Beim Ersatz von russischem Öl oder Gas rächt sich der Rückstand bei Erneuerbaren
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LNG-Tanker werden künftig mehr Flüssiggas nach Europa bringen.
© Quelle: imago images/ITAR-TASS
Liebe Leserinnen und Leser,
die Woche hatte mit einem klimapolitischen Paukenschlag begonnen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verkündete am Montag, dass die Ampel eben nicht nur für die Bundeswehr zusätzliche Milliarden übrig hätte, wie bei den Grünen herumgemosert wurde. Nein, so Lindner, die Koalition gebe bis 2026 rund 200 Milliarden Euro für den Klimaschutz aus. Die Reaktionen waren nicht von Euphorie bei Klimapolitikern geprägt, hat Thoralf Cleven beim Herumtelefonieren herausgefunden. Warum das so war, analysierte Tim Szent-Ivanyi aus finanzpolitischer Sicht.
Doch angesichts von Tod und Zerstörung in der von Russlands Präsidenten Wladimir Putin angegriffenen Ukraine ist ohnehin wenig Raum für klimapolitische Vorstöße. CDU-Europapolitiker Dennis Radtke plädiert inzwischen für die Überprüfung der EU-Klimaziele, sagte er Damir Fras.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg wollen die EU-Staaten schrittweise unabhängig von russischer Energieversorgung werden, haben sie sich in dieser Woche vorgenommen. Beziehungsweise längst vorher: Ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern, der für den Klimaschutz ohnehin vereinbart war, ist zugleich ein Ausstieg aus russischer Abhängigkeit.
Bislang aber stützt sich vor allem Deutschland stark auf Erdgas und Erdöl aus Russland – und muss sich im Moment vielmehr sorgen, dass Putin die Lieferung einstellt. Längst prüfen Experten und Politik, auf welche Alternativen in der Energieversorgung Deutschland umsteigen könnte. Weil Ökoenergien von Solar bis Wind noch nicht ausreichend ausgebaut sind, wurde längst über längere Atom- und Kohlekraftlaufzeiten debattiert. Der Kohleausstieg ist für 2038 geplant, die Bundesregierung wollte ihn möglichst auf 2030 vorziehen.
Doch nun meint die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft Kerstin Andreae – einst grüne Spitzenpolitikerin – in der RND-Kolumne „Greenformation“ sogar, der Klimaschutz müsse nun, da für Öl, Gas und Steinkohle aus Russland Ersatz gesucht würde, beiseitetreten. So hat sich auch Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) bereits geäußert: Im Zweifel sei Versorgungssicherheit wichtiger als Klimaschutz.
Steven Geyer hat im Faktencheck unter die Lupe genommen, welche Auswirkungen auf den Klimaschutz der russische Krieg gegen die Ukraine insgesamt hat.
Faktencheck der Woche
Welche Folgen hat der Krieg aufs Klima?
Es klingt angesichts von Todesopfern und der Angst ums nackte Überleben in der Ukraine vielleicht unpassend – aber Wissenschaft und Politik beschäftigt längst auch die Auswirkung des Krieges auf Umwelt und Klima. Sie unterscheiden zwischen direkten und indirekten Kriegsfolgen: Zu den direkten zählen Kampfhandlungen und gezielte Umweltzerstörung.
So wurde im Laufe der Krimbesetzung und des Krieges in der Ostukraine nach 2014 unter anderem Grundwasser verseucht und Bergwerke geflutet, wodurch Giftstoffe und Radioaktivität in Flüsse und Meere gelangten. Seit der Krimannexion blockiert Kiew zudem die Wasserversorgung der Halbinsel über den Nord-Krim-Kanal, was im Sommer zu Dürren führte. Ganz grundsätzlich hat Militärtechnik einen hohen Schadstoffausstoß. Fürs Klima dürften die indirekten Folgen dennoch weitreichender sein, denn sie betreffen die Klimapolitik der nächsten Jahre.
Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf die Klimaschutzpolitik aus?
