Kriegen die Parteien zu viel Geld? Fragen und Antworten zum Prozess am Verfassungsgericht

Auf der Richterbank im Sitzungssaal im Bundesverfassungsgericht liegen Barette der Bundesverfassungsrichter des ersten Senats. (Symbolbild)

Auf der Richterbank im Sitzungssaal im Bundesverfassungsgericht liegen Barette der Bundesverfassungsrichter des ersten Senats. (Symbolbild)

Karlsruhe. Die Geschichte der Parteienfinanzierung in Deutschland ist von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geprägt. Nicht zuletzt können die Karlsruher Richter und Richterinnen Parteien von der staatlichen Finanzierung ausschließen – nämlich dann, wenn sie die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland in Gefahr sehen. Nun geht es zwei Tage lang um eine Erhöhung von rund 25 Millionen Euro. Noch dazu ist die am Dienstag begonnene Verhandlung für das höchste deutsche Gericht eine Premiere.

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Wie ist die staatliche gesetzlich Parteienfinanzierung geregelt?

Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1992 wurde sie im Parteiengesetz neu gefasst. Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung haben grundsätzlich Parteien, die nach dem Ergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen für ihre Listen erreicht haben. Das wird als Maßstab für die Verwurzelung in der Gesellschaft gewertet.

Für die Stimmen bekommen Parteien Geld, den „Wählerstimmenanteil“. Für 2021 sind das für die ersten vier Millionen Stimmen je 1,06 Euro und 87 Cent für jede weitere Wählerstimme. Die staatlichen Mittel für die politischen Parteien werden immer wieder auch an die Teuerungsrate angepasst, steigen damit also regelmäßig. "Auch Zuwendungen wie Mitgliedsbeiträge und Spenden, die die Parteien erhalten, werden bezuschusst, das ist dann der „Zuwendungsanteil“.

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Gibt es Grenzen?

Ja, zwei sogar. Eine absolute Obergrenze legt die Summe fest, die an alle anspruchsberechtigten Parteien ausgezahlt wird. Sie liegt in diesem Jahr nach einer Anpassung um 1,3 Prozent bei 200.049.468 Euro.

Da aus dem Grundgesetz aber ein Verbot überwiegend staatlicher Parteienfinanzierung abgeleitet wird, darf der staatliche Anteil nicht jenen überschreiten, den Parteien selbst erwirtschaften – etwa über Mitgliederbeiträge und Spenden. Das ist die relative Obergrenze.

Die Berechnung des Anspruchsumfangs führt laut Bundestag regelmäßig dazu, dass die absolute Obergrenze überschritten würde. Deshalb werden die staatlichen Mittel proportional für alle Parteien gekürzt.

Wie viel bekommen einzelne Parteien dann?

Im vergangenen Jahr hatten nach Angaben des Bundestags 22 Parteien Anspruch auf staatliche Finanzierung. Mit 54 378 689,41 Euro bekam die SPD die größte Summe aus dem Topf. Zweistellige Millionenbeträge gingen – absteigend – auch an CDU, Grüne, FDP, CSU, Linke und AfD. Am Ende der Skala steht die Tierschutzallianz mit 15 274,90 Euro.

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Kann die absolute Obergrenze geändert werden?

Prinzipiell ja. Allerdings hat das Verfassungsgericht 1992 in seinem Urteil festgelegt, dass der Umfang ausreichen muss, „solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren“.

Worum geht es vor dem Bundesverfassungsgericht nun genau?

Mit Stimmen von Union und SPD hatte der Bundestag 2018 beschlossen, dass die Obergrenze von 165 auf damals 190 Millionen Euro aufgestockt wurde. Begründet wurde das vor allem mit neuen Aufwänden durch die Digitalisierung – etwa die Moderation interaktiver Internetauftritte, Datensicherheit und die Abwehr von Hackerangriffen. Kritik übten alle Oppositionsfraktionen an der Hauruckaktion, mit der die Koalition die Änderung in wenigen Tagen durchgesetzt hatte. Der Bevollmächtigte der AfD, Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau, sagte, das Parlament habe sich in Summe gerade einmal vier Stunden mit der Gesetzesänderung befasst. Diese sei auch nicht ausreichend begründet, monierte die Opposition.

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216 Abgeordnete von Grünen, Linkspartei und FDP stellten einen sogenannten Normenkontrollantrag, um die Verfassungsmäßigkeit des Erhöhung überprüfen zu lassen (Az: 2 BvF 2/18). Dabei geht es vor allem um den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien.

Die AfD strengte parallel eine Organklage gegen den Bundestag an (Az.: 2 BvE 5/18). Sie sieht sich in ihren parlamentarischen Beteiligungsrechten und wegen der Eile in ihrem Recht verletzt, oppositionelle Strömungen in der Bevölkerung bei einem wichtigen Gesetzgebungsverfahren mobilisieren zu können. Ob Letzteres Aufgabe einer Bundestagsfraktion sei, stellte das Gericht infrage.

Warum beschweren sich die Parteien – sie kriegen doch auch mehr Geld?

Im Kern geht es darum, dass sie den Anstieg für unverhältnismäßig halten. Immerhin geht es um Geld der Steuerzahler. „Der Eindruck einer Selbstbedienung muss unbedingt verhindert werden“, betonte Manuela Rottmann (Grüne). Nur in wenigen Absätzen auf Digitalisierung zu verweisen, reicht aus Sicht der Kläger nicht. Wobei Petra Pau (Linke), die als Vizepräsidentin des Bundestags dort zuständig für IT-Sicherheit ist, einräumte, dass sich die Zeiten geändert hätten.

Die Bevollmächtigte der Antragsteller, Prof. Sophie Schönberger von der Uni Düsseldorf, erläuterte, es fehle an jeder nachvollziehbaren Begründung. Die Frage laute: „Hat sich die Situation der Parteien im Jahr 2018 so einschneidend verändert, dass dies eine Erhöhung der absoluten Obergrenze rechtfertigen könnte und das auch noch in einem Umfang von 15 Prozent.“ Nur wenn die Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt würden, könne verhindert werden, dass ein Vertrauensverlust in politische Parteien und demokratische Institutionen durch eine interessengeleitete Entscheidung in eigener Sache eintrete.

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Was halten die Befürworter dem entgegen?

Ansgar Heveling von der CDU sagte, das Gericht habe 1992 gesagt, dass sich die Obergrenze verändern kann, wenn sich die Verhältnisse verändern. „Wir sind der Auffassung, die Verhältnisse haben sich geändert gegenüber den 90er Jahren.“ Politische Kommunikation finde heute anders statt, etwa in digitaler Form. „Auch Teilhabe in den Parteien ist digital geworden.“ Das sei mit Mehraufwänden verbunden.

Wieso ist die Verhandlung für das Gericht etwas Besonderes?

Schon zweimal hatte das Gericht Verhandlungstermine angesetzt – und dann wieder einkassiert wegen der Corona-Pandemie. Diese und die damit verbundenen Hygieneregeln sind auch der Grund, warum der Platz im Gerichtsgebäude nicht ausreicht. Zu Dutzenden Abgeordneten, Sachverständigen und Bevollmächtigten kamen unter anderem Zuschauer, Bundespolizei und Journalisten. Deswegen wird nun in einer großen Veranstaltungshalle auf dem Karlsruher Messegelände verhandelt. Der Bundesadler aus dem Gerichtssaal ist dafür aber nicht mit umgezogen.

Ist an diesem Mittwoch schon mit einem Urteil zu rechnen?

Nein. Das Urteil wird erfahrungsgemäß einige Monate später verkündet.

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RND/dpa

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