türkische Familie, die laut Erdogan „aus der Verbindung von Mann und Frau besteht“, vor „perversen Strömungen“ schützen. Regierungskritikerinnen und ‑kritiker sehen in der Ankündigung einen Hinweis auf neue Repressalien gegen sexuelle Minderheiten.
Erdogan führt seit Monaten eine Art Kulturkampf gegen die LGBTQ-Bewegung. Pride-Paraden sind bereits seit 2015 in der Türkei verboten. Im September forderten Tausende Erdogan-Anhänger mit einer Kundgebung in Istanbul ein Verbot von „homosexueller Propaganda“.
Putin schlägt Türkei neue Pipeline vor
Der russische Präsident Putin schlug daher vor, in der Türkei einen Knotenpunkt für Gaslieferungen in die EU aufzubauen.
© Quelle: Reuters
Erdogan bedient seine religiös-nationalistische Kernklientel
Erdogan bedient jetzt bevorzugt seine religiös-nationalistische Kernklientel. Denn die kommenden Wahlen haben eine große symbolische Bedeutung. Eine Niederlage 2023, im hundertsten Jahr seit der Staatsgründung, wäre eine besondere Schmach. Die Strategie scheint aufzugehen: In einer Ende vergangener Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts Metropoll liegt Erdogans Volksallianz, zu der neben seiner konservativ-islamischen AKP zwei ultra-nationalistische Parteien gehören, erstmals seit Langem wieder deutlich vor dem aus vier Oppositionsparteien gebildeten Nationalen Bündnis.