Der Krieg verbraucht politische Energie, öffentliche Aufmerksamkeit und finanzielle Ressourcen, die nach der Corona-Pandemie dem Klimaschutz zugutegekommen wären. Immerhin: Deutschland will nicht allein seinen Militäretat aufstocken, sondern auch das Budget für den Ausbau erneuerbarer Energien, um von Russland unabhängig zu werden – siehe oben.
Videografik: Strom aus erneuerbarer Energie
Grüne Technologien wie Windkraft- oder Solaranlagen gelten als entscheidend im Kampf gegen den Klimawandel.
© Quelle: AFP
Dennoch kostet der Krieg dem Klimaschutz Zeit, Energie und Geld – weltweit, aber auch in der Ukraine: Das Land deckt seinen Strombedarf noch zu etwa einem Drittel aus Steinkohle, auch seine Industrie muss modernisiert werden. Die EU will für einen klimaneutralen Kontinent auch Nichtmitglieder unterstützen, die Ukraine hatte 2020 verkündet, in den „Green Deal“ mit einzusteigen. Dadurch kam es etwa zu einer Energiepartnerschaft mit Deutschland, in deren Rahmen Energieeffizienz und Dekarbonisierung der ukrainischen Wirtschaft gefördert werden – das liegt nun ebenso auf Eis wie jede klimapolitische Kooperation mit Russland.
Welche Rolle spielte Russland bislang im Klimaschutz?
Die Zahl der Überflutungen und Waldbrände steigt, die auftauenden Permafrostböden bedrohen die Stabilität mancher Stadt und vieler Pipelines: Auch Russland spürt die Erderwärmung längst. Doch im Kreml gilt der Klimawandel nicht grundsätzlich als Problem – sondern als Chance: Die Heizperiode könnte kürzer, die Erntesaison länger werden, und in einigen Regionen verkürzen sich ohne ewiges Eis die Seerouten, was der russischen Geopolitik hilft. Eine Modernisierung der russischen Wirtschaft hat sich Moskau zwar vorgenommen, ist aber weit im Rückstand.
Zugleich deutet der Kreml Klimaschutzmaßnahmen des Westens als ebensolches machtpolitisches Instrument: Dass Russland etwa von der CO₂-Besteuerung besonders betroffen ist, mit der die EU Importe aus klimaschädlicher Produktion im Ausland verteuern und so eine Abwanderung CO2-intensiver Industrien verhindern will, sieht Moskau eher als regelrechtes Ziel der Besteuerung. Entsprechend bremst Moskau seit Jahren in der internationalen Klimapolitik – durch die Isolation infolge des Krieges dürfte das für Jahre noch schlimmer werden.
Welche Rolle spielen russisches Erdgas und Erdöl für die EU-Klimapolitik?
Erdgas verursacht deutlich weniger CO₂-Emission als Kohle, aber auch weniger als Heizöl und Flüssiggas. Derzeit bezieht die EU 40 Prozent ihres Erdgases aus Russland. Besonders Deutschland ist von russischem Gas abhängig, aber auch Italien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei sind auf russisches Gas und Öl angewiesen. Für die deutsche Wirtschaft ist Erdgas von besonderer Bedeutung, weil damit nicht nur geheizt wird. Es wird in der Industrie für zahlreiche Prozesse benötigt und spielt in der Stromerzeugung eine maßgebliche Rolle.
Reaktion von Russland: Habeck schließt Gas-Stopp für EU nicht aus
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schließt nicht aus, dass Russland seine Gaslieferungen an Europa stoppen könnte.
© Quelle: dpa
Würden russische Importe kurzfristig ausfallen, könnte der Energiebedarf der EU in diesem Winter noch aus den Reserven ausgeglichen werden. Selbst ein kompletter Lieferstopp wäre für die EU verkraftbar, hat die Energie-Denkfabrik berechnet. Schon für den nächsten Herbst und Winter müsste man dafür jedoch schnellstens Alternativen ausbauen.
Womit lässt sich russisches Erdgas kurzfristig ersetzen – und was hieße das fürs Klima?
