Obamas später Triumph im Kampf um die Krankenversicherung

Die Einführung einer Krankenversicherung für Geringverdiener, die nicht über ihren Arbeitgeber abgesichert sind, gehört zu den wichtigsten politischen Hinterlassenschaften von Ex-Präsident Barack Obama. (Archivbild)

Die Einführung einer Krankenversicherung für Geringverdiener, die nicht über ihren Arbeitgeber abgesichert sind, gehört zu den wichtigsten politischen Hinterlassenschaften von Ex-Präsident Barack Obama. (Archivbild)

Washington. Normalerweise vergeht keine Stunde, bis der Ex-Präsident tatsächlich oder vermeintlich bemerkenswerte Vorfälle lautstark kommentiert: Ein Auftritt von Nachfolger Joe Biden, ein Vorfall an der Grenze zu Mexiko, eine neue Verschwörungsphantasie – sofort feuert Donald Trump in Ermangelung eines Twitter-Kontos eine Pressemitteilung ab. Doch am Donnerstag blieb der Poltergeist in seinem Sommerexil in Bedminster bemerkenswert ruhig. Das oberste Gericht der USA hatte ihm eine zweifache Niederlage und seinem Vorgänger Barack Obama einen späten Triumph beschert.

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Formal entschieden die neun Richter am Supreme Court lediglich über eine Klage von Texas und anderen republikanischen Staaten gegen die Gesundheitsversicherung Obamacare. Deren Ansinnen, das Gesetz von 2010 für verfassungswidrig zu erklären, wurde abgewiesen. Doch das Urteil ist nach Meinung vieler Beobachter bahnbrechend: Es könnte den seit einem Jahrzehnt tobenden Kulturkampf um die Sozialreform beenden.

Die Gesundheitsreform wird bleiben

„Die Chancen, Obamas Markenzeichen noch zu kippen, schwinden zunehmend“, urteilte der Politologieprofessor Julian Zelizer von der renommierten Princeton-Universität beim Sender CNN. Die New York Times titelte schlicht: „Obamacare wird bleiben“. Und selbst der republikanische Senator Roy Blunt räumte ein: „Der Affordable Care Act (so der offizielle Name, d. Red.) wird immer tiefer in unser System eingewebt, und es wird ziemlich schwierig, das wieder abzuwickeln.“

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Die Gesundheitsreform, mit der Millionen Geringverdienern und chronisch Kranken die Möglichkeit zur Absicherung ihres Gesundheitsrisikos gegeben wurde, war politisch in den USA von Anfang an hoch umstritten. Die Republikaner unkten über steigende Kosten und sahen die Staatsmedizin heraufziehen. Nach zahlreichen Pannen beim Start hatte Obamacare auch in der Bevölkerung zunächst keinen guten Ruf. Trump warb im Wahlkampf 2016 mit dem zentralen Versprechen, das „Desaster“ zu beenden.

Ex-Präsident Donald Trump wollte Obamacare den Geldhahn zudrehen. Dagegen rührte sich nicht nur auf der Straße Protest. Auch drei republikanische Senatoren verweigerten ihm die Gefolgschaft.

Ex-Präsident Donald Trump wollte Obamacare den Geldhahn zudrehen. Dagegen rührte sich nicht nur auf der Straße Protest. Auch drei republikanische Senatoren verweigerten ihm die Gefolgschaft.

Doch nicht nur scheiterte der Ex-Präsident 2017 mit dem Versuch, die Reform zurückzunehmen, an drei Parteifreunden, die ihm im Senat die Gefolgschaft verweigerten. Zugleich bekam die Versicherung immer mehr Zulauf. Sie steht Menschen offen, die sich eine private Police nicht leisten können, aber zu viel verdienen, um unter das staatliche Sozialprogramm Medicaid zu fallen. Die Versicherer müssen jedem Bürger und jeder Bürgerin ohne Aufschläge für mögliche Vorerkrankungen einen Mindestschutz anbieten, wofür es staatliche Zuschüsse gibt. Umgekehrt wurde eine Versicherungspflicht für alle Amerikaner eingeführt.

Zahl der Amerikaner ohne Versicherung hat sich halbiert

Inzwischen sind 31 Millionen Amerikaner über Obamacare zumindest für die größten Gesundheitsrisiken geschützt. Die Zahl der Unversicherten in den USA hat sich halbiert. Bei einer Umfrage der Kaiser Family Foundation äußerten sich im Mai 53 Prozent der Befragten positiv über Obamacare. Nur noch 35 Prozent sehen die Reform negativ.

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Mit dem jetzigen Urteil hat der Supreme Court nicht nur zum dritten Mal eine republikanische Klage gegen Obamacare zurückgewiesen. Das Urteil fiel mit sieben zu zwei Stimmen auch höchst eindeutig aus. Das ist vor allem bemerkenswert, weil es am Verfassungsgericht eine stabile konservative Mehrheit gibt. Trump hatte die Berufung dreier Richter in seiner Amtszeit unter anderem gefeiert, weil damit die Voraussetzung zur Abschaffung von Obamacare geschaffen werde. Tatsächlich stimmten nun mit Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett aber zwei Trump-Richter gegen den Vorstoß der republikanischen Bundesstaaten, denen sie die Klageberechtigung absprachen.

Entsprechend groß sind nun Freude und Erleichterung bei den Demokraten. Präsident Joe Biden sprach von einem „großen Gewinn für das amerikanische Volk“. Sein Gesundheitsminister Xavier Becerra erklärte: „Jetzt sind wir sicher, dass das System überlebt. Darauf können wir aufbauen.“

Vor allem der linke Parteiflügel will Obamacare deutlich ausweiten und am liebsten mit Medicare for All eine Bürgerversicherung einführen. Doch dagegen gibt es starke Widerstände im Kongress.

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