Epidemiologe zu Kontaktbeschränkungen: Omikron-Ausbreitung lässt sich nicht mehr verhindern
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Können Kontaktbeschränkungen Omikron aufhalten?
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie erklärt im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dass Kontaktbeschränkungen die Omikron-Ausbreitung nur noch verlangsamen, aber nicht verhindern könnten. Maßnahmen vor Weihnachten wären besser geeignet, so Zeeb im Interview.
Herr Zeeb, der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hat sich für zeitnahe Kontaktbeschränkungen ausgesprochen. Können die noch gegen die Omikron-Welle helfen?
Kontaktbeschränkungen sind äußerst sinnvoll und effektiv. Aber letztlich lässt sich die Ausbreitung der Omikron-Variante selbst bei weitgehender Kontaktreduktion und Impfungen nicht verhindern. Omikron ist so ansteckend, dass sich die Verbreitung nur verlangsamen lässt. Ein geringeres Tempo bei der Ausbreitung ist zwingend notwendig, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Welche Maßnahmen zur Kontaktreduzierung sind geeignet?
Wir müssen das ganze Arsenal an Kontaktbeschränkungen in Erwägung ziehen. Am effektivsten ist ein kleiner, fester Personenkreis, der sich auch regelmäßig testet. Zwischen drei und sieben Menschen halte ich für angemessen. Die Hauptsache ist, dass es bei diesem kleinen Personenkreis bleibt.
Die Menschen sollten ihre Kontakte jetzt auf ein Minimum reduzieren. In den Niederlanden dürfen sich zum Beispiel nur noch vier Menschen treffen. Ich rechne damit, dass wir auch in Deutschland bald stärkere Einschränkungen für Privatveranstaltungen haben werden. Restaurants und Bars müssen schließen, Kulturveranstaltungen müssen wahrscheinlich auch abgesagt oder stark ausgedünnt werden. Eine Beschränkung der Kundenzahl im Einzelhandel und eine FFP2-Maskenpflicht kann ich mir ebenfalls vorstellen.
Sollten die Maßnahmen für alle oder nur für Ungeimpfte gelten?
Diese Kontaktbeschränkungen müssen für alle gelten. Auch wenn die Booster-Impfungen bei der Bekämpfung der Pandemie helfen werden, müssen alle ihre Kontakte einschränken. Denn der Schutz vor Covid-19 beträgt auch nach dem Booster nicht 100 Prozent. Eine mit Omikron infizierte Person kann auch unter Geboosterten für Ansteckung sorgen, da diese Variante sehr infektiös ist. Außerdem ist die Booster-Impfung bei manchen auch schon Wochen her und der Schutz nimmt ab.
Ein Lockdown soll es vor Weihnachten nicht geben, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Ist es sinnvoll, erst die Feiertage abzuwarten?
Es wäre in jedem Fall besser, sofort Lockdownmaßnahmen wie Kontaktbeschränkungen zu verhängen. Natürlich ist es schwierig für Politiker, solche Maßnahmen so kurz vor Weihnachten zu verhängen. Aber alle Experten sagen, dass Kontaktbeschränkungen zwingend nötig sind, und zwar sehr zeitnah. Wir brauchen noch vor Neujahr schärfere Maßnahmen. Bis in den Januar hinein können wir mit einem Lockdown nicht warten.
Seit einigen Tagen ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen rückläufig. Ist das ein trügerisches Signal?
Vom Bruch der Corona-Welle kann überhaupt nicht gesprochen werden. Wir sehen zwar den Rückgang der Delta-Variante. Aber die niedrigen Infektionszahlen bleiben nicht so. Dieser Eindruck ist trügerisch. Die Erfahrungen mit Omikron in den Nachbarländern zeigt uns, dass wir in Deutschland sicherlich mit 50.000 bis 100.000 Neuinfektion pro Tag rechnen müssen, wenn nicht sogar mit mehr Infektionen.
Führt das auch zu einer höheren Belastung in den Krankenhäusern?
Ja, denn erste Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Krankheitsschwere bei der Omikron-Variante ähnlich wie bei Delta ist. Die Zahlen der Neuinfektionen und der Menschen im Krankenhaus wird vermutlich alles übersteigen, was wir bisher gesehen haben. Besonders im Januar müssen wir mit einer hohen Hospitalisierung in Deutschland rechnen.