Kurz- und mittelfristig setzen Wirtschaft und Politik vor allem auf Flüssigerdgas, das kurz als LNG firmiert: liquified natural gas. Bereits die gedrosselten russischen Gaslieferungen vor dem Krieg gegen die Ukraine sind durch das verflüssigte Gas ausgeglichen worden, das mit Schiffen vor allem an südeuropäischen Terminals angelandet wurde. Hauptquellen für LNG auf dem Weltmarkt sind die USA, Katar, Australien und Russland. Fürs Klima ist LNG zwar etwas schädlicher als Erdgas, der Abstand zwischen den beiden Gasformen ist jedoch deutlich kleiner als der zu Braun- und Steinkohle, die ein vielfaches an Emissionen freisetzt.
Allerdings lässt sich die Versorgung mit LNG wegen aufwändiger technischer Voraussetzungen – vor allem zur Verflüssigung des Gases – und sehr langfristiger Lieferverträge, die das Angebot binden, nur langsam und langfristig ausweiten. Die USA haben immerhin angekündigt, ihre Produktion in den nächsten drei Jahren um ein Drittel zu steigern. Auch Australien könnte zusätzliches LNG liefern.
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Das LNG-Bunker-Schiff „Kairos" läuft den Hafen von Hamburg an.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Bis dahin soll kurzfristig das Anzapfen von Ölreserven – ebenfalls vor allem der US-amerikanischen – helfen. Zwar ist Öl etwas klimaschädlicher als Gas, setzt aber immer noch nur die Hälfte der Emission von Kohle frei. Und das ist die schlechte Nachricht: Laut der Bruegel-Studie würde bei einem kurzfristigen Erdgas-Lieferstopp kein Weg daran vorbei führen, Gas in der Stromerzeugung durch Kohle zu ersetzen. Das hat auch Wirtschaftsminister Habeck für Deutschland so angedeutet – auch wenn er es möglichst vermeiden will.
Unter dem Strich heißt das: Der Wegfall russischer Erdgas-Importe würde die Klimabilanz Deutschlands und der EU deutlich verschlechtern – je weniger Gas genutzt werden kann und je kurzfristiger es ausfällt, desto schlechter fürs Klima.
Gibt es keine klimafreundlichen Alternativen?
Doch: in erster Linie der forcierte Ausbau von Windkraft und anderer erneuerbarer Energien. Die EU-Kommission arbeitet bereits an einem „Pakt für erneuerbare Energien“, mit dem Genehmigungsverfahren beschleunigt und neue Investoren angelockt werden sollen. Aber der Bau solcher Anlagen dauert Jahre. Trotzdem können die Erneuerbaren helfen, indem bei Leistungsspitzen – wie in Deutschland in diesem Februar bei der Windkraft – der extrem billige Strom zum Beispiel genutzt wird, um synthetisches Methan zu erzeugen. Das könnte dem Erdgas zum Heizen beigemengt werden – besser fürs Klima als auf Kohle umzusteigen.
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Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm vom Atomkraftwerk (AKW) Isar 2. Das Kernkraftwerk im Landkreis Landshut ist das letzte in Bayern, das noch nicht endgültig vom Netz gegangen ist.
© Quelle: Armin Weigel/dpa
Auch bereits laufende Atomkraftwerke haben einen geringeren CO2-Ausstoß als Erdgas. Allerdings sind in Deutschland die Vorbereitungen für die Ende des Jahres geplanten Abschaltungen so weit fortgeschritten, dass die AKW „nur unter höchsten Sicherheitsbedenken“ weiterlaufen könnten, so das Wirtschaftsministerium. Zudem würde Uran fehlen. Hierzulande gilt die Option als abgehakt. Atomstrom aus anderen EU-Ländern könnte dagegen manche Lücke füllen – auch in Deutschland.
Eine entscheidende Größe wird jedoch oft vergessen: das Energiesparen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits eine lange Liste von Maßnahmen zur schnellen Reduktion des Erdgasverbrauchs erarbeitet – und will die auch gesetzlich vorantreiben. So sollen schon ab nächstem Jahr Erdgasheizungen in Neubauten verboten werden und stattdessen auf die klimafreundlichere Techniken wie Wärmepumpen sowie Solar- und Fernwärme gesetzt werden. Auch eine Offensive zur Reduzierung von Abwärme vor allem in der Industrie ist geplant.
