Nüßlein-Affäre: Wie die Union die Notbremse zieht
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Georg Nüßlein (CSU) geht über einen Flur zu seinem Bundestagsbüro, während dieses durchsucht wird.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Berlin. Am Freitagnachmittag zogen CDU und CSU die Notbremse. Durch seinen Anwalt ließ Georg Nüßlein (CSU), unter Korruptionsverdacht stehender Vizechef der Unionsbundestagsfraktion, mitteilen, dass er sein Amt ruhen lassen werde. Als Schuldeingeständnis allerdings wollte Nüßlein den Schritt nicht verstanden wissen. Sein Mandant halte die Vorwürfe für nicht begründet, teilte der Anwalt mit. Der Abgeordnete selbst hatte die Anschuldigungen am Tag zuvor als „haltlos“ bezeichnet.
Ins Rollen gekommen war die Affäre am Donnerstagmorgen. Da positionierten sich Ermittler vor Nüßleins Bundestagsbüro, während im Plenum die Tagesordnung geändert wurde und eine Abstimmung über die Aufhebung der Immunität stattfand. Im direkten Anschluss durchsuchten Ermittler das Bundestagsbüro und zwölf weitere Objekte in Deutschland und Liechtenstein. Auch Nüßleins Privathaus im Landkreis Günzburg befand sich darunter.
CSU-Abgeordneter Nüßlein lässt Amt als Unionsfraktionsvize ruhen
Georg Nüßlein lässt aufgrund der Korruptionsermittlungen gegen ihn sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ruhen.
© Quelle: dpa
Es sind schwerwiegende Vergehen, die dem 51-Jährigen zur Last gelegt werden. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern. Nüsslein soll laut Medienberichten für eine Textilfirma aus dem Raum Offenbach Großaufträge für die Produktion von Corona-Atemschutzmasken akquiriert haben.
Markus Söder ist alles andere als erfreut
Der CSU-Gesundheitspolitiker sei in seiner Funktion als Abgeordneter beim Bundesgesundheitsministerium sowie der bayerischen Staatskanzlei vorstellig geworden und habe dort Angebote unterbreitet. Nach Geschäftsabschluss sollen Beraterhonorare an eine Firma geflossen sein, bei der Nüßlein laut Handelsregisterauszug alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist. Von 660.000 Euro ist die Rede, die Nüßlein zu allem Überfluss auch nicht versteuert haben soll.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat bestätigt, dass es ein Angebot Nüßleins gegeben hat, das man geprüft habe. Dabei sei nichts Unregelmäßiges aufgefallen und alles so abgelaufen wie bei solchen Vorgängen üblich. Die bayerische Staatskanzlei wollte sich zu dem laufenden Ermittlungsverfahren nicht äußern.
Dass Hausherr Markus Söder über die Vorgänge um seinen Parteifreund alles andere als erfreut sein dürfte, liegt auf der Hand. Söder werde sich von Nüßlein sicher nicht seinen Wahlkampf oder sein Ansehen kaputt machen lassen, heißt es in Unionskreisen. Im Zweifel werde der CSU-Chef mit maximaler Härte reagieren.
Das Entsetzen in der Unionsfraktion über die Affäre ist groß. Dass Nüßlein als gut verdrahteter Abgeordneter Kontakte hergestellt hat in einer Zeit, als Schutzmasken Mangelware waren, wirft ihm niemand vor. Das sei übliche Praxis. Nur Geld hätte er dafür niemals annehmen dürfen.
Der Fall werde die Politikverdrossenheit steigern und die AfD werde das ausschlachten, fürchtet man in Fraktionskreisen. Viele Familien wüssten in der Corona-Krise nicht ein noch aus, und dann müssten sie von Politikern lesen, die sich mit sechsstelligen Honoraren bereicherten.
Die SPD hofft darauf, dass die Affäre Nüßlein Bewegung in den festgefahrenen Streit um die Einführung eines Lobbyregisters bringt. Zu dem Fall selbst wollte sich am Freitag kein führender Genosse äußern. Die Sache müsse die Union schon selbst in Ordnung bringen, hieß es.