Der Papst bricht ein Tabu – und das ist auch gut so

Papst Franziskus will die Rechte von Homosexuellen stärken.

Papst Franziskus will die Rechte von Homosexuellen stärken.

Berlin. Ist der Papst katholisch? Mit diesem Satz drückt man für gewöhnlich aus, dass man eine Sache für offensichtlich hält. Doch manch einer mag sich in diesen Tagen tatsächlich ernsthaft diese Frage gestellt haben. Groß jedenfalls ist weltweit die Überraschung über das, was von Papst Franziskus zu hören ist.

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Der Papst hat ein Tabu gebrochen – und das ist auch gut so. „Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu sein“, hat Franziskus gesagt. „Sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie.“ Und sie hätten auch das Recht, durch ein Gesetz für zivile Partnerschaften abgesichert zu sein.

Mehr Toleranz, mehr Rechte

Das sind eindeutige Ansagen für ein Mehr an Toleranz und Akzeptanz, aber auch an konkreten Rechten für Homosexuelle. Es sind Worte, die bis vor Kurzem aus dem Mund eines katholischen Kirchenoberhaupts kaum vorstellbar schienen.

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Für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen hat sich zumindest in den meisten westlichen Industriegesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten viel bewegt. Doch die katholische Kirche hat als Institution stets stur daran festgehalten, Homosexuellen wahlweise Unmoral vorzuwerfen oder sie im freundlichsten Fall zu ignorieren. Die gleichzeitige kirchliche Aufforderung, man solle den Betroffenen mit Mitgefühl begegnen, haben deshalb viele als Heuchelei empfunden.

Der Papst ist kein Theoretiker

Vor diesem Hintergrund sind die Worte von Franziskus höchst bemerkenswert. Zugegeben, es lässt sich zu Recht einiges anführen, was die Bedeutung der Papstäußerung relativiert. Es handelt sich eben nicht um eine Enzyklika, sondern Franziskus hat sich im neuen Dokumentarfilm eines russischen Regisseurs geäußert. Der Papst ist, nebenbei bemerkt, keineswegs immer beständig in seiner Argumentation. Er ist, anders als sein Vorgänger Benedikt XVI., kein großer Theoretiker.

Franziskus kündigt auch keinesfalls an, homosexuelle Paare künftig kirchlich heiraten lassen zu wollen. Er spricht sich in einer bürgerrechtlichen Debatte dafür aus, dass es für Homosexuelle eine eingetragene Partnerschaft geben sollte.

Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Diese eingetragene Partnerschaft ist nicht die Ehe für alle, die wir in Deutschland seit dem Jahr 2017 haben. Aber dass die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder zunächst die eingetragene Partnerschaft geschaffen hat, war Voraussetzung für eine Entwicklung, die am Ende zur vollständigen Gleichstellung geführt hat. Der Papst hat nun einen Stein zumindest angestoßen. Das sollte in der katholischen Kirche hoffentlich früher oder später zu Fortschritten führen – auch wenn die Beharrungskräfte dieser strukturkonservativen Institution nicht zu unterschätzen sind.

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Manch einer mag jetzt warnen, die Worte von Franziskus machten vielleicht einigen das Katholischsein in einem Land wie Deutschland leichter – aber sie stießen doch auch Menschen in anderen Teilen der Weltkirche vor den Kopf. Das mag sein, hat aber auch viel mit dem zu tun, was die Kirche bislang gelehrt und gepredigt hat. Ein echtes Argument gegen tolerantes Denken ist es jedenfalls nicht.

Der Markenkern der Kirche

Es geht um eine ganz grundlegende Frage des Selbstverständnisses der Kirche, die den Papst offenbar umtreibt. In konservativen katholischen Kreisen gibt es noch immer diejenigen, die argumentieren, die Kirche müsse gerade in einer immer unübersichtlicheren Welt ihren Markenkern bewahren und tradierte Regeln hochhalten. Allein: Das ist eine fürchterliche Verkennung dessen, was unter theologischen Gesichtspunkten der Markenkern der Kirche sein muss: Es geht um ein Leben für die Nächstenliebe in der Nachfolge Jesu Christi. Was würde Jesus in der Jetztzeit tun? Stand er nicht an der Seite der Ausgegrenzten?

Der Denkanstoß des Papstes wirft Fragen auf, denen sich die Kirche in den kommenden Jahren hoffentlich zunehmend stellt: Wann wird das kirchliche Arbeitsrecht endgültig entstaubt? Wie können katholische Schulen zu einem coming-out-freundlichen Umfeld für Jugendliche werden? Wann kommen andere drängende Reformen wie die Priesterweihe von Frauen?

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Eine kluge Kirche grenzt nicht aus, sie gemeindet ein. Von der Wortherkunft kommt „katholisch“ aus dem Altgriechischen und bedeutet allumfassend. Der Papst ist katholisch, wenn er sich für die Rechte Homosexueller ausspricht – im besten Sinn.

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