Altkanzler als Vermittler im Krieg? Gerhard Schröder besucht Wladimir Putin in Moskau
Altkanzler Gerhard Schröder ist in Moskau, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Gespräche über den Krieg in der Ukraine zu führen.
© Quelle: dpa
Infografik der Woche
Weltweiter Kohlendioxidausstoß zur Energieerzeugung auf Höchststand
Das vergangene Jahr war leider kein gutes für den Kampf gegen den Klimawandel. Der weltweite energiebedingte Kohlendioxidausstoß ist 2021 nach Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) um 6 Prozent auf 36,3 Milliarden Tonnen gestiegen. Dies sei der höchste Stand aller Zeiten, womit der zu Beginn der Corona-Pandemie entstandene Rückgang des Vorjahres mehr als ausgeglichen wird, teilte die IEA mit.
Es zeigte sich: Die Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Krise hat sich stark auf Kohle gestützt. Außerdem führten ungünstige Wetter- und hohe Erdgaspreise dazu, dass mehr Kohle verbrannt wurde, obwohl die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen das größte Wachstum aller Zeiten verzeichnete.
Kohle machte nach der IEA-Analyse über 40 Prozent des Gesamtwachstums der globalen CO₂-Emissionen 2021 aus und erreichte mit 15,3 Milliarden Tonnen ein Allzeithoch. Die CO₂-Emissionen aus Erdgas stiegen deutlich über das Niveau von 2019 auf 7,5 Milliarden Tonnen. Mit 10,7 Milliarden Tonnen blieben die CO₂-Emissionen aus Öl aufgrund der begrenzten Erholung der weltweiten Transporttätigkeit, hauptsächlich im Luftverkehr, deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie.
Wie aus den IEA-Daten hervorgeht, ist China größtenteils für den Anstieg der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich. Der Anstieg der Emissionen in dem Land glich den Gesamtrückgang im Rest der Welt in dem Zeitraum mehr als aus. Alleine 2021 stiegen Chinas CO2-Emissionen nach der IEA-Analyse auf über 11,9 Milliarden Tonnen, was 33 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen ausmacht.
Verbrauchertipp der Woche
Mit dem Saisonkalender frisch und klimabewusst essen
Tomaten aus Marokko, Äpfel aus Neuseeland oder Paprika aus Ungarn: Häufig landen Lebensmittel aus anderen Ländern oder Kontinenten in den Einkaufswagen der Deutschen.
Allerdings ist für immer mehr Menschen auch klar: Regionales Obst und Gemüse vom Wochen- oder Bauernmarkt sind nicht nur gut für Klima, Umwelt und die Wirtschaft vor Ort – es schmeckt auch noch besser.
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Eine Frau kauft in Flensburg in einem Supermarkt Gemüse.
© Quelle: picture alliance / dpa-tmn
Doch welche Lebensmittel finden sich eigentlich zu welcher Jahreszeit in den Regalen? Hier hilft der Saisonkalender weiter.
Kleiner Wermutstropfen für diesen Monat: Der März ist der magerste Monat für Freunde der frischen Feldfrüchte. Lediglich ein paar Sorten finden sich zuverlässig im Angebot der Landwirte. Wer gern mit Rosenkohl oder Kürbis kocht, sollte jetzt fix sein. Denn im März gibt es erst mal die letzte Chance auf regionale Produkte.
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Pastinaken bekommt man jetzt frisch vom Feld.
© Quelle: Ulrike Leone/ Pixabay
Frisch vom Feld: Champignon, Pastinake, Porree, Rosenkohl
Lagerware: Butternut-Kürbis, Chinakohl, Kartoffel, Knollensellerie, Kürbis, Möhre, Rote Bete, Rotkohl, Schalotte, Spaghettikürbis, Weißkohl, Wirsing, Zwiebel
Der RND-Klima-Podcast – hier hören
Wie kann die Musikindustrie klimafreundlich werden?
Die deutsche Popband Milky Chance feiert nicht nur international Charterfolge („Stolen Dance“) – sie spielt auch auf Klimademos und setzt sich zudem seit Langem für eine nachhaltigere Welt ein.
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Sänger Clemens Rehbein von Milky Chance beim zentralen Klimastreik am 22. Oktober 2021 vor dem Brandenburger Tor.
© Quelle: imago images/Jan Huebner
In dieser Folge verraten die beiden Künstler Clemens Rehbein und Philipp Dausch, was ihr Engagement ausgelöst hat, wie umweltverträgliches Touren geht und wo sie an Grenzen geraten. Und warum sie keine politischen Lieder schreiben. Aber durchaus welche, die Mut machen in schwierigen Zeiten.
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Die gute Nachricht
Mehr CO₂ in der Luft, mehr Pflanzenwachstum
Wir sind zwiegespalten, ob folgende Meldung nun eine gute oder eine schlechte Nachricht ist. Doch wir bleiben Optimisten:
US-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler um Trevor Keenan vom Lawrence Berkeley National Laboratory haben herausgefunden, dass der steigende Gehalt von Kohlendioxid (CO₂) in der Luft das globale Pflanzenwachstum stärker ankurbeln könnte als bisher angenommen – und so wiederum möglicherweise auch die Aufnahme des Treibhausgases erhöhen könnte. Das ergeben jedenfalls Analysen von Messdaten zum Gasaustausch an der Erdoberfläche.
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Kleine Setzlinge im Gemüsebeet.
© Quelle: Franziska Gabbert/dpa-tmn
Durch erhöhte Photosyntheseaktivität der Pflanzen würden jedes Jahr durchschnittlich 9,1 Gramm Kohlenstoff mehr pro Quadratmeter in Pflanzen eingebunden, so die Forschenden. Knapp die Hälfte davon gehe auf die erhöhte CO₂-Konzentration in der Atmosphäre zurück, schreiben sie in den „Proceedings“ der US Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).
Rekordhohe Spritpreise: Unternehmen sind verzweifelt
Die deutsche Logistikbranche schlägt angesichts rekordhoher Kraftstoffpreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine Alarm.
© Quelle: Reuters
Aktuelle Hintergründe
Deichbau unter Zeitdruck
Den Städten und Kommunen in Küstennähe bleibt nicht mehr allzu viel Zeit für die Klimaanpassung. Die Folgen des Klimawandels führen zukünftig zu immer mehr Problemen, hält der Weltklimarat (IPCC) in seinem Ende Februar veröffentlichten Sachstandsbericht fest. Modellierungen zeigen, dass Starkregen, Sturmfluten und Überschwemmungen deutlich intensiver werden und häufiger vorkommen, wenn das 1,5-Grad-Ziel überschritten wird.
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Schleswig-Holstein, Heidkate: Ein Fahrradfahrer fährt an einem Deich an der Ostsee, auf dem Windsurfer gleiten, entlang.
© Quelle: Frank Molter/dpa
Der Anstieg des Meeresspiegels stelle spätestens nach 2100 „eine existenzielle Bedrohung“ für Küstengemeinden dar, so das Urteil der internationalen Forschungsgemeinde. Am Beispiel Bremen zeigt Saskia Heinze aber: So ein Bauvorhaben braucht mehr Zeit als gedacht – und der Platz für die Anpassung ist knapp bemessen.
Amazonasregenwald könnte sich in Savanne verwandeln
Der Regenwald im Amazonasgebiet hat seit Anfang der 2000er-Jahre kontinuierlich an Widerstandsfähigkeit eingebüßt. Bei mehr als drei Vierteln des Waldes habe die Fähigkeit nachgelassen, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen, heißt es in der Studie eines britisch-deutschen Forscherteams, die in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht ist.
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Entwaldete Waldflächen sind am Rande des Juruena-Nationalpark im Amazonasregenwald zu sehen. Um Flächen für Felder zu schaffen, werden Teile des Regenwalds in Brasilien abgeholzt.
© Quelle: Isaac Risco-Rodriguez/dpa
Der Amazonasregenwald speichert erhebliche Mengen an Kohlenstoff und besitzt eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt. Er gilt als eines der sogenannten Kippelemente, die das Klima auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen können.
Studie: Meiste Unternehmen Europas noch ohne 1,5-Grad-Klimaziele
Einer Analyse zufolge haben lediglich 16 Prozent der europäischen Unternehmen bislang Klimaziele, die mit dem Pariser Ziel vereinbar sind, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. In diese Auswertung des Carbon Disclosure Projects (CDP), das als Nichtregierungsorganisation die Klimaziele von Unternehmen systematisch auswertet, flossen die Angaben von mehr als 1220 europäischen Unternehmen ein.
Bei der Transparenz hat sich der Studie zufolge einiges getan: Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Unternehmen, die überhaupt wissenschaftsbasierte Klimaziele ausweisen, um 85 Prozent.
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Mecklenburg-Vorpommern, Gaarz: Der Photovoltaik-Park des Unternehmens Enerparc. (Aufnahme mit einer Drohne) Strom aus Wind- und Sonnenkraft soll Deutschland aus der Abhängigkeit von Öl und Gas befreien, zum Klimaschutz und zu niedrigeren Preisen beitragen.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Die tatsächlichen bisherigen Einsparungen bei klimaschädlichen Emissionen lassen der Analyse zufolge hingegen bislang zu wünschen übrig: Bereinigt um pandemiebedingte Einsparungen lägen die Einsparungen jährlich bei rund 1,5 Prozent pro Jahr. Um im Einklang mit dem Pfad des Pariser Klimaziels zu stehen, müssten sie der Organisation zufolge allerdings pro Jahr um 4,2 Prozent sinken.
Bild der Woche
Bedrohung für den Kuckuck
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Manch einem Kuckuck wird bereits jetzt seine spezielle Brutweise zum Verhängnis.
© Quelle: P. Zeininger/Nabu/dpa
Die Umweltstiftung WWF sieht in der Erderwärmung eine große Bedrohung für viele Pflanzen und Tiere. Die Klimakrise habe bereits jetzt die Tier- und Pflanzenwelt auf allen Kontinenten verändert, schreibt die Umweltstiftung in ihrem am Mittwoch präsentierten Bericht „Feeling the Heat“ (Die Hitze spüren). Dabei sei die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde seit der industriellen Revolution erst um etwa ein Grad gestiegen.
In dem Bericht werden die Auswirkungen der Klimakrise auf 13 ausgewählte Tier- und Pflanzenarten betrachtet. Dazu gehören auch in Deutschland beheimatete Arten wie der Kuckuck. Dem Vogel werde bereits jetzt seine spezielle Brutweise zum Verhängnis. Der Kuckuck legt seine Eier in das Nest anderer Vogelarten und lässt diese dann ausbrüten.
Ein Kuckuck lege rund 7000 Kilometer von seinem Winterquartier zurück. Kommen nun durch steigende Temperaturen seine Wirtsvögel schneller aus ihrem Winterquartier zurück, fangen sie auch mit der Brut früher an. Der Kuckuck finde bei seinem Eintreffen als relativer Spätankömmling kein Nest mehr, in das er sein Ei legen könne und müsse auf die Zweitbrut warten, die in der Regel Mitte Mai beginne. So wird der Vogel laut WWF seltener.
Termine
Montag,14. März, Genf: Beginn des Vorbereitungstreffens für die UN-Weltnaturschutzkonferenz in Kunming (25. April bis 8. Mai)
Dienstag, 15. März, Dessau: Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht seine vollständige Prognose der klimaschädlichen CO₂-Emissionen für das Jahr 2021
Donnerstag, 17. März, Göttingen: Kongress „Öko-Innovationen mit Biomasse“
Montag, 21. März: Internationaler Tag des Waldes
Montag, 21. März, Genf: Weltklimarat beginnt Beratungen über 3. Teil des neuen Klimaberichts
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