Der Kanzler auf der Akropolis: Scholz‘ Vermittlungsversuch zwischen Athen und Ankara
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October 27, 2022, Athens, Greece: Greek Prime Minister Kyriakos Mitsotakis and German Chancellor Olaf Scholz talk at the ancient Parthenon Temple at the Acropolis hill during a visit, in Athens. Athens Greece - ZUMAv62_ 20221027_zaf_v62_013 Copyright: xAristidisxVafeiadakisx
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Athen. Am frühen Donnerstagmorgen wurde Olaf Scholz eine Ehre zuteil, über die sich Millionen Touristen freuen würden: Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zeigte ihm ganz allein die Akropolis, das antike Wahrzeichen Athens, das erhaben über der Hauptstadt thront. In der Sache ging es bei Scholz‘ Visite freilich ähnlich schwergewichtig zu wie am Vortag bei seinem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris.
Ein Thema waren die anhaltenden türkischen Drohungen gegen griechische Inseln wie Rhodos, Kos und Lesbos im östlichen Mittelmeer. „Wir könnten plötzlich eines Nachts kommen“, hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mehrfach erklärt. Er hält die Inseln für türkisch.
Außenministerin Baerbock hatte sich noch sehr kategorisch geäußert
Außenministerin Annalena Baerbock hatte sich zu dem Streit im Juli sehr kategorisch geäußert. „Griechische Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das infrage zu stellen“, sagte die Grünen-Politikerin und zog sich damit den Zorn der Türkei zu.
Scholz war nicht so scharf, sondern bot in einem vorab veröffentlichten Interview die Vermittlung Deutschlands an. Das Mittelmeer sei „ein Raum voller Potenzial“, sagte der Kanzler dann bei der Pressekonferenz, dieses Potenzial müsse man ausschöpfen, am besten „auf der Grundlage des Völkerrechts“. Dabei blieb er auch auf Nachfrage. Mitsotakis betonte hingegen den Standpunkt seiner Regierung. „Es ist schade, dass Herr Erdogan ständig Lügen über Griechenland verbreitet“, sagte er und warf dem türkischen Präsidenten aggressives Verhalten vor. „Die Geschichte kann nicht mit imperialen Illusionen verändert werden oder mit gefälschten Karten.“
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Ein Besuch in Lyman: Wie ist das Leben nur 20 Kilometer von der Front entfernt?
Lyman im Donbass gehört zu den bislang letzten wichtigen Orten, die die Ukrainer von den Russen zurückerobert haben. Artilleriefeuer ist unweit der Front permanentes Hintergrundgeräusch, die Zerstörung ist gigantisch. Dennoch beantworten die Menschen hier die Frage nach der Kriegsschuld nicht so eindeutig wie die allermeisten Ukrainer.
Ein weiteres Thema war die Rüstungskooperation zwischen Berlin und Athen. Die Bundesregierung hatte einen Ringtausch mit Griechenland vereinbart, um die Ukraine mit 40 Schützenpanzern sowjetischer Bauart des Typs BMP-1 zu versorgen, die Griechenland einst aus DDR-Beständen erhalten hatte. Die griechischen Streitkräfte bekommen dafür 40 deutsche Marder-Schützenpanzer. Die ersten sechs sind gerade in Griechenland eingetroffen.
Griechenland stationiert ehemalige deutsche Panzer nahe der türkischen Grenze
Nun gab es Spekulationen, Griechenland könne die Marder an der Grenze zur Türkei stationieren. Scholz sagte dazu: „Wir fragen nicht nach, wo sie stehen.“ Und er fuhr fort: „Das will ich gar nicht wissen.“ Mitsotakis wurde deutlicher. Er sagte: „Das ist unser Problem, wo wir die Tanks aufstellen.“ Und sie kämen nach Evros. Das liegt tatsächlich an der Grenze zur Türkei.
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Am Schluss holte Scholz die umstrittene Beteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens wieder ein – auch weil Cosco am griechischen Hafen Piräus die Mehrheit hält. Mitsotakis sagte, der Hafen arbeite seit der Übernahme „viel besser als in der Vergangenheit“. Es gebe keinen Grund zur Beunruhigung und im Land Investoren aus vielen Ländern.
Scholz nennt Kompromiss rund um Hamburger Hafen eine „gute Lösung“
Da hatte es der Kanzler mit seiner Antwort leichter. Die nach einem Kompromiss in der Ampelkoalition reduzierte Beteiligung von 35 auf jetzt 24,9 Prozent sei „eine gute Lösung“ für Hamburg, sagte er. Und die Beteiligung betreffe ja wirklich nur einen kleinen Teil des Hafens.
Griechenland ist übrigens ein Beispiel dafür, dass sich die Dinge in Europa auch zum Besseren wenden können. Das Land war lange heillos überschuldet und einst Auslöser der Eurokrise. Mittlerweile kann es sich am internationalen Kapitalmarkt wieder selbst finanzieren. Entsprechend gut gelaunt war der Regierungschef. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagte Kyriakos Mitsotakis auf Deutsch und gemünzt auf Europa. „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“