Kanzler Scholz: Wiederaufbau der Ukraine ist eine „Herausforderung für Generationen“
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Westhafen Event und Convention Center in Berlin. Internationale Experten beraten am Dienstag über den Wiederaufbau der Ukraine.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Berlin. In Berlin ist am Dienstagmorgen eine internationale Konferenz zu Wiederaufbauhilfen für die Ukraine gestartet. Bei der Eröffnung unterstrich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass es dabei nicht um eine Geberkonferenz gehe, sondern um den langfristigen Aufbau des angegriffenen Landes nach dem Krieg.
„Heute können wir noch nicht sagen, wann der Krieg enden wird, aber enden wird er“, sagte Scholz. Man wolle sich deshalb mit dem „fortwährenden Aufbau“ befassen, zitierte der Bundeskanzler den britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Dazu sollen die „klügsten und besten Köpfe“ der Ukraine das „kollektive Wissen der Welt“ zur Verfügung stellen. Scholz bezeichnete den Wiederaufbau der Ukraine als „Herausforderung für Generationen“, die die gesamte Stärke der internationalen Staatengemeinschaft notwendig mache. In einer anschließenden Pressekonferenz sprach der Bundeskanzler von einer „Aufgabe für Jahrzehnte“.
Scholz: „Wir werden weiter an der Seite der Ukraine stehen“
„Lassen Sie uns darüber nachdenken, was sein kann“, forderte Scholz die Teilnehmer auf. Der Bundeskanzler nannte dabei eine „weiterentwickelte, nachhaltige, resiliente Ukraine“ als Ziel des Wiederaufbaus. „Indem wir Ukraine unterstützen, bauen wir gemeinsam an einem starken Europa.“
Bundeskanzler Olaf Scholz: Wiederaufbau der Ukraine auf EU-Beitritt ausrichten
„Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie“, sagte Scholz mit Blick auf den EU-Mitgliedskandidat.
© Quelle: dpa
Scholz unterstrich zudem die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine. Man werde das angegriffene Land weiter etwa mit Flugabwehrsystemen ausstatten, die die Ukraine angesichts der jüngsten russischen Angriffe mit Raketen und Drohnen benötige. „Wir werden weiter an der Seite der Ukraine stehen“, betonte Scholz. Denn aus eigener Erfahrung wisse man, dass Wiederaufbau immer möglich sei.
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Von der Leyen: „Russland versucht, die Ukrainer zu lähmen“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer Eröffnungsrede auf drei Punkte verwiesen, die im Zentrum der Beratungen stehen sollen. Zunächst müsse man sicherstellen, „dass die Ukraine jederzeit die Unterstützung erhält, die sie braucht.“ Zudem müsse man die richtige Struktur entwickeln, um den Wiederaufbau so breit wie möglich zu gestalten. Nicht zuletzt sollen die Bemühungen zum Wiederaufbau eingebettet werden in den Weg der Ukraine hin zu einem EU‑Mitgliedsstaat.
Von der Leyen wies darauf hin, dass die Ukraine pro Monat zwischen 3 und 5 Milliarden Euro benötige, nur um laufende Kosten wie Gehälter für Militär, Lehrerinnen und Lehrer sowie Ärztinnen und Ärzte zu decken. Die EU sei bereit, 1,5 Milliarden Euro im Monat – also 18 Milliarden Euro im Jahr 2023 – bereitzustellen, versicherte von der Leyen. Zudem könne man sich auf die USA und die internationalen Finanzinstitutionen verlassen, die ebenfalls einen Teil dazu beitragen würden.
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Russlands gezielte Angriffe auf zivile Einrichtungen in der Ukraine seien „Terrorakte“, sagte die EU‑Kommissionspräsidentin. „Russland versucht, die Ukrainer zu lähmen“, warnte von der Leyen. „Doch das werden wir nicht zulassen.“ Die Ukraine derweil kämpfe auch „einen Kampf für uns alle“, so von der Leyen.
Für den Wiederaufbau sollen nach dem Willen von Bundesregierung und EU auch russische Vermögenswerte genutzt werden. Dazu müsste jedoch zunächst er rechtliche Rahmen geprüft werden, erklärten Scholz und von der Leyen unisono. „Der Wille ist da, doch rechtlich gesehen ist das nicht trivial“, betonte die EU-Kommissionspräsidentin. Bundeskanzler Scholz versprach eine „baldige“ Antwort auf jene rechtlichen Fragen.
Ukraine dringt auf schnelle Hilfen
Auf Einladung von Scholz und von der Leyen beraten am Dienstag internationale Experten über den Wiederaufbau der Ukraine nach einem Ende des Krieges. An der Tagung nimmt auch der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal teil. Zudem hielt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte eine Rede.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, begrüßen vor dem Eingang des Westhafen Event und Convention Center Denys Schmyhal (M), Ministerpräsident der Ukraine.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Schmyhal brachte seine Hoffnung auf eine Modernisierung der Ukraine zum Ausdruck. „Wir wollen etwas aufbauen, was besser ist, als das, was vorher war“, so der ukrainische Ministerpräsident. Dafür brauche es aber zunächst zusätzliche Finanzen. Die Ukraine habe ein Haushaltsdefizit von 38 Milliarden Euro im Jahr 2023. Zudem habe man durch die russischen Angriffe 45 Prozent der Bruttoinlandsprodukts verloren. Für schnelle wirtschaftliche Erholung benötige das Land mindestens 17 Milliarden Euro.
Scholz und von der Leyen haben den Wiederaufbau als „Generationenaufgabe“ bezeichnet und einen „Marshallplan“ für das von Russland angegriffene Land gefordert – nach dem Vorbild des US‑Aufbauprogramms für Deutschland und ganz Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Bereits vor der Wiederaufbaukonferenz hat die Ukraine auf schnelle Investitionen in die stark zerstörte Infrastruktur des Landes gedrungen. „Es ist wichtig zu verstehen, dass ungeachtet des Krieges der Wiederaufbau jetzt beginnen muss“, sagte der Minister für regionale Entwicklung, Oleksij Tschernyschow, der Deutschen Presse-Agentur. Die Versorgung mit Strom und Energie müsse vor dem Winter gesichert und Wohnraum geschaffen werden.
Am Dienstag ist zudem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überraschend zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Bei seiner Ankunft sagte er am Dienstagmorgen: „Meine Botschaft an die Ukrainerinnen und Ukrainer ist: Wir stehen nicht nur an eurer Seite. Sondern wir werden die Ukraine auch weiterhin unterstützen – wirtschaftlich, politisch und auch militärisch.“ Seine Botschaft an die Deutschen zu Hause laute: „Vergessen wir nicht, was dieser Krieg für die Menschen hier in der Ukraine bedeutet, wie viel Leid, wie viel Zerstörung herrscht. Die Menschen in der Ukraine brauchen uns.“
RND/sic/dpa