Olaf Scholz’ Besuch in China

Schweigen wäre „grundfalsch“ - darum reist der Kanzler trotz Kritik nach Peking

Fliegt am Donnerstag nach Peking: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Fliegt am Donnerstag nach Peking: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Berlin. Der Bundeskanzler hat noch keinen Fuß auf chinesischen Boden gesetzt, da ist die Aufregung um seinen Antrittsbesuch in Peking schon groß. Bei der Kritik im In- und Ausland geht es nicht darum, was Olaf Scholz an diesem Freitag dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sagen wird. Beklagt wird, dass er überhaupt mit ihm sprechen will.

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Ein schlechter Zeitpunkt sei das, weil sich Xi von seiner Kommunistischen Partei gerade mit einer Machtfülle hat ausstatten lassen, die an jene von Diktator und Staatsgründer Mao Tsetung erinnert, sagen Kritiker. Genau in diesem Moment mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation aus Deutschland seine Aufwartung zu machen sei das falsche Signal. In einem offenen Brief forderten Dissidenten und andere kritische Intellektuelle aus China Scholz auf, seine Reise abzusagen. Deutsche Organisationen beklagen, dass Scholz nur Wirtschaftsbosse mitnimmt und keine Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen.

Aus dem Kanzleramt verlautet: „Reden ist besser als nicht reden.“ China sei ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – wie Russland, das die Ukraine überfallen hat. Peking ist grundsätzlich ein wichtiger Partner für Russland – schon als Energielieferant für das Reich der Mitte mit seinen weit über eine Milliarde Menschen. Scholz will den Informationen zufolge „im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht alle Fragen – auch die schwierigen – adressieren“. Ein Regierungsvertreter sagt, ob diese Reise ein Erfolg sein werde, könne man vorher nicht sagen. Aber ohne direkte Gespräche gebe es sicher keinen Erfolg. „Es gar nicht erst zu versuchen ist grundfalsch.“

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Christoph Heusgen im Interview: „Wir kehren jetzt zum Kalten Krieg zurück“

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sieht in den Androhungen des Atomwaffengebrauchs eine Rückkehr des Kalten Krieges.

Russlands Krieg ist wichtigstes Anliegen

Das wichtigste Thema für ihn sei Russlands Überfall auf die Ukraine. Scholz wolle ansprechen, dass China seinen Einfluss auf Russland ausüben möge, diesen Krieg zu beenden. China müsse seine Verantwortung wahrnehmen. Russlands „nukleare Rhetorik“ sei brandgefährlich.

+++ Alle aktuellen News zum Krieg in der Ukraine im Liveblog +++

Große Sorge bereite aber auch die Lage rund um Taiwan. Xi hatte auf dem KP-Parteitag gesagt, Peking strebe eine friedliche „Vereinigung“ mit dem demokratischen Taiwan an, „aber wir werden uns niemals verpflichten, den Einsatz von Gewalt aufzugeben“. Was, wenn China Krieg gegen Taiwan führen wird, das von den USA und Deutschland unterstützt wird? China sei Partner, Wettbewerber und Rivale, sagen deutsche Diplomaten. Die Systemrivalität wächst aber wohl am schnellsten.

ARCHIV - 30.07.2020, USA, New York: Christoph Heusgen, der deutsche UN-Botschafter, gibt im UN-Hauptquartier in New York eine Pressekonferenz zum Abschluss der deutschen Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat. Heusgen wird künftig die Münchner Sicherheitskonferenz leiten. (zu dpa «Christoph Heusgen wird neuer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz») Foto: Luiz Rampelotto/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Heusgen: „Wir kehren jetzt zum Kalten Krieg zurück“

Der frühere UN-Botschafter in New York betont, die USA wüssten sehr genau, wo Russland seine Atomwaffen und die Schaltzentralen hat. Hoffnung auf Peking bei der Unterstützung der Ukraine sei eine Illusion. Russland werde vielmehr zur „Tankstelle Chinas“.

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Chinas einst grandioses Wirtschaftswachstum ist rückläufig, und Scholz will versuchen, Abhängigkeiten von Peking zu reduzieren. Anders als bei Reisen mit seiner Vorgängerin Angela Merkel unterschreiben die mitreisenden Unternehmensvorstände diesmal keine Milliardenverträge, wenngleich sie die Geschäfte keinesfalls kappen wollen. Insgesamt soll aber versucht werden, die Kooperationen nicht auszuweiten – besser abzubauen, um sich nicht ähnlich erpressbar zu machen wie von Russland. Ob es dafür nicht schon zu spät ist, steht auf einem anderen Blatt.

Es wäre wichtig, dass Umweltorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen als zusätzliche Beratung für den Kanzler mitreisen würden und nicht nur die Vorstände großer Unternehmen.

Martin Kaiser,

Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace

Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand der Umweltschutzorganisation Greenpeace, beklagt: „Eine Regierung, die sich Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Belange der Zivilgesellschaft auf die Fahnen schreibt, kann nicht mehr mit reinen Wirtschaftsdelegationen Länder wie China besuchen.“ Gerade mit Peking sei ein enger strategischer Dialog über die globalen Umweltprobleme, den Klimaschutz und den Schutz der Artenvielfalt nötig. „Es wäre wichtig, dass Umweltorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen als zusätzliche Beratung für den Kanzler mitreisen würden und nicht nur die Vorstände großer Unternehmen“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Ähnlich äußert sich auch die Bundesvorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann. Solange China Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren in Lagern festhalte und Uigurinnen zu Sterilisationen zwinge, den Wunsch der Menschen in Hongkong nach Demokratie mit Gewalt unterdrücke und Taiwan notfalls militärisch einnehmen wolle, müsse die Kanzlerdelegation keine Wirtschafts-, sondern einzig und allein eine Menschenrechtsdelegation sein.

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