Befragung von Olaf Scholz zu Cum-Ex: Die Opposition wetzt die Messer
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Anhörung von Finanzminister Olaf Scholz am Mittwoch: Im Kontext der Cum-Ex-Affäre wird der Vizekanzler von der Opposition befragt, die ihn verdächtigt, den Bundestag belogen zu haben.
© Quelle: imago images/teamwork/dpa/RND Montage Behrens
Berlin. Eine Sache ist sicher: Olaf Scholz hat sich diesen Mittwoch anders vorgestellt. Dass er bei der turnusgemäßen Regierungsbefragung durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Rede und Antwort würde stehen müssen, das hatte der Finanzminister und Vizekanzler noch gewusst. Zwei weitere Termine allerdings kamen erst in der vergangenen Woche hinzu. Ausgelöst wurden sie durch Recherchen mehrerer Medien, die enthüllten, dass sich Scholz in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister häufiger mit einem schwer belasteten Bankier getroffen hatte, als er bislang eingeräumt hat.
Die Rede ist von Christian Olearius, dem Mitinhaber der Hamburger Privatbank M. M. Warburg, die in einen der größten Steuerskandale in der Geschichte der Bundesrepublik verstrickt ist. Es geht um den Cum-Ex-Skandal, bei dem Banken Aktiengeschäfte vortäuschten, um sich nie gezahlte Kapitalertragssteuern vom Fiskus erstatten zu lassen. Das Landgericht Bonn urteilte im März, die Warburg-Bank habe etwa 170 Millionen Euro an Steuern zu Unrecht kassiert und müsse diese zurückzahlen. Das Institut hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Wie funktionierten die Cum-Ex-Geschäfte?
Bekannt war bislang nur, dass Scholz Olearius einmal im Jahr 2017 getroffen hatte. Tagebucheinträge des Bankiers, gegen den wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wird, belegen nun zwei weitere Treffen sowie ein Telefonat im Jahr 2016 – ebenjenem Jahr, in dem die Hamburger Finanzbehörde eine Rückforderung an Warburg in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren ließ.
Scholz bestreitet, dass es einen Zusammenhang mit seinen Treffen gibt. Als Bürgermeister habe er nie Einfluss auf Steuerverfahren genommen. In den Tagebuchaufzeichnungen des Bankiers, die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden sind, sollen sich auch keine Hinweise auf eine Verfehlung des Sozialdemokraten finden.
Pikant ist die Sache trotzdem – vor allem deshalb, weil Scholz bei zwei Befragungen im Finanzausschuss des Bundestags die Treffen nicht erwähnt hatte, obwohl Abgeordnete ihn ausdrücklich danach gefragt hatten. Aus dem Finanzministerium heißt es, die Fragen seien gesammelt und im Block beantwortet worden, die Teilantwort habe der Minister schlicht vergessen. Vertreter der Opposition sehen sich getäuscht.
Grünen-Politikerin Lisa Paus: “Olaf Scholz hat den Bundestag belogen”
“Olaf Scholz hat den Bundestag über seine Treffen mit der Warburg-Bank belogen. Er muss sich dazu diese Woche im Bundestag erklären und endlich die volle Wahrheit sagen”, sagte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Scholz müsse das bislang geheime Protokoll seiner Befragung aus dem Finanzausschuss öffentlich machen und den Schriftverkehr mit der Warburg-Bank zur Verfügung stellen, fordert die Grünen-Politikerin. “Außerdem sollte er klarstellen, dass er voll hinter dem Urteil des Landgerichts Bonn steht, und umgehend das Gesetz zur Vermögenssicherung nachbessern.”
Scholz zu Warburg-Steuerskandal: "Es hat keine politische Einflussnahme gegeben"
Olaf Scholz äußerte sich am Mittwoch zu den Vorwürfen um den Warburg-Steuerskandal.
© Quelle: Reuters
Die Grünen-Politikerin kritisierte Scholz außerdem wegen einer Regelung aus dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz, die aus ihrer Sicht dazu führen könnte, dass Banken die Milliarden aus Cum-Ex-Steuerraubgeschäften behalten dürfen. “Sollte sich herausstellen, dass die Hamburger Privatbank am Ende zulasten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern geschont wird und die neuesten Gesetzesänderungen dies begünstigen, dann wäre das der Oberhammer”, sagte sie dem RND. “Olaf Scholz macht als Kämpfer für mehr Steuergerechtigkeit keine gute Figur.”
FDP-Mann Florian Toncar: “Es gibt Zweifel an der Integrität des Finanzministers”
Auch aus der FDP kommt scharfe Kritik. “Der Verdacht, dass die Warburg-Bank in Hamburg eine Vorzugsbehandlung erhalten hat, um kriminell erlangte Gelder behalten zu können, ist unerträglich und eine schwere Belastung für das Amt des Bundesfinanzministers”, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, dem RND. “Es ist an Olaf Scholz, diesen Verdacht durch aktive Aufklärung umfassend auszuräumen. Bisher hat er vor allem irreführend und ausweichend geantwortet und damit enorme Zweifel an seiner Integrität und Glaubwürdigkeit gesät”, so Toncar weiter.
Die Messer sind gewetzt und die Ohren gespitzt, wenn die Finanzpolitiker und der Minister um 10.30 Uhr in nicht öffentlicher Sitzung zusammenkommen. Bei der Regierungsbefragung um 13 Uhr findet das ganze Spektakel noch einmal öffentlich statt. Und im Anschluss ist auch noch eine Aktuelle Stunde des Bundestags zum Thema Cum-Ex, die die Linksfraktion beantragt hat.
Als Finanzminister ist Scholz stressige Tage gewöhnt. Man darf davon ausgehen, dass er heute trotzdem froher als sonst ist, wenn er den Feierabend erreicht hat.