Olympiafazit: Was haben die Spiele für China gebracht?
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Die Olympischen Spiele zu Gast in China: Chinas Präsident Xi Jinping bei der Eröffnungsfeier gemeinsam mit IOC-Präsident Thomas Bach.
© Quelle: imago images/Xinhua
Abseits der Skipisten und Eistunnel wird wohl vor allem ein Moment von den Olympischen Winterspielen in Peking in Erinnerung bleiben: Die Pressekonferenz, als die Organisatoren die Fassung verloren.
Am Donnerstagmorgen erkundigte sich ein Reporter während der obligatorischen Fragerunde nach der Anwesenheit Taiwans bei der Abschlusszeremonie. Die zuvor ruhige Yan Jiarong vom Organisationskomitee fing unter ihrer Maske an zu schnauben. Sie schnappte sich das Mikrofon, um in einem rhetorischen Rundumschlag ein paar Dinge „klarzustellen“: „Taiwan ist ein unzertrennbarer Teil von China“, sagte die Parteifunktionärin wütend, die Berichte über „sogenannte“ Zwangsarbeit in Xinjiang beruhen auf „Lügen“ und ohnehin dulde man keine Politisierung der Spiele.
Die Schimpftirade hat gesessen. Während der neu gewonnene Nationalstolz des chinesischen Staats für viele Korrespondenten längst Alltag ist, kam er für viele angereiste Reporter innerhalb der Olympiablase wie ein Schock. Unter Xi Jinping wird sich die Welt jedoch daran gewöhnen müssen, dass die Volksrepublik sich mit kritischen Fragen aus dem Ausland nicht weiter herumschlagen möchte.
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Am Sonntag schließlich gehen die Winterspiele zu Ende; Zeit also für ein abschließendes Fazit: Was haben die Winterspiele der chinesischen Regierung wirklich gebracht?
Im Fokus: Wenig Corona, überraschend viel Sport
Das ganz große Fiasko ist die Veranstaltung sicherlich nicht geworden. Keiner der Athletinnen und Athleten hat zu Solidarität mit Tibet aufgerufen, und auch die befürchtete Omikron-Welle durch die international Anreisenden ist ausgeblieben. Tatsächlich ging es insbesondere während der zweiten Hälfte der Spiele vor allem um den Sport: Und auf diesem Gebiet konnten die Organisatoren ihre Stärken vollends ausspielen.
Die olympischen Stätten, angefangen von der Rodelstrecke bis hin zur Abfahrtspiste, sind schließlich nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern haben für den Spitzensport neue Maßstäbe gesetzt. Zudem ist es generell eine Errungenschaft, dass die – zugegebenermaßen noch sehr zarte – Begeisterung für den Wintersport in einem Land gesät worden ist, in dem knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt.
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Das National Sliding Center ist die erste Bob- und Rodelbahn in ganz China. Insgesamt soll die Bahn mehr als 2 Milliarden Euro gekostet haben.
© Quelle: picture alliance/dpa
Doch abseits der Wettbewerbe um Gold haben die Spiele einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. Vor allem ist eingetreten, was viele Kritikerinnen und Kritiker befürchtet hatten: Peking 2022 hat die immer tiefer sitzenden Gräben zwischen China und dem Westen offenbart. „Zusammen für eine gemeinsame Zukunft“ lautet der offizielle Slogan der Veranstaltung. Doch dessen Gegenteil besitzt einen ungleich höheren Wahrheitsgehalt.
Olympia offenbart den Riss zwischen China und dem Westen
Die Risse verlaufen vor allem an den politischen Fronten. Dass die chinesische Regierung etwa eine uigurische Langläuferin die Olympische Fackel tragen ließ, ohne jedoch im Mindesten auf die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang einzugehen, ist ein sprichwörtlicher Mittelfinger gegenüber sämtliche unterdrückte Minderheiten im Land.
Doch auch beim Umgang mit dem Coronavirus zeigt sich die zunehmende Entfremdung. Während in Europa nach zwei schmerzhaften Jahren mit unzähligen Toten allmählich der „Freedom Day“ bevorsteht, hat die Pandemie in China de facto noch gar nicht erst begonnen. Mit einer epidemiologisch erfolgreichen Nullltoleranzstrategie wird der Erreger auch weiterhin außerhalb der eigenen Landesgrenzen gehalten. Dementsprechend wurden die ankommenden Olympiateilnehmer wie Aussätzige im Mittelalter behandelt – selbst das Hotelpersonal servierte die abendlichen Cocktails ausschließlich im Schutzanzug, wie er sonst nur auf der Intensivstation getragen wird.
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© Quelle: RND
Schon im Vorhinein war klar, dass China – zumindest beim Westen – in Sachen „soft power“ keinen Blumentopf mehr gewinnen wird. Viele Beobachterinnen und Beobachter haben unlängst den Eindruck gewonnen, dass es der chinesischen Führung mittlerweile egal geworden ist, wie sie vom Ausland wahrgenommen wird. Nach dem Motto: Wenn man nicht geliebt wird, solle man zumindest respektiert – und notfalls auch gefürchtet werden.
Doch diese Analyse greift zu kurz. Denn Fakt ist, dass die Trotzhaltung Chinas in einer narzisstischen Kränkung wurzelt. Tatsächlich rief Xi Jinping erst kürzlich seine Propagandamedien dazu auf, das Image des Landes zu verbessern und die „China Story“ im Ausland „besser“ zu erzählen.
Wird das Image nun besser?
Doch sämtliche Versuche, das Image aufzupolieren, sind seither nicht nur gelungen, sondern regelrecht ins Gegenteil umgeschlagen Denn Xi hat unlängst ein System erschaffen, in dem Diplomaten und Journalisten durch aggressive Rhetorik gegenüber dem Ausland und blinder Loyalität gegenüber der Kommunistischen Partei die Karriereleiter erklimmen. Diskussionsbereitschaft oder ausgestreckte Gesprächsangebote stellen vor allem ein Risiko dar, in den eigenen Reihen als Verräter wahrgenommen zu werden.
Höchstwahrscheinlich werden die Winterspiele in wenigen Monaten bereits halb vergessen sein. Die Weltgemeinschaft hat schließlich derzeit ganz andere Sorgen. Und in China war die Sportveranstaltung selbst wenig mehr als ein Hintergrundrauschen, dem man wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Viele Parteikader dürften dennoch erleichtert sein. Immerhin hat man die Winterspiele ohne große Aufruhr hinter sich bringen können. Mehr wäre wohl ohnehin nicht drin gewesen.