Polen baut AKW an der Ostsee: Deutschland beantragt Mitsprache

Ein Schweizer Gutachten zeigt: Im schlimmsten Fall erreicht die Strahlung nach einem GAU im polnischen Zarnowiec-Kopalino auch Berlin und Hamburg.

Simulation des schlimmsten Falles: Nach einem GAU im polnischen Zarnowiec-Kopalino (rot) könnte der Wind auch in gefährlichem Maß Strahlung bis Berlin und Hamburg tragen. Ab 20 Millisievert (hier hellgrün gefärbt) wurde um Fukushima herum für mindestens ein Jahr evakuiert.

Berlin. Die Bundesregierung will eine Einbeziehung Deutschlands in die polnischen Planungen zum Neubau von Atomkraftwerken an der Ostsee erreichen.

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„Nach intensiver Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium haben wir dem dafür zuständigen Espoo-Komitee fristgerecht am 12. Januar mitgeteilt, dass wir eine Betroffenheit Deutschlands von den polnischen Energieplänen nicht ausschließen können“, sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Ziel: Bürgerbeteiligung für Deutsche

Dies könne auch andere Bestandteile des polnischen Energiekonzepts für 2040 betreffen als die Atomkraftplanungen, erklärte er. Die Bundesregierung werde die nationalstaatliche Hoheit Polens über seine Energie- und Umweltpolitik respektieren und nur dort Beratungsbedarf anmelden, wo Deutschland sich betroffen sieht, so Flasbarth.

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Der geplante Einstieg in die Atomkraft gehöre jedoch dazu: „Die Frage, wie sich der Bau neuer AKW auf Deutschland auswirkt, ist für uns dabei sehr relevant.“

Das Umweltministerium will demnach erreichen, Einsicht in alle Details des Projektes zu bekommen, etwa in die geplanten Reaktortypen und Sicherheitsvorkehrungen.

Bauruine des Atomkraftwerks Zarnowiec (Polen)

Bauruine des Atomkraftwerks Zarnowiec (Polen)

Polen plant derzeit den Bau von ein bis zwei Atomkraftwerken an der Ostsee, etwa 50 Kilometer nördlich von Danzig, die bis Mitte der 2030er-Jahre in Betrieb gehen sollen.

Beim Espoo-Büro in Genf, das für die zwischenstaatliche Abstimmung über Umweltauswirkungen in Grenzregionen zuständig ist, hatte die polnische Regierung jedoch angegeben, ihre AKW-Pläne hätten keine Auswirkungen auf die Nachbarstaaten. Das schätzt das Bundesumweltministerium anders ein, wie es gegenüber dem Espoo-Sekretariat nun offiziell mitteilte.

Studie: Bei GAU müssten 1,8 Millionen Deutsche umgesiedelt werden

Auch ein von der Grünen-Bundestagsfraktion beauftragtes Gutachten von fünf Umwelt- und Nuklearexperten, unter anderem von der Universität Genf, dem Biosphäreninstitut in Genf und der Organisation IPPNW Schweiz mit Sitz in Luzern, kommt zu dem Schluss.

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Demnach wären in drei Viertel der möglichen Wetterbedingungen die Nachbarstaaten stärker von radioaktiver Strahlung nach einem GAU betroffen als Polen selbst. Deutschland ist in einem Fünftel der Simulationen betroffen, also mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, heißt es in dem Gutachten, das dem RND vorliegt.

Im schlimmsten Fall müssten bis zu 1,8 Millionen Menschen in Deutschland für ein Jahr aus ihren Wohnorten evakuiert werden, wenn es am geplanten Standort in Polen zu einem Unfall der höchsten Kategorie kommen würde.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerin für Umwelt und Bau.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerin für Umwelt und Bau: „Die Frage, wie sich der Bau neuer AKW auf Deutschland auswirkt, ist für uns dabei sehr relevant.“

Der nächste Schritt im Verfahren, die Einsicht und Anhörung deutscher Bürger oder der Bundesregierung zu erreichen, wäre nun eine entsprechende Information des Bundeswirtschaftsministeriums an die Regierung in Warschau.

Ziel ist, dass dann jeder einzelne deutsche Bürger und Verband das Recht bekommt, Eingaben, Nachfragen und Bedenken zur Prüfung durch die polnischen Behörden einzureichen. Das Wirtschaftsministerium würde darüber mit einem entsprechenden Aufruf und Informationen auf seiner Homepage informieren.

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Parallel muss die Bundesregierung aufgrund der polnischen Informationen entscheiden, ob sie selbst eine Stellungnahme für Deutschland als Staat zu den Planungen abgibt. „Was die Atomkraftpläne betrifft, kann ich mir das nicht anders vorstellen“, sagte Umweltstaatssekretär Flasbarth dem RND